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400 Tage nach Paris: Was bedeuten die Klimaziele für den Gebäudesektor?

Fachkommentar von Franziska Trebut, ÖGUT

Das Pariser Klimaschutzabkommen vom 12.12.2015 und der Beschluss des Nationalrats vom 8.7.2016 zur Ratifizierung des „Weltklimavertrags“ geben die Klimaziele für Österreich klar und unmissverständlich vor: Minus 80% CO2 bezogen auf 1990. Für den Gebäudesektor bedeutet das eine weitgehende Dekarbonisierung, da andere Sektoren wie etwa die Landwirtschaft oder die Industrie deutlich geringere CO2-Reduktionspotenziale haben. Ein Systemumbau steht bevor.

Der Umstieg auf Erneuerbare benötigt flexible und dezentrale Vernetzung und Speicherung. Gebäude und Siedlungen werden als Energielieferanten sowie als Energieabnehmer und Energiespeicher für Energieüberschüsse fungieren. Eine Sektorkopplung, d.h. die Kopplung von Elektrizität, Wärmeversorgung und Verkehr ist naheliegend, benötigt aber innovative Lösungsansätze in technischer und juristischer Hinsicht. Je höher der Anteil der Stromwirtschaft an der Energiewirtschaft, um so stärker werden Technologien wie power to gas und power to heat Einfluss auf Energie- und vor allem Wärmeversorgungskonzepte von Gebäuden und Siedlungen haben und bestimmte Gebäudetechnikkonzepte forcieren.

Für den Gebäudesektor braucht es jedenfalls eine Wärmewende, vor allem im Bestand. Diese bringt Energieeinsparung, Emissionsreduktion und hohe lokale Wertschöpfung. Dafür müssen Seitens des Staates klare und stabile Investitionsanreize gesetzt werden.

Mehr Effizienz im Gebäudesektor bedeutet auch eine effizientere Flächennutzung auf der Ebene von Einzelgebäuden, Siedlungen und Gemeinden. Mit einer Reduktion der Nutzflächen und einer Verkürzung der benötigten alltäglichen Wege sind hohe Energie- und Emissionsreduktionen verbunden. Das Einfamilienhaus darf grundsätzlich hinterfragt werden, jedenfalls im Neubau. Der hohe Grund- und Wohnflächenbedarf, Aufwand für Infrastruktur und die induzierte Mobilität rechtfertigen nicht die derzeitigen Investitionsanreize beispielsweise durch Förderungen. Alternativen für leistbares Wohnen und Arbeiten in Ortskernen mit unterschiedlichster Größe sind vorhanden und sollten entsprechend konsequent angereizt und weiter entwickelt werden. Dies führt im Nebeneffekt zu vitaleren, gemeinschaftlich erlebbaren Lebensräumen und nimmt auch auf die Erfordernisse einer alternden Gesellschaft Rücksicht.

Der Systemumbau hat bereits begonnen. Er bietet gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen. Für diesen Systemumbau braucht es sichere, langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Die Österreichische Energie- und Klimastrategie sollte darauf überzeugende Antworten geben.

Es geht um 2050, die Gegenwart ist der steinige Weg dorthin

Kommentar von Robert Lechner, Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen

Wenn heute über das Paris Agreement diskutiert wird, werden in erster Linie unklare Begriffe wie „weitgehende CO2-Neutralität“ oder das „2-Grad-Ziel“ eingebracht. Was im Diskurs über die richtige Deutung dieser Begriffe gerne vergessen wird, ist die Tatsache, dass die in der UN versammelte Staatengemeinschaft in Paris einen für die Zukunft der gesamten Menschheit entscheidenden Beschluss gefasst hat: Die negativen Folgen des durch den Menschen verursachten Klimawandels müssen auf ein jetzt noch mögliches, vertretbares Ausmaß eingedämmt werden.

2 Grad – na und?

Erst jetzt kommt das 2-Grad-Ziel ins Spiel, welches im Übrigen von den allermeisten ExpertInnen als zu wenig ambitioniert betrachtet wird. Im Übrigen teilt dieses Bedenken auch die Staatengemeinschaft und deshalb enthält das Paris Agreement die seltsame Formulierung „2 Grad, besser 1,5 Grad“, was die Sache nicht verständlicher macht. Schon eine Erwärmung um „nur“ 2 Grad wird weltweit umfassende Veränderungen mit sich bringen: Das Verschwinden „kleiner“ Inselstaaten in der Größe österreichischer Bundesländer von der Landkarte, die Flutung küstennaher Gebiete, die Ausweitung der Wüstenzonen oder extrem trockener, heißer Gebiete oder große Verluste an Biodiversität weltweit sind nur eine kleine Auswahl bereits feststehender Konsequenzen, welche für die direkt Betroffenen fatale Konsequenzen mit sich bringen. Diesen Menschen wird schlichtweg die Lebensgrundlage entzogen, sie müssen „woanders“ hin. Aber auch bei uns wird sich vieles einschneidend verändern: Die Häufigkeit von wetterbedingten Extremereignissen wird sich wie jetzt schon bemerkbar deutlich erhöhen, die winterliche Null-Grad-Zone in den Alpen wird deutlich nach oben wandern und den Wintertourismus in vielen Regionen ad absurdum führen.

Galt bis jetzt die Konzentration auf die Reduktion des Heizwärmebedarfs, so ist davon auszugehen, dass künftig die sommerliche Übererwärmung von Gebäuden ein großes Problem darstellen wird. Davon betroffen sind vor allem „versiegelte Hitzeinseln“, wie sie in ganz Österreich in städtischen Gebieten anzutreffen sind. Damit kein Missverständnis aufkommt: Heizen werden wir trotzdem müssen. Auch diese Liste negativer Folgen von „nur 2 Grad Erwärmung“ ließe sich noch lange fortsetzen. Da verblassen die als positiv dargestellten Folgen, wie sie gerne von Klimawandelskeptikern ins Treffen geführt werden. Was bringt uns die Tatsache, dass sich aufgrund der klimatischen Veränderungen grundsätzlich die landwirtschaftlichen Nutzzonen ausweiten können, wenn sich noch häufiger als bisher Starkregenereignisse, Überschwemmungen oder Murenabgänge auf der anderen Seite der sprichwörtlichen Medaille finden? Diese Entwicklung kann niemand wollen, diese Entwicklung ist soweit es noch möglich ist, auf ein Minimalausmaß zu reduzieren. In Anbetracht der gegenwärtigen Ausrichtung von Weltwirtschaft, Konsumverhalten und einer explodierenden Weltbevölkerung stellen die damit zusammenhängenden Maßnahmen die wahrscheinlich größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte dar.

Weitgehend CO2-neutral – das sind wir doch, dafür haben wir doch schon so viel getan?

Womit wir beim schmerzhaften Kern der Sache angelangt sind. Eine durchschnittliche weltweite Erderwärmung im Ausmaß von 2 Grad Celsius ist nur dann möglich, wenn bis allerspätestens zur Mitte des Jahrhunderts die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen auf „weitgehend Null“ reduziert werden.

Über den Terminus „weitgehend“ kann leidenschaftlich gestritten werden, wobei eines klar ist: Fokussiert man auf „1,5 Grad“, dann sprechen wir tatsächlich von einer „CO2-neutralen“ Welt. Bei „2 Grad“ wird – je nach Interessenslage – angenommen, dass die Treibhausgasemissionen auf ein Ausmaß von fünf bis maximal 15 Prozent der Emissionen aus dem Jahr 1990 reduziert werden müssen. Ab diesem Zeitpunkt der Erkenntnis müsste es bei der Zielbeschreibung sehr einfach werden: Österreich war im Jahr 1990 für Treibhausgasemissionen im Ausmaß von rund 78,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich. Fünf Prozent davon sind 4 Millionen Tonnen, 15 Prozent ergeben 12 Millionen Tonnen. Null ergibt auch in dieser Rechenübung schlichtweg „Null“.

Die österreichische CO2-Bilanz ergibt laut aktuellster Prognose des Umweltbundesamtes für das Jahr 2015 knapp 78,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, Österreich ist am selben Stand wie vor 25 Jahren. Und das ist schlichtweg: Schlecht, beschämend, nicht akzeptabel. Die sektorale Aufteilung der Emissionen benennt klar die Verursacher dafür. Während der Gebäudesektor seine Emissionen um rund 40 Prozent (oder 5,1 Mio t) reduzieren konnte, sind die Emissionen im Verkehrssektor um rund 60 Prozent (oder 8,3 Mio t) gestiegen. Dass überhaupt die „Netto-Null“ erreicht werden konnte, ist Einsparungen im Bereich Landwirtschaft (1,5 Mio t), in der Abfallwirtschaft (1,2 Mio t) und dem Energie- und Industriesektor (1 Mio t) zu verdanken; bei den fluorierten Gasen ist ein leichter Anstieg in der Höhe von rund 0,5 Mio t zu bilanzieren. Alle Zahlen beziehen sich auf die aktuelle Schätzung des Umweltbundesamts für das Jahr 2015 („Now-Cast 2015“).

Aus der Sicht der Gebäudewirtschaft (besser: des Raumwärmebereichs) wäre also alles in Butter, gesamthaft ganz und gar nicht. Spätestens hier beginnt der „Kampf der Sektoren“, die sich unterstützt von „ihren“ Lobbyisten gerne die Schuld für das miserable Zwischenergebnis gegenseitig in die Schuhe schieben. Die einen verweisen dabei euphorisch auf ihre unglaublichen Erfolge, die anderen argumentieren damit, dass sie nur bedingt zur Verantwortung zu ziehen sind. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird jede noch so überzeugende Analyse zum Klimawandel und ihren Ursachen gezielt in Zweifel gezogen; jeder Versuch, ambitionierte und den Notwendigkeiten angemessene Maßnahmenprogramme zu entwickeln, wird durch eine ungewohnte Allianz aus extrem wirtschaftsliberaler Grundhaltung (Wachstum! Wachstum! Wachstum!) samt Nebengeräuschen (Weg mit den Reglementierungen!) und sozialpolitisch argumentierter Klientelpolitik „für den sogenannten kleinen Mann“ (Wir nicht – die anderen sind schuld!) samt gezielter Angstmache (Ausländer! Sozialschmarotzer!) torpediert und auf gut österreichisch: abgeschossen, bevor es noch ernsthaft diskutiert wurde. Und überhaupt: Noch im Jahr 2005 waren die Emissionen mit mehr als 90 Mio t deutlich höher, unser Anteil an der Welt ist verschwindend gering (siehe: Nebengeräusche, Angstmache, in weiterer Folge Verharmlosung) und vor allem: Bevor die anderen nichts tun … All das führt zu nichts, ist in Österreich (auch anderswo) eine altbekannte Strategie, die vor allem eines bewirkt: Stillstand, die aktuelle CO2-Bilanz Österreichs ist der beste Beleg dafür.

Gegen den Stillstand: CO2-Neutralität als gesellschaftspolitische Leitlinie

Zwischen Null und zwölf Millionen CO2-Äquivalent liegt – oberflächlich betrachtet – nicht viel, zwischen knapp 80 und 12 Millionen eine ganze Weltanschauung, mitsamt Wirtschaftssystem und allen dafür notwendigen Systemen des Stillstands. Als Erklärungsansatz dafür muss dann schon ganz tief in die Trickkiste gegriffen werden, die Lösung ist einfach: Der (durch den Menschen verursachte) Klimawandel findet gar nicht statt, ist von der Umwelttechnologie-Lobby erfunden oder gar von China. Wem stört es, wenn es ein bisschen wärmer wird? Auch hier gilt in Anbetracht von über 97 Prozent wissenschaftlicher Übereinstimmung schlichtweg: Schlecht, beschämend, nicht akzeptabel, ergänzt durch „Schwachsinn“.

Gehen wir davon aus, dass der Klimawandel stattfindet, dass wir aus einer reinen Vernunftüberlegung allerhöchstens zehn Prozent oder 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zur Verfügung haben. Und dass wir alles unternehmen müssen, dass wir unsere heutigen Emissionen zumindest auf dieses Maß reduzieren müssen. Die wichtigste Frage lautet nicht – aus heutiger Perspektive – wie schaffen wir das? Die wichtigste Frage lautet: Was machen wir mit unseren 8 Millionen Tonnen im Jahr 2050? Erst die Beantwortung dieser Frage kann uns den Weg weisen, wird die Grundlage für sämtliche Strategien und darauffolgende Maßnahmenprogramme und Investitionsentscheidungen sein. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage sollten natürlich die vorhandenen Erkenntnisse und Analysen sein. Und da wird schnell klar, wofür wir auch im Jahr 2050 noch Treibhausgase exmittieren werden. Ernährung und Arbeit. Besser gesagt: Land- und Viehwirtschaft (Methan) und Industrie und Produktion mit prozessbedingter Notwendigkeit im Hochtemperaturbereich (Gas, Strom). Hoffentlich nicht für den Verkehr (berufsbedingt, freizeitbedingt), die Abfallwirtschaft. Mit Sicherheit nicht für den Gebäudebereich.

Ein paar Zahlenspiele mit ernstem Hintergrund dazu: Österreichs Landwirtschaftssektor ist derzeit für genauso viele Treibhausgasemissionen verantwortlich wie der Gebäudebereich; beide emittieren jeweils etwa 8 Millionen Tonnen. Das wäre also schon ein schneller Lösungsansatz: Wir lassen bei der Landwirtschaft alles wie es ist und alle anderen Sektoren müssen ihre Emissionen auf Null stellen. Oder eben beim Gebäudesektor. Bei der Landwirtschaft macht mehr als die Hälfte davon der Vergärungsprozess (Methan) bei den Wiederkäuern (Milch, Fleisch) aus. Knapp 3,5 Millionen Tonnen an Emissionen des Gebäudesektors verursachen die immer noch vorhandenen Ölheizungen. Würden wir alles so lassen, wie es jetzt ist, dann macht das in Summe genau die acht Millionen Tonnen aus, die wir vielleicht Mitte des Jahrhunderts verbrauchen dürfen. Also: Landwirtschaft und Gebäudesektor halbieren ihre Emissionen, alle anderen Sektoren müssen zur Gänze auf ihre Emissionen „verzichten“, und deshalb entweder aus dem Wirtschaftssystem genommen werden oder zu 100 Prozent auf erneuerbare Energieträger umstellen. Mit Verlaub: Das ist nicht realistisch.

Was ist ihnen lieber? 620.000 ölbeheizte Wohnungen oder Milch/Käse/Fleisch aus der österreichischen Landwirtschaft?

Die einfache Antwort auf diese schnelle Analyse lautet also: Raus aus der Ölheizung, und zwar nicht irgendwann, sondern sofort. Im Neubau von Wohnungen / Einfamilienhäusern müsste dafür sofort ein Verbot ausgesprochen werden und spätestens bei der Notwendigkeit zum Tausch vorhandener Ölkessel dürfte auch kein neuer mehr eingebaut werden. Alternativen gibt es genug und die CO2-Bilanz des Gebäudesektors wäre nahezu halbiert. Umsetzungsdauer: Ca. 30 Jahre, wenn sofort begonnen wird. So lange hält in etwa ein Ölkessel, bevor er ausgetauscht werden muss. Und bis heute werden sie eingebaut.

Weitaus schwieriger ist der nächste Schritt: Knapp 900.000 Wohneinheiten werden mit Erdgas beheizt, welches im Gebäudesektor für rund 3,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich ist. Erdgas ist jener fossiler Energieträger, der im Vergleich zu Öl oder Kohle geringere CO2-Emissionen emittiert und gleichzeitig einen hohen Energieinhalt (Brennwert) besitzt. Und genau diese Eigenschaft macht Energieträger für alle Prozesse im Hochtemperaturbereich extrem interessant, wie sie etwa in Industrieprozessen oder in der zentralen Energiebereitstellung notwendig sind. Im Gebäudebereich ist generell von Niedertemperaturnutzung auszugehen, für deren Bereitstellung es zahlreiche Alternativen zu fossilen Brennstoffen gibt. Aktuell braucht die österreichische Industrie 6,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent aus dem Gasbereich. Wenn es also bis zum Jahr 2050 gelingt, im Industriesektor die gasbezogenen Emissionen um 40 Prozent effizienter zu machen und gleichzeitig im Raumwärmebereich aus der Gasnutzung auszusteigen, dann würden knapp 7 Mio t Treibhausgasemissionen eingespart werden.

Auch dazu gibt es eine klare Fragestellung für die Zukunft: Was ist ihnen lieber – 900.000 erdgasbeheizte Wohnungen oder die auf den Hochtemperaturbereich angewiesene Industrie mit ihren Arbeitsplätzen? Vorschlag: Der Gebäudesektor sollte auf Erdgas verzichten und diese für die Hochtemperaturnutzung geeignete Ressource dem Industriesektor „schenken“. Wenn dieser Überlegung Folge geleistet wird, heißt das nichts anderes, als dass in einem ersten Schritt im Neubau keine direkte (gebäudebezogene) Gasfeuerung für Raumwärmenutzung und fürs Kochen mehr zugelassen wird. In einem zweiten Schritt muss es darum gehen, die bestehenden Gebäude sukzessive aus der Gasversorgungen heraus zu nehmen und die benötigte Raumwärme mit Alternativen zu versehen.

Diese Alternativen werden nur erschließbar sein, wenn der Gebäudebestand deutlich effizienter wird, als er derzeit ist. Der thermisch-energetischen Sanierung kommt damit größte Bedeutung zu: Je weniger Energie grundsätzlich gebraucht wird, desto weniger muss durch Alternativen bereitgestellt werden. Umsetzungshorizont mit heutigem Stand: 70 bis 100 Jahre, da die Sanierungsquote von Bestandsgebäuden irgendwo um rund 1 Prozent dahin schleicht. Will man dieses Ziel aber bis 2050 erreichen, dann wäre eine Sanierungsquote von rund 3 Prozent jährlich notwendig. Wird diese erreicht und werden gleichzeitig die fossilen Energieträger aus dem Gebäudebereich zurückgedrängt, dann ist die Raumwärmeversorgung im Gebäudesektor „CO2-neutral“. Dass dafür auch die Stromproduktion in Österreich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern umgesetzt werden muss, versteht sich von selbst. Die Republik geht in aktuellen Prognosen davon aus, dass dieses Ziel in den nächsten 15 Jahren umsetzbar ist (Wind, PV, (kleine) Wasserkraft, Biomasse). Damit einhergehend wird es möglich sein, der Elektromobilität und damit dem Verkehrssektor einen entscheidenden Entwicklungsschub zu geben.

Dass unabhängig davon sämtliche Sektoren umfassende und ambitionierte Programme realisieren müssen, liegt auf der Hand. Maximal 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2050 bedeuten eine vollkommene Neuausrichtung der österreichischen Wirtschaft, des Energiesystems und letztlich auch des Ressourcenverbrauchs bei der Bevölkerung. Die aufgezeigten Verlagerungspotenziale vom Gebäudesektor in Landwirtschaft und Industrie sind exemplarischer Natur; auch bei vollständiger Umsetzung dieser Vorschläge geht die Rechnung nicht auf. Aber ohne einen CO2-neutralen Gebäudesektor fehlt jegliche Basis für die notwendige Transformation, da schon aus diesem Sektor bereits heute der Zielwert für das Jahr 2050 emittiert wird.

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Innendämmung – Lösungen für sofort.

Kommentar von Tobias Steiner und Barbara Bauer, IBO GmbH

Innendämmung wird als bauphysikalisch anspruchsvoll angesehen – zu Recht. Für die Sanierung einzelner Eigentumswohnungen ist sie aber oft der einzige Weg zu mehr Komfort, Werterhalt und Energieeinsparung. Wie eine Innendämmung einwandfrei funktioniert, wurde erforscht, praktisch umgesetzt und die Zustände bis zu 2 Jahre nach Einbau überprüft.

Alte Häuser haben oft einen Charme, der über so manche Unbequemlichkeit hinwegsehen lässt. Dazu gehören auch Kälte bei den relativ dünnen Feuermauern oder den anderen Außenmauern. Für so manchen Wohnungseigentümer wäre mehr Komfort mit warmen Wänden ein verlockendes Angebot. Mit dem heutigen Wissen sind Innendämmungen sicher und praktikabel, wie das Forschungsprojekt zeigt. Dennoch: jedes Bauvorhaben ist anders und eine fachgerechte Planung und Ausführung sind Pflicht, damit am Ende alle zufrieden sind.

Im Forschungsprojekt wurden 7 Objekte, darunter ein Kellerausbau in einem Haus aus den 1970erJahren und eine Wohnung in einem Gründerzeithaus über einen Zeitraum von über 2 Jahren begleitet. Ausprobiert wurden unterschiedliche Produkte bzw. Systeme für die Innendämmung, aber auch Mess-Systeme für die Langzeitbeobachtung bei kritischen Zuständen, wie das bei Sanierungen ja der Fall sein kann.

Dabei wurde festgestellt, dass zwar jedes Bauvorhaben anders ist, dennoch für einzelne Epochen und Bauweisen Mustersanierungslösungen möglich sind. Diese Lösungen lassen sich dann für das individuelle Projekt anpassen. Untersucht wurde auch die Eignung von nachwachsenden Rohstoffen als Dämmstoffen. Denn Produkte, die mit der Energie der Sonne entstehen, sparen nicht nur Heizenergie, sondern u.a. auch graue Energie, die bei der Herstellung anfällt. Beschrieben werden im Forschungsbericht die Eignung von Kork-, Stroh-, Zellulosefaser- und Holzfaserplatten als Material für die Innendämmung. Vorweg: geeignet sind alle. 19 Innendämmsysteme wurden dafür, jeweils in Kombination mit verschiedenen Energieträgern für die Heizung, nach ökologischen und ökonomischen Kriterien beurteilt.

Beruhend auf den Forschungserkenntnissen bietet das IBO an, für einen Umbau einen bauphysikalisch abgestimmten Systemvorschlag zu entwickeln.
Produktneutral werden Materialvorschläge, die passende Dimensionierung und die Verarbeitungsbesonderheiten bzw. Baudetails für das jeweilige Projekt erstellt. Damit kann eine gesunde und ökologische Innendämmung sicher durchgeführt werden.

Vorteile sind nicht nur die größere Behaglichkeit und die Vorbeugung von Schimmelbefall. Begeisterte Bauherren berichten davon, wieviel größer ihnen die Wohnung nun vorkommt, obwohl sie durch die Innendämmung eigentlich kleiner geworden ist. Denn nun können sie den gesamten Raum nutzen, auch dort, wo früher niemand sitzen wollte, weil es zu kalt und ungemütlich war.
Auch bei Räumen, die nur zeitweise genutzt werden, hilft eine Innendämmung. Beispiel ist das Wochenendhaus, das schnell warm werden soll – mit einer Innendämmung verkürzt sich die Aufheizzeit deutlich.

Neben der Verbesserung der Wohnung– Wirtschaftlichkeit, Werterhalt, Komfortgewinn, Gesundheitsförderung – leistet eine Innendämmung auch Klimaschutz bewirken. Denn es lässt sich Heizenergie einsparen und damit Treibhausgasemissionen. Mit dem heutigen Knowhow, den ausgereiften Systemen und der bauphysikalischen Absicherung z.B. durch das IBO könnten Eigentumswohnungen ohne langwierige Miteigentümerabstimmungen sinnvoll saniert werden.

Zersiedelung

Kommentar von Johannes Kislinger, Innovative Gebäude

„Zersiedelung bedeutet wuchern urbaner Kernzonen mangels eines großen Plans, der künftige Entwicklungen berücksichtigen sollte. Das LEBEN hat keinen WERT mehr, sondern einen PREIS. Und den leisten wir uns. Sind wir uns bewusst, dass das Leben endlich ist, wie der Boden auf dem wir stehen?

Die Vereinten Nationen haben 2015 das Jahr zum Jahr des Bodens erklärt und in diesem Zusammenhang den ersten Bodenatlas herausgebracht. Die Weltgemeinschaft hat sich neben der Reduktion der Klimaerwärmung um 2° Celsius auch das Recht auf ausgewogene Nahrung und den Stopp des Verlustes der Biodiversität zum Ziel gesetzt. Alle diese Ziele sind nur über den nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden zu erreichen.

„Wir nutzen die Böden der Welt, als wären sie unerschöpflich. Doch sie sind in menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar.“

Das Land der Berge, Land der Äcker hat mit 84 000 km2 eine Fläche, die zu 37 Prozent unveränderbar benutz- und besiedelbar ist. Die Warnung, dass pro Tag 22 Hektar verbaut und zubetoniert werden, hat das Umdenken nicht beschleunigt. Die Auswirkungen sind seit Jahren die gleichen – Agrarflächen weichen den Siedlungserweiterungen. Reduzierte Agrarflächen führen in weiterer Konsequenz zu gesteigerten Importen von Agrarprodukten.

Die einfache Frage nach der Bemessung von Zersiedelung ist durch den föderalistischen Verwaltungsapparat nicht vergleich- und daher quantifizierbar. Bundesländer haben unterschiedliche Bemessungsmodelle, die erhobenen Flächenangaben sind zum Teil auch nicht vergleichbar. Auch ist Raumplanung nach wie vor in der Hand von lokalen Gemeindestrukturen.

Die Landwirtschaft ist selbst von guten Böden abhängig und trägt somit auch Verantwortung für die großen Verluste. Industrielle Methoden der Bewirtschaftung führen zu Erosion und reduzieren die Biodiversität. Der weltweite Vergleich erklärt das Anwachsen von politischen Konflikten durch ungleich verteilten Bodenbesitz. Durchschnittlich braucht ein Europäer 1.3 Hektar für die Konsumprodukte. Das ist in etwa sechsmal so viel wie für eine Person in Bangladesch. Zudem liegen 60 Prozent der für den europäischen Konsum außerhalb der EU.

2015 wollte die UN für den sorgsamen Umgang mit der Ressource Boden werben. Klimaschutz und Nachhaltigkeit beginnt zu aller erst beim Bodenschutz. Erst nachrangig sind Fragen nach Effizienz der Gebäude oder Mobilität zu beantworten.

In Österreich ist das Bewusstsein etwas angewachsen, die Geschwindigkeit der Versiegelung nimmt dennoch nur langsam ab. In der Zeitspanne von 2006 bis 2012 stieg der Flächenverbrauch um zehn Prozent an, hingegen wuchs die Bevölkerung im gleichen Zeitraum nur um zwei Prozent. Dies führt zu den Angaben, dass pro Tag ca. 22 Hektar oder 30 Fußballfelder verbraucht wurden. Dagegen wurde 2001 in der ÖROK (österreichische Raumordnungskonferenz) beschlossen, bis 2012 den Flächenverbrauch auf 1 ha/ Tag zu begrenzen.

Die Mehrkosten von Siedlungserweiterungen beinhalten die Errichtung und Erhaltung von Erschließung und Infrastruktur, 51% aller Handels- und Verkaufsflächen befinden sich außerhalb von Ballungsräumen auf der grünen Wiese. Alleine dieser Umstand erklärt die Zunahme von Verkehrsaufkommen in diese Gebiete. Somit wird Raumordnung zum wesentlichen Bestandteil von Klimapolitik und nachhaltigem Wirtschaften. Entscheidungen für Siedlungsräume beeinflussen Stoffflüsse (Acker wird zur Straße, Straßen generieren Verkehr, Verkehr erzeugt Emissionen etc.) über weit größere Zeiträume als Lebenszyklen von Gebäuden oder deren Bewohner.

Für die Energieversorgung von Haushalt und Mobilität werden Biokraftstoff und nachwachsende Rohstoffe vor allem im nicht-städtischen Bereich gewonnen. Böden bergen Energieressourcen. Auf den Böden wächst Biomasse, sie sind Lagerstätten fossiler Reserven und schließlich werden sie für Wind- und PV-Anlagen benötigt. Die Verwendung von Biomasse für Energieerzeugung erscheint vordergründig als klimaneutral. Dabei bleiben jedoch Faktoren wie die Erzeugungsenergie der Biomasse, die Umwidmung von vorher anders genutzten Böden und die graue Energie die durch Herstellung, Handelsströme oder Konsum verursacht werden unberücksichtigt.

Fallbeispiel aus NÖ:
NÖ benötigt mit 58.6% seiner Landesfläche Dauersiedlungsraum, das liegt über dem österreichischen Durchschnitt von 37.4%. Bei einem Gebäudestand von 591.000 Wohngebäuden sind 507.000 Ein- und Zweifamilienhäuser. Das sind immerhin 85.8% der Wohngebäude und 79.2% aller Gebäude in NÖ. Somit ist die Anordnung und Größe dieser Gebäude das entscheidende Kriterium für die Bewirtschaftung von Bauland und Siedlungsstruktur.

Die Bebaubarkeit eines Grundstückes wird in NÖ in der Bauordnung und im Raumordnungsgesetz geregelt. In den letzten Jahrzehnten war die zulässige Bebaubarkeit von Grund und Bauland Gegenstand zahlreicher meist emotional geführter Debatten, die auch bis zum Höchstgericht ausgefochten wurden.
Der Paragraf 54 der Bauordnung regelt deshalb seit 2014 neu die Höhe und Anordnung eines Gebäudes im Falle, dass keine Bebauungsvorschriften für das Grundstück bestehen (in NÖ ist das die Mehrzahl). In diesem Paragrafen wird die offene Bauweise bis zu 2 Geschossen – entsprechend der Typologie eines freistehenden Einfamilienhauses als NICHT abweichend zur vorherrschenden Bebauungsformen definiert und zum Prinzip erklärt. Zahlreiche Studien und Rechenmethoden haben aber eben diese Siedlungsform als nicht wirtschaftlich und nachhaltig erkannt. Das online Tool elas-Rechner –Energieausweis für Siedlungen zeigt in überschaubarer Art auch Laien den Zusammenhang zwischen der Siedlungsform und dem ökologischen Fußabdruck. http://www.elas-calculator.eu/
Porträtfoto: http://www.nachhaltiges-bauen.jetzt/wp-content/uploads/2015/06/Johannes-Kislinger_Wilke.jpg

Quellen:
Regionalinformation der Grundstücksdatenbank (Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen) aufbereitet durch Umweltbundesamt, 1.1.2012
Statistik Austria Wohnungs- und Gebäudestand 2011
Bodenatlas 2015 https://www.global2000.at/sites/global/files/Bodenatlas2015.pdf

Das Haus mit Speicher am grünen Strom

Kommentar von Johannes Fechner, klimaaktiv Bildungskoordination, 17&4

Bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll die Dekarbonisierung der industrialisierten Volkswirtschaften geschafft sein. Mehrere Bundesländer haben den Ausstieg aus der fossilen Raumwärme sogar bereits fixiert, z.B. Kärnten: 100 % erneuerbare Raumwärme bis 2025, Oberösterreich bis 2030. Photovoltaik und Wind werden global gesehen in den kommenden Jahrzehnten die Hauptlast der Ökologisierung des Energiesystems tragen. Grund dafür sind die Potentiale, die erreichten Kostenstrukturen und die relative Ausgereiftheit beider Technologien, stellte die Internationale Energieagentur fest. Mit welchen erneuerbaren Energien werden Gebäude, die wir heute bauen, dann betrieben werden? Ein Blick ins Jahr 2050 zeigt, wie sich die Energieerzeugung nach der Dekarbonisierung darstellen könnte.
Für die Wärmeanwendung sind im Österreich-Szenario vor allem die Technologien Solarthermie, Wärmepumpe sowie „noch offen/Geothermie“ mit erforderlichen Steigerungsraten um ca. das 8-fache voranzutreiben, biogene Energieträger steigen nur moderat an, PV ist erst am Beginn.(1) Wesentlich dabei ist, dass eine erfolgreiche Energie- und Klimastrategie jedenfalls einen massiven Rückgang des Gesamtenergiebedarfes um etwa 40 % als Basis erfordert. Dies wird vorrangig über Wärmeschutzmaßnahmen im Gebäudesektor zu erreichen sein.

Gebäude – fit zum Betrieb im System der erneuerbaren Energien?
Zusätzlich zu biogenen Brennstoffe werden vor allem Power-to-Heat-Technologien in großem Stil eingesetzt werden. Heizen mit Strom – das was bisher eher verpönt war soll nun die Rettung bedeuten? Unter bestimmten Voraussetzungen: ja! Wenn der oben gezeigte Energiemix 2050 Realität wird, dann wird es Zeiten mit noch weit größeren Stromüberschüssen geben als heute, aber auch Zeiten, wo Sonne und Wind zu wenig bringen. In Österreich wissen wir die Bedeutung von Speicherkraftwerken wie Kaprun zu schätzen, will man nun aber Wärme auch in großem Ausmaß elektrisch produzieren, dann braucht es zusätzlich Speicherkapazitäten und dafür gibt es sicher nicht mehr ausreichend flutbare Alpentäler. Für Wärme kann das eine Saisonspeicherung im Untergrund unter Gebäuden sein, die thermische Nutzung von Betonteilen oder auch Wasserspeicher. Es sollte eigentlich im Interesse der Energieversorger und Netzbetreiber liegen, dass diese Speicherkapazitäten bei jedem Bauvorhaben nutzbar gemacht werden.

Energiespeichersysteme – Überforderung für Bauträger?
Bei den meisten Bauträgern wird das Ansinnen, nun auch komplexe Energiespeichersysteme zu errichten, wenig Begeisterung hervorrufen. Dazu gibt es aber bereits eigene Unternehmen wie z.B. die Kraftwerk Krieau GmbH, die am Standort Energie aus erneuerbaren Quellen – Geothermie, Grundwasser, Abwärme, Abwasser, Solarenergie – produzieren. Der Kunde bezieht diese am Standort produzierte grüne Energie für Wärme und Kälte zu einem marktgerechten Preis. Im Viertel Zwei im Wiener Prater werden so demnächst rund 1.500 Arbeitsplätze, ca. 500 Wohnungen, 350 Studenten Apartments mit grüner Energie versorgt.

Wärmepumpe – hilfreich für die Energiewende?
Eines scheint bereits festzustehen. Die Wärmepumpe wird zum bedeutendsten Heizungssystem. Der Marktanteil der Wärmepumpe im Neubau beträgt zurzeit bereits 75 % – 80 %, bei einem Bestand von 158.000 Gebäuden mit Wärmepumpenheizung im Jahr 2015. Die aktuelle Roadmap sieht Szenarien für 2030 mit 266.000 bis 624.000 Gebäuden mit Wärmepumpenheizung. Nun macht es aber einen großen Unterschied, wie diese vielen Anlagen betrieben werden. Können sie dann eingeschaltet werden, wenn ein Stromüberangebot vorhanden ist und Wärme speichern? Wenn sie das nicht können werden sie an vielen Stunden des Jahres genau dann betrieben, wo Strom nicht aus erneuerbaren Quellen produziert werden kann. Ein Resultat wäre mehr importierter Kohle-Strom.
In Deutschland gibt es bereits eine spezielle Wärmepumpenförderung für „Smart Grid“ taugliche Produkte (SG Label) wenn diese in Kombination mit einem Speicher installiert werden.(2) Eine Studie des AIT bestätigt, Wärmepumpen können Flexibilität sehr effizient bereitstellen, wobei das Flex-Potential der Wärmepumpen stark von Use Case und Jahreszeit abhängig ist. (3)

Wer dirigiert den Schwarm?
Bleibt die Frage, wer optimiert den Betrieb? Der deutsche Energieversorger LichtBlick zeigt mit seinem Geschäftsmodell interessante Ansätze, wie sauberer Strom verfügbar gemacht wird und vernetzt dazu dezentrale Erzeuger, Speicher und steuerbare Lasten zu einem intelligenten Schwarm. Die entsprechende IT, genannt Schwarmdirigent, erlaubt die technische Einbindung dezentraler Kraftwerke oder Batteriespeicher in allen relevanten Energiemärkten – zum Beispiel an der Strombörse oder im Markt für Regelenergie. Speziell für Wärmepumpenbesitzer bietet der Wiener Stromanbieter Awattar eine Webschnittstelle namens „Syncer“, damit sich die Heizung automatisch zum jeweils günstigsten Zeitpunkt Strom bezieht.

Spätestens an diesem Punkt ist das Argument der höheren Investitionskosten zu behandeln. Wir können dazu einerseits das Vermächtnis des Rechnungshofpräsidenten Moser zitieren, wo verbindliche energetische Planungsvorschriften und Lebenszykluskostenanalysen gefordert werden (4) und andererseits auf Energiedienstleistungen setzen wie oben beschrieben und dafür sorgen, dass sich derartige Angebote am Markt verbreiten.

Schlussfolgerung
Nachhaltiges Bauen ist um eine Facette reicher geworden. Waren die Kennwerte bisher vor allem darauf ausgelegt, die Betriebsenergie zu minimieren, so geht es jetzt auch mehr um die tatsächliche Erneuerbarkeit dieser Energie. Das Passivhaus Institut hat mit seinen neuen Klassen Classic, Plus und Premium bereits neue Anforderung gesetzt. Im klimaaktiv Gebäudestandard ist CO2 seit Beginn an ein Kriterium, die Berechnung mit den OIB Faktoren gibt zumindest einen ungefähren Anhaltspunkt zu den Klimabelastungen. Speichermöglichkeiten gibt es in und um jedes Gebäude, mit guter Planung können sie für Jahrzehnte nutzbar gemacht werden. Effiziente Wärmepumpen brauchen Niedertemperaturheizungen und sollten „netzdienlich“ betrieben werden können. Die Dekarbonisierung sollte zumindest im Neubau kurzfristig zu schaffen sein!

 

Quellen:
(1) Energiezukunft Österreich, Szenario für 2030 und 2050 [Veigl, 2015].
(2) http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erneuerbare_energien/waermepumpen/basis_und_zusatzfoerderung/lastmanagement.html
(3) iWPP-Flex: Intelligentes Wärmepumpen-Pooling als Virtueller Baustein in Smart Grids zur Flexibilisierung des Energieeinsatzes Tara Esterl, AIT Austrian Institute of Technology GmbH; VERBUND, http://www.nachhaltigwirtschaften.at/iea_pdf/events/20160622_highlights_der_energieforschung_2016_vortrag_esterl.pdf
(4) http://diepresse.com/mediadb/Positionen_2016_02.pdf

Welches Fördersystem brauchen wir für einen CO2-neutralen Gebäudesektor?

Kommentar von Robert Lechner, Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ÖGNB

Im Jahr 1990 wurden in Österreich im Gebäudebereich 13,13 Mio Tonnen CO2-Äquivalente emittiert; in der aktuellen Klimaschutzbilanz werden nur mehr 7,6 Mio Tonnen ausgewiesen. Dies entspricht einer aktuellen Reduktion von 42 Prozent gegenüber 1990. Noch im Vorjahr hatte die Einsparung „nur“ 34 Prozent ausgemacht: Schon diese deutliche Steigerung in nur einem Jahr macht deutlich, dass vor allem die Temperaturschwankungen (kalte Winter) kurzfristig deutlich Einfluss auf die Klimaschutzbilanz des Gebäudesektors nimmt. Die Zielvorstellung bis 2050 ist jedoch klar definiert: Mit Ratifizierung des Paris-Abkommens zum Klimaschutz ist bis spätestens 2050 der Gebäudesektor „weitgehend“ CO2-neutral zu stellen. Werden dem Sektor bis dahin noch 10 Prozent der Emissionen aus dem Jahr 1990 zugestanden, dann verbleiben 1,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Vereinfacht kann festgehalten werden: Bis ins Jahr 2020 werden wir ein starkes Drittel der notwendigen Einsparungen umgesetzt haben. Dafür haben wir leider aber dann schon die Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit beansprucht. Hinsichtlich der aktuellen Anforderungsniveaus des „Nationalen Plans“ zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor wird dem als kostenoptimal deklarierten Niedrigstenergiegebäude („10er-Linie“ der aktuellen OIB-Anforderungen) bis zur mittleren Kompaktheit von Gebäuden (verdichteter Flachbau, kleinerer Mehrgeschoßwohnungsbau) an sich gute Qualität beschieden. Diese Gebäude sind hinsichtlich des zulässigen Heizwärmbedarfs dann mit den hochwertigen Anforderungen von Passivhäusern vergleichbar, wenn mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung eingebaut wird. Gebäude mit geringerer Dichte rutschen derzeit aber durch den Rost: Einfamilienhäuser dürfen beim Niedrigstenergiegebäude ebenso wie der Sanierung mehr als doppelt so viel Energie für Heizung pro Quadratmeter verbrauchen, als Geschoßwohnungsbauten. Dass muss in Zukunft heftig hinterfragt werden. Vor allem auch deshalb, weil bislang österreichweit knapp 60 Prozent der gesamten Wohnflächen im Ein- und Zweifamilienhaus realisiert wurden.
Das Fördersystem der Zukunft muss hocheffiziente Wohnbauten unterstützen, gleichzeitig den Flächenverbrauch pro Kopf reduzieren und die Restenergie mit erneuerbaren Energieträgern bereitstellen. Ich empfiehle die sofortige Ausarbeitung eines Mehrsäulen-Modells mit Schwerpunkten Effizienz (Passivhaus und vergleichbar), Erneuerbare Energieträger (Solar, Geothermie, Biomasse, hocheffiziente KWK) und Verdichtung (Reduktion Pro-Kopf-Verbrauch an Fläche). Besonders der letztgenannte Aspekt wird generell unterschätzt und viel zu wenig beachtet: Wenn es möglich ist, von heute knapp 44 Quadratmeter Wohnnutzfläche pro Person in Österreich auf ca. 30 Quadratmeter zu reduzieren (Wert der 90er Jahre), dann wird dadurch ein ganz wesentlicher Beitrag zur Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und damit auch Zukunftsfähigkeit geleistet. Denkbar ist, dass die Errichtung von Einfamilienhäusern nur mehr dort gefördert wird, wo es sich um Nachverdichtungen, Bestandssanierungen oder Flächenrecycling handelt.
In diesem Zusammenhang schlage ich auch die Einrichtung personifizierter CO2-Konten vor. Nur wenn es uns gelingt, den Menschen klarzumachen, dass sie selbst die Verantwortung für den Klimawandel mittragen, wird ein nachhaltiger Wandel im Sinne einer CO2-neutralen Gesellschaft möglich sein.

Eckpunkte für ein neues Strategie- und Fördermodell im Hochbau

Übergang vom „Wohnbauförderprogramm“ zu einem gesamthaften „Impulsprogramm Hochbau“ in Kompetenz des Bundes und in Abstimmung mit den Ländern (15a B-VG) und unter Einbeziehung aller relevanter Stakeholder

  • Definition von klaren Anforderungen und Nachhaltigkeitszielen für unterschiedliche Gebäudenutzungen 2050: Umwelt, Wirtschaft, Soziales
  • Umweltspezifisches Kernziel: CO2-freier Gebäudesektor Österreich 2050
  • Abstimmung von Wohnbau & Nichtwohnungsbau: Rechtsmaterien, Förderinstrumentarium auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene
  • Besondere Schwerpunktsetzung: Die öffentliche Hand als Nutzerin
  • Benennung von Schwerpunktaktivitäten für die einzelnen Aktivitätsbereiche
  • Unterteilung der Zielvorgaben in kurzfristig einzulösende Maßnahmen mit verpflichtender Anpassung im Berichtsmodus von maximal fünf Jahren (Paris Agreement Reporting Scheme)

Generelle Aspekte / Rahmenbedingungen

  • Reduktion der CO2-Emissionen aus dem Gebäudebereich (Raumwärme, elektrischer Strom) für das Jahr 2050 auf maximal 10 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Jahr 1990. Das entspricht maximal 1,3 Mio Tonnen CO2-Äquivalente. Zu prüfen ist hier eine möglicherweise notwendige Anpassung auf Basis eines absehbaren Bevölkerungswachstums.
  • Entwicklung eines Dokumentations- und Monitoringsystems unter Einbeziehung aller relevanten Aktivitätsbereiche auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie ggf. auch privater TrägerInnen. Hier ist auch gezielt auf das in Entwicklung befindliche Berichts-System im Sinne des Weltklimavertrags Rücksicht zu nehmen.
  • Übergang / Ergänzung des bestehenden Indikatorensystems von meist flächenbezogenen Zielvorgaben auf Pro-Kopf-Zielwerte im Einklang mit internationalen Indikatorensystemen. Neue Zielwerte für CO2-Emissionen pro Kopf, Ressourcenverbrauch pro Kopf (z.B. Primärenergie, Fläche).
  • Definition von Zielvorgaben für die Objekt- und Siedlungsebene. Sukzessiver Ersatz konservativer (und meist wirkungsloser) Raum- und Stadtentwicklungsinstrumente durch systemische Monitoring- und Planungsinstrumente auf Quartiers-, Siedlungs- und Raumebene unter strikter Einbeziehung der gebauten Infrastruktur.
  • Zweckwidmung von Wohnbaufördermitteln und vergleichbaren Förderinstrumenten für den ausschließlichen Zweck des Hochbaus; ergänzend können siedlungsbezogene Infrastrukturen dann gefördert werden, wenn diese nachweislich das Erreichen der Kernzielsetzung „CO2-freier Gebäudesektor Österreich 2050“ unterstützen. Verbot sämtlicher direkter und indirekter Förderung / Finanzierung mit öffentlichen Mitteln für divergierende Zielvorstellungen.
  • Grundsätzlich sind verbindliche Zielvorgaben für die Weiterentwicklung des Gebäudebestands auszuarbeiten: Zu prüfen ist ein „Sanierungsgebot“ mit verbindlicher Umsetzungsfrist für all jene Gebäude, welche deutlich hinter die generellen Zielsetzungen zurück fallen
  • Verbindliche Zweckwidmung von 1 Prozent der relevanten Fördermittel / öffentlichen Mittel für die sektorspezifische Forschung und Entwicklung auf Bundes- und Landesebene. Daraus resultiert nach vorsichtiger Schätzung ein sektorspezifisches (öffentliches) FTI-Volumen von 30 bis 40 Millionen Euro jährlich.

Wohnbauförderung NEU – 15a B-VG zwischen Bund und Ländern

  • Bereitstellung von Wohnbaufördermitteln im Rahmen des Finanzausgleichs mit einem Volumen von 3 Mrd Euro jährlich
  • Entwicklung eines landesweit verbindlichen und vor allem einheitlichen Förderinstrumentariums zur gezielten Umsetzung der zentralen Zielsetzung „CO2-freier Gebäudesektor Österreich 2050“. Sozialpolitische Zielvorgaben sind dabei ebenso enthalten wie gesamtwirtschaftliche Impulse.
  • Sozialpolitisch relevante Fördersätze sind in Form von „Sockelfördersätzen“ für die soziale Dimension des Hochbaus zu definieren.
  • Neubau von Wohnbauten – mittel- bis großvolumige Gebäude: Kurzfristig (mit sofortiger Gültigkeit einer neuen 15a Vereinbarung im Jahr 2017) muss als Mindestvoraussetzung für die Inanspruchnahme von über die Sockelbeträge hinausgehenden Fördermitteln das im Nationalen Plan formulierte Ziel des Niedrigstenergiegebäudes (10er-Linie) gemäß einschlägiger normativer Vorgaben für Gebäude mittlerer und hoher Kompaktheit herangezogen werden. Das bedeutet ein Vorziehen der Neubauanforderungen (01.01.2021) auf spätestens 01.01.2018 für sämtliche Bauwerke. Die höchsten Förderzuschläge sind für Bauwerke in hocheffizienter Bauweise (Passivhaus, Null- / Plusenergiegebäude oder Gebäude mit nachweislich höchster CO2-Effizienz unter Beachtung volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen) zu leisten.
  • Neubau von Wohnbauten – kleinvolumige Gebäude / Einfamilienhäuser: Grundsätzlich ist zu prüfen, inwieweit nach erfolgter gesamthafter Bewertung der Siedlungsstrukturen einerseits (Infrastruktur, Mobilität) und der sozialen Treffersicherheit andererseits (Argumentierbarkeit der Einfamilienhausförderung hinsichtlich Kapitaleinsatz, Flächeninanspruchnahme, Förderfähigkeit der FördernehmerInnen) Wohnbaufördermittel ausgeschüttet werden sollen / können. Grundsätzlich förderfähig soll die Nachverdichtung, das Flächenrecycling in bestehenden Einfamilienhausgebieten und generell die Wiederbelebung bereits vorhandener Siedlungsgebiete sein. Hinsichtlich der Effizienzanforderungen sind vergleichbare Effizienzniveaus wie beim Geschoßwohnbau anzustreben: Das bedeutet konkret, dass die normative Definition des Niedrigstenergiegebäudes im Bereich der kleinvolumigen Wohnbauten einer Nachbesserung bedarf. Höchste Fördervolumina dürfen künftig nur mehr Gebäude in hocheffizienter Bauweise (Passivhaus, Null- / Plusenergiegebäude oder Gebäude mit nachweislich höchster CO2-Effizienz unter Beachtung volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen) erhalten.
  • Sanierung von Wohnbauten: Analog zur sofortigen Umsetzung des Niedrigstenergiestandards für Neubauten sind auch im Sanierungsbereich die kostenoptimalen Anforderungen des „Nationalen Plans“ für das Jahr 2021 sofort als Mindestvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Fördermitteln zu definieren. Förderhöchstsätze sind dort auszuschütten, wo die Reduktion des Energieverbrauchs dazu beiträgt, dass im Vergleich zum Bestandsverbrauch nur mehr 10 Prozent CO2 emittiert werden. Zwischen bereits jetzt ambitionierten Anforderungen bei mittelgroßen und großen Wohnbauten (übertreffen die Neubauanforderungen von Einfamilienhäusern!) und den weniger ambitionierten Anforderungen bei Einfamilienhäusern ist ein Ausgleich zu schaffen (Anhebung der Mindestvoraussetzungen für EFH)
  • Ausschluss Öl- / Kohle- / Koksfeuerung

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Wohnbau-Förderung – Sozial-politische Lenkungs-Effekte ernst nehmen

Kommentar von Franziska Trebut, ÖGUT

Die Wohnbauförderung in Österreich ist ein starkes Instrument und hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in veränderten Gewichtungen bewusst sozial- und wirtschaftspolitische sowie klima- und in geringem Maß auch raumordnungspolitische Ziele verfolgt. Mit differenzierten Anforderungsniveaus und Fördersätzen ist sie den unterschiedlichen Zieldimensionen gerecht geworden, hat zur Wohnungsgrundversorgung beigetragen, war Konjunkturmotor und leistete gleichzeitig einen Beitrag zur Implementierung von klimafreundlichen Technologien am Markt.

Durch die Verschärfung der baurechtlichen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden via EU-Gebäuderichtlinie und nationale Umsetzung OIB-Richtlinie 6 sowie den gestiegenen Druck auf die Bauleistung in Folge des Bevölkerungswachstums gerät dieses bewährte Gefüge in Bewegung und verschiedenste Proponenten am Markt beginnen, die Lenkungseffekte der Wohnbauförderung gegeneinander abzuwägen. Die Wohnbauförderung solle sich auf die soziale Zieldimension als eigentliche Kernkompetenz zurückbesinnen, ist ein häufig gehörtes Credo. Die geforderten energetischen Standards werden als eine zentrale Ursache dafür verortet, dass immer weniger Mittel aus der Wohnbauförderung in Anspruch genommen werden.

Kompetenzrechtlich ist die Wohnbauförderung dem Volkswohnungswesen zugeordnet. Ein differenzierter Blick auf die Ausgabenentwicklung der Wohnbauförderung der letzten Jahre zeigt, dass weniger grundsätzliche Rückgänge als Ausgabenverschiebungen stattgefunden haben, die aber zur sozialen Kompetenz durchaus nicht im Widerspruch stehen. Während die Förderzusicherungen bei den Einfamilienhäusern mit nur 5.100 Zusagen in Österreich in 2014 ein historisches Tief erreicht haben, sind die Förderausgaben für den Geschoßwohnungsneubau gestiegen und machten im gleichen Jahr 57 Prozent der Mittel aus1. Ist diese Verschiebung nicht durchaus im Sinne des „Volkswohnungswesens“? Warum besteht Anlass zur Sorge, wenn Einfamilienhäuser vermehrt ungefördert errichtet werden?

Die Neue Heimat Tirol, großer gemeinnütziger Bauträger im Bundesland, errichtet seit Jahren geförderte Wohnungen im Passivhausstandard und baut damit konsequent strenger als die Mindestanforderung der Wohnbauförderung. Dies tut sie, weil sie den sozialen Auftrag ernst nimmt und es gelingt ihr dadurch, ihren MieterInnen Heizkosten zu sichern, die seit den 1980er Jahren nicht gestiegen sind. Leistbarkeit des Wohnraums für die MieterInnen und kostenoptimales Niveau in der Errichtung für den Bauträger können mit ambitionierten thermisch energetischen Standards einhergehen, weil die Tiroler Wohnbauförderung eine entsprechend attraktive Förderung für geringen Energieverbrauch und reduzierte CO2-Emissionen konsequent weiter anbietet, trotz gegenläufiger Tendenzen bei den Wohnbaufördernovellen anderer Bundesländer. Diese konstant guten Förderbedingungen haben zudem dazu beigetragen, dass bei den Bauträgern und FachplanerInnen umfangreiches Know-how in Planung, Ausführung und Betrieb zukunftsfähiger klimarelevanter Standards aufgebaut werden konnte und vertieft wird.

Verdichtete Wohnformen stehen für hohe Kompaktheit und Dichte, geringeren Ressourcen- und Flächenverbrauch pro Kopf sowie in der Regel hinsichtlich der Lage des Bauplatzes auch für ein hohes Maß an sozialer und technischer Infrastruktur und alternative Mobilitätsangebote (ÖPNV) für ihre BewohnerInnen. Diese Wohnformen in einem hohen thermisch-energetischen Standard zu fördern, muss weiterhin aus sozialen und klimapolitischen Erwägungen heraus das Ziel der Wohnbauförderung sein.

Dieser Auftrag gilt gleichermaßen, wenn nicht noch stärker als im Neubau, für die Wohnbausanierung. Der Weg Richtung Dekarbonisierung des Gebäudestandes in Österreich kann nur gelingen, wenn bestehender Wohnraum umfassend nachhaltig saniert wird. Solange es für die Sanierung in Österreich keine streng einzuhaltenden thermisch-energetischen Standards über das Ordnungsrecht gibt, hat Wohnbauförderung die zentrale Aufgabe, deutliche Anreize für den klimatauglichen und sozial verträglichen Umbau des Wohngebäudebestandes zu leisten: für hohe thermisch energetische Standards, Nachverdichtung und flächensuffiziente (Neu-) Nutzungen in bereits bestehenden und erschlossenen Siedlungsgebieten mit sozialer Infrastruktur.

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2,5 Mrd. € an Förderungen für Gebäude verfehlen Klimaschutz-Ziele

Kommentar von Günter Lang, Passivhaus Austria

Im Februar 2016 wurden in einer Studie von Klima- und Energiefonds und WIFO das Volumen etablierter Förderstrukturen mit negativen Umweltauswirkungen in Österreich veröffentlicht. Dabei erreichten die umwelt- und klimakritischen Förderungen in Österreich jährlich ein Volumen von bis zu 4,7 Mrd. Euro. Jetzt hat die Passivhaus Austria weitere 2,5 Milliarden Euro an Förderungen im Gebäudesektor ausgemacht, welche zur Verfehlung der Klimaschutzziele 2050 erheblich beitragen. Wollen wir das Klimaziel von 1,5 Grad, das auf der Klimakonferenz in Paris 2015 ins Visier genommen wurde, erreichen, müssen Förderungen, Subventionen und Bauordnungen gleichermaßen zukünftig auch hinsichtlich ihrer Umwelt- und Klimaeffekte bewertet werden.

Effekte für Umwelt, Wirtschaft und Budget
Schon im Februar hat Karl Aiginger, Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), den Handlungsbedarf und die Möglichkeiten der österreichischen Politik unterstrichen: „Umweltschädliche Subventionen verhindern erstens umweltschonendere Produktions- und Konsummuster. Zweitens erhöhen sie die Kosten umweltschonender Alternativen (z.B. Energieeffizienz und erneuerbare Energien) und drittens die Kosten, die später für Umweltschäden aufgewendet werden müssen. Neue Technologien werden viertens nicht in Österreich entwickelt und können nicht für Exportchancen genutzt werden.“

Die Vorteile einer Reform könnten dabei weit über rein positive Umwelteffekte hinausgehen. Diese kann Spielraum für den alternativen Einsatz der Mittel schaffen und den budgetären Rahmen für die aktive Gestaltung des Strukturwandels über die Unterstützung von entsprechenden Investitionen oder von umweltrelevanter Forschung und Entwicklung mit langfristigem Planungshorizont erweitern. Der Abbau umweltschädlicher Subventionen kann so dazu beitragen, Konsum- und Produktionsprozesse nachhaltiger und zukunftsorientierter zu gestalten.

Auswirkungen des Gebäudesektors weit höher
Die Wirkungen von Subventionen auf den Energieverbrauch in Gebäuden wurde großteils in der WIFO Studie noch gar nicht betrachtet. Um dies beurteilen zu können, muss die negative Wirkung der Förderungen und Subventionen in Bezug auf das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius, welches auf der Klimakonferenz in Paris vereinbart wurde, betrachtet werden.
„Heute neu gebaute oder sanierte Gebäude werden frühestens 2056 wieder energetisch verbessert. Daher ist ab SOFORT der energetisch BESTE Standard erforderlich“, betont Günter Lang, Leiter der Passivhaus Austria. Somit tragen alle Förderungen und Subventionen, welche schlechtere Standards als die der Best Practice Programme unterstützen, zur schlussendlichen Verfehlung der gesteckten Klimaschutzziele bei.

  • Die Neubau Wohnbauförderung ist in fast allen Bundesländern an die Erfüllung der Mindestkriterien des Nationalen Plans gemäß OIB RL6 gebunden. Darin darf ein Primärenergiebedarf von 180 kWh/m²a nicht überschritten werden. Der Passivhaus-Standard, der auch die Kostenoptimalität aufweist, hat hingegen einen Primärenergiebedarf von nur rund 60 kWh/m²a.
  • In Oberösterreich sind im geförderten Wohnbau mit dem Ausstattungskatalog energieeffizientere und klimaschonendere Mehrfamilienhäuser als der schlechte Mindeststandard sogar definitiv von der Förderung ausgeschlossen. Es werden NUR klimaschädigende Wohnbauten gefördert.
  • Die Kriterien der Wohnbauförderung gemäß OIB RL 6 sind zudem an die Kompaktheit eines Gebäudes angelehnt. Je schlechter die Kompaktheit A/V (Höchstwert 0,8), umso höher darf auch der Heizwärmebedarf dieses Gebäudes bezogen je Quadratmeter Bruttogeschoßfläche ausfallen. Je besser die Kompaktheit (Bestwert 0,2), umso niedriger muss der Heizwärmebedarf dieses Gebäudes bezogen je Quadratmeter Bruttogeschoßfläche ausfallen. Ein Einfamilienhaus darf somit einen max. Heizwärmebedarf von 54,4 kWh/m²a aufweisen, während ein großvolumiger kompakter sozialer Wohnbau einen max. Heizwärmebedarf von rund 25,0 kWh/m²a unterschreiten muss. Diese Regelung hat in jeder Hinsicht den völlig verkehrten Lenkungseffekt:
    – Soziale Diskriminierung
    – Vervierfacht den Heizwärmebedarf von Einfamilienhäusern zumindest, da diese gleichzeitig meistens mehr als doppelt so viel Bruttogeschoßfläche aufweisen
    – Führt zur Zersiedelung samt erhöhten Infrastrukturkosten und Verkehrsaufkommen

Beim Passivhaus gelten hingegen immer unabhängig vom Kompaktheitsgrad die gleichen strengen Kennzahlen. Nach der exakten Berechnungsmethode mittels PassivHausProjektierungsPaket PHPP sind dies max. 15 kWh/m²a.

  • Für die verbesserte thermische Qualität von Gebäuden gibt es ergänzend zu der Basis-Wohnbauförderung in den meisten Ländern unterschiedliche Zusatzförderungen mit Abstufungen. Je niedriger der Energiebedarf, umso höher fällt die Zusatzförderung aus. In den meisten Bundesländern entspricht die höchste Förderstufe dem Passivhaus-Standard, allerdings wird diese über alle Bundesländer und Gebäudetypen nur von etwa 5 Prozent der Förderansuchen in Anspruch genommen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass 95 Prozent der ausgeschütteten Wohnbaufördermittel im Neubau gegenüber dem Best-Practise-Standard negative umweltrelevante Auswirkungen mit Langzeitfolgen auf 40 Jahre mit sich bringen und die Erreichung der Klimaschutzziele unmöglich machen.
  • Für die Altbausanierung werden aus der Wohnbauförderung sowohl thermische Verbesserungen von Einzelmaßnahmen wie auch umfassende Sanierungen gefördert. Diese tragen alle grundsätzlich zur Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Emissionen bei. Doch auch hier gilt: Jedes heute energetisch sanierte Gebäude wird frühestens 2056 wieder energetisch verbessert. Durch die großteils falschen Signale der Wohnbauförderung werden die energetischen Einsparungspotentiale nicht genutzt. Über alle thermischen Sanierungen werden im Schnitt nur 20 bis 50 Prozent Einsparungen erzielt. Technisch und wirtschaftlich wären jedoch 75 bis 95 Prozent Einsparungen möglich, die sowohl die Erreichung der Klimaschutzziele 2050 sichern als auch wesentlich erhöhten Wohnkomfort bieten würden. Selbst bei Denkmal geschützten Gebäuden wären fast immer zumindest 50 Prozent Energieeinsparungen realisierbar, tatsächlich werden jedoch im Schnitt nur 15 bis 20 Prozent umgesetzt.

In Summe werden in Österreich jährlich rund 2,7 Milliarden Euro an Wohnbaufördermittel ausgeschüttet, wovon 95 Prozent, also 2,57 Milliarde Euro pro Jahr als die Klimaschutzziele verfehlende Subventionen quantifiziert werden können.

Für die Wohnbauoffensive aus Mitteln der EZB sind zusätzlich ebenfalls 700 Millionen Euro jährlich nur an die Mindeststandards des Nationalen Plans gebunden.

47 Millionen Euro werden 2016 für den Sanierungsscheck vom Bund ausgezahlt. Dieser grundsätzlich gute Ansatz kehrt sich allerdings durch die viel zu laschen Energieeffizienzkriterien Vorgaben ebenfalls zu einer mittelfristig für die Klimaziele umweltbelastenden Subvention. Einmal saniert, wird das Gebäude frühestens wieder in 40 Jahren umfassend erneuert. Wenn schon die Mittel wegen Budgetnöten halbiert wurden, dann sollte wenigstens im gleichen Zuge die Treffsicherheit und Effizienz der Förderung erhöht werden.

Wenn nun aber immer wieder zu hören ist, dass die bundesweiten energetischen Vorgaben für die Wohnbauförderung dazu führen, dass immer mehr Bauherren ohne Wohnbauförderung bauen, dann ist dies ein klares Zeichen, dass die Bauordnungsbestimmungen in allen Bundesländern viel zu lasch sind.

Europäische Regionen zeigen hingegen bereits, wie klimaschonende Best Practice Programme gut funktionieren: so gilt seit 1.1.2015 in der ganzen Region Brüssel das Passivhaus als Mindeststandard nach Bauordnung – vollkommen unabhängig von der Gebäudenutzung. Gleiches hat die Region Dún Laoghaire in Irland am 17.2.2016 beschlossen.

Um die Klimaschutzziele bis 2050 erreichen zu können, ist JETZT unser entschiedenes Handeln gefordert.

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„Verabschiedet sich 2016 die Wohnbau-Förderung als Motor für Klimaschutz?“

Kommentar von Monika Auer und Inge Schrattenecker, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT

Österreich ist ganz vorne mit dabei – wenn es darum geht, das Klimaabkommen von Paris zu ratifizieren. Der Umweltausschuss des Parlaments hat seinen Sanktus für die Ratifizierung im Juli gegeben. Pünktlich zur Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens kündigen die Bundesländer an, sich bei der Wohnbauförderung (WBF) zum Thema Energieeffizienz künftig an den Bauordnungen zu orientieren und keine weitergehenden Anforderungen mehr zu stellen.
Statt die Anstrengungen zu verstärken, um das ehrgeizige Ziel, zu dem wir uns gerade vor aller Weltöffentlichkeit verpflichten, zu erreichen, ist auf Länderebene derzeit bei der Wohnbauförderung (WBF) eine andere Richtung geplant: Weil viele HausbauerInnen mittlerweile die WBF links liegen lassen, wenn sie sich ihren – aus Klimaschutzgründen fragwürdigen – Traum vom freistehenden Einfamilienhaus (EFH) erfüllen, sollen nun die Standards heruntergeschraubt werden.

Der Rückgang hätte laut eines Beitrags auf orf.kaernten.at drei Gründe:

  • den Kapitalmarkt – Geld gibt es am freien Markt günstiger als beim Land;
  • die Kontrollen der Einkommen über die Laufzeit mit drohenden Rückzahlungen bei Überschreitungen der Einkommenshöchstgrenze;
  • die hohen Energieeffizienzstandards.

Dass man „günstiger“ baut, wenn man keinen besonderen Wert auf Energieeffizienz legt, ist mittlerweile widerlegt: über den Lebenszyklus gerechnet, stellt sich heraus, dass die Mehrkosten in einem durchaus überschaubaren Rahmen liegen: je nach Bauweise und Heizsystem pro Jahr zwischen 0,24 und 3,48 EUR/m2. Zu diesem Schluss kommt eine Studie im Auftrag des Landes Vorarlberg, in der die Kosten für die Errichtung und für Energie über die Nutzungszeit beim energetisch besten Gebäude zusammengerechnet und den entsprechenden Kosten bei einem Referenzbau nach Bauordnung gegenübergestellt wurden1. Zahlreiche Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen2.
Im Paris Agreement steht aber eigentlich nicht, dass wir die Klimaerwärmung nur dann bei 2° C begrenzen wollen, wenn das billiger ist als alle Alternativen.
Kosten sind zudem nur ein Argument: Was ist mit Versorgungssicherheit, Unabhängigkeit von Energieimporten aus instabilen oder Krisenregionen, höherem Komfort, Risikominimierung bei volatilen Energiepreisen, höherer Wertschöpfung im Inland etc.?
Will man wirklich im Jahr der Ratifizierung des Paris Abkommens beschließen, die jährlich 2,9 Mrd. EUR WBF ohne Lenkungswirkung im Sinne des Klimaschutzes fließen zu lassen? Wäre es nicht zielführender, die FörderwerberInnen beim energieeffizienten Bauen UND vor allem Sanieren durch Know-how und bei der Förderabwicklung durch Vereinfachung zu unterstützen?

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Monika Auer

Inge Schrattenecker

„Bedarf Förder-Instrumente und -Kriterien, die 100-prozentig auf Klimaschutz-Ziele ausgerichtet sind“

Kommentar von Hildegund Mötzl, Leiterin des ACR-Schwerpunkts „Nachhaltig Bauen“, IBO Institut für Bauen und Ökologie

Das Pariser Abkommen enthält die wesentlichen Eckpunkte, um noch in diesem Jahrhundert auf null CO2-Emissionen zu kommen. Nachhaltiges Bauen und Sanieren und der Einsatz erneuerbarer Energieträger spielen dabei eine zentrale Rolle. Die ACR Scherpunkte „Nachhaltiges Bauen“ und „Umwelttechnik und erneuerbare Energien“ können wichtige Bausteine dazu beitragen. Gerade das Herunterbrechen der erforderlichen Technologien aus dem angewandten Forschungsbereich und die Aufbereitung für die KMUs zählen zu den Schlüsselaufgaben der ACR Institute. Viele der erforderlichen Technologien, um auf der „Road to Zero“ zu bleiben, sind von KMUs in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten, wie sie im ACR zusammengeschlossen sind, entwickelt worden. Zur effizienten Umsetzung der „Road to Zero“ bedarf es nicht nur der entsprechenden Rahmenbedingungen wie z.B. der Förderinstrumente wie die Wohnbauförderung oder den Sanierungschecks sondern auch Kriterien, die 100%tig auf die Klimaschutzziele ausgerichtet sind und die Innovationen in diesem Bereich beflügeln. Natürlich müssen die Klimaschutztechnologien weiterentwickelt und kostengünstiger werden. Es ist nicht einzusehen, warum ein effizientes Wohnraumlüftungsgerät teurer ist als ein Kühlschrank – ein aus technischer Sicht wesentlich komplexeres Gerät. Keinesfalls darf unter dem Deckmantel des leistbaren Wohnens am Klimaschutz gespart werden, denn dies wird, über den Lebenszyklus der Wohnung gerechnet, sehr viel teurer und verfehlt die „Road to Zero“. Dies zeigen Werkzeuge, wie sie ACR Institute entwickelt haben, zum Beispiel der „Amortisations- und Wirtschaftlichkeitsrechner“ auf baubook.
Die Investitionskosten bestimmen nur zu einem geringeren Teil die Gesamtkosten über den Lebenszyklus. Der Betrieb der Gebäude ist die entscheidende Phase. Die realistische Modellierung des Gebäudes und seiner Energieversorgung ist entscheidend für die optimale Gebäudeplanung. Die Planung muss dann aber noch den Weg in die Praxis, sprich in die Inbetriebnahme und die Gebäudeautomation, finden. Auch die digitale Datenaufbereitung und Datenhaltung, Stichwort BIM, wird für auf „Road to Zero Ready“-Gebäude ein wichtige Rolle spielen. Diese Themen werden bei den ACR Instituten in den nächsten Jahren Schwerpunkte in der Forschung und Entwicklung bilden.
Die ACR Institute werden mit ihren Partnern in den nächsten Jahren viele Gebäude auf dem Weg zur „Nullemission-“ bzw. zum „Plusenergie“-Gebäude begleiten. Diese liegen in Kombination mit einer erneuerbaren Energieversorgung und einer ressourcenschonenden Bauweise direkt auf der „Road to Zero“.

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„Maßnahmen gegen den Klimawandel – Status Quo und Ausblick“

Vortrag & Kommentar von Lukas Kranzl, TU Wien

„Wir sind derzeit nicht nur vom Ziel einer weitestgehenden Dekarbonisierung bis 2050 (im Gebäudesektor) weit entfernt, sondern auch und vom Pfad hin zu diesem Ziel. Aber: Eine starke Reduktion von Energiebedarf und dem Einsatz fossiler Energieträger ist in den kommenden Jahrzehnten möglich. Notwendig dafür sind radikale, rasche Maßnahmen. Thermische Gebäudesanierungen und jegliche Form erneuerbarer und effizienter Wärmebereitstellung stehen nicht im Gegensatz sondern bedingen einander.

Energieszenarien bis 2050

Die Studie „Energieszenarien bis 2050“ u.a. der TU Wien dokumentiert die Ergebnisse für den Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasserbereitung des österreichischen Kleinverbrauchs bis zum Jahr 2050. Erfasst wird der Energiebedarf der Haushalte und des privaten und öffentlichen Dienstleistungssektors, nicht aber der Energieverbrauch von Gebäuden, die dem industriellen Bereich zugeordnet sind.

Im Projekt wurden zwei Hauptszenarien erstellt. Das Szenario „with existing measures“ (WEM 2015 Szenario) berücksichtig bereits (mit Stand Februar 2014) implementierte Maßnahmen. Das zweite Szenario „with additional measures“ (WAM 2015 Szenario) enthält auch solche, die noch nicht umgesetzt aber bereits beschlossen wurden, beziehungsweise deren Umsetzung als nahezu gesichert anzusehen ist. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das WAM 2015 Szenario bei weitem nicht alle möglichen Maßnahmen für den Zeitraum bis 2020 bzw. 2030 (und darüber hinaus) enthält. Daher stellt das WAM 2015 Szenario keine Obergrenze für Sanierungspotentiale oder den Einsatz an erneuerbaren Energieträgern dar.

In allen Szenarien nimmt der Endenergieeinsatz in der Betrachtungsperiode ab. Ausgehend von einem Energieeinsatz von 86 TWh im Jahr 2012, kann dieser auf 82 TWh (2020) bzw. 75 TWh (2030) und 61 TWh (2050) im WEM 2015 und auf 78 TWh (2020) bzw. 65 TWh (2030) und 53 TWh (2050) im WAM 2015 Szenario gesenkt werden. Dabei sei darauf hingewiesen, dass der wesentliche Treiber für die zusätzlichen Einsparungen im Szenario WAM 2015 die Annahme bzw. exogene Vorgabe zur Wirkung des Energieeffizienzgesetzes darstellt. Diese orientiert sich an den im Gesetz formulierten Zielvorgaben und der Annahme, dass diese Zielvorgaben tatsächlich zur Gänze zusätzlich zu WEM 2015 realisiert werden. Dies würde eine äußerst stringente Umsetzung der Anrechnung von Maßnahmen erfordern. Falls dies in der Realität nicht der Fall sein sollte, ist von einer geringeren Wirkung des Energieeffizienzgesetzes auszugehen und damit von einer unter Umständen deutlich niedrigeren Einsparung im Szenario WAM 2015.

Das Szenario WAM-plus 2015 geht von der Implementierung eines stringenten und ambitionierten Instrumentenbündels zur Steigerung von Sanierungstiefe und Sanierungsrate sowie des Anteils erneuerbarer Wärme aus. Damit wird eine Reduktion des Endenergieeinsatzes bis 2030 auf 64 TWh und bis 2050 auf 40 TWh erreicht. Der Anteil erneuerbarer Energieträger steigt unter den zugrunde gelegten Rahmenbedingungen in allen Szenarien an.

Implikationen des Ziels einer (weitestgehenden) Dekarbonisierung bis 2050

  1. Trägheiten und lange Lebensdauern berücksichtigen
    Notwendig wäre ein absolutes Phase-out fossiler Heizsystem bei neu installierten Heizsystemen mehr oder weniger ab sofort (bis 2020, spätestens 2025). Ohne regulative Eingriffe und akkordierte politische, gesellschaftliche Anstrengung ist das nicht vorstellbar.
  2. Barrieren zur Nutzung erneuerbarer in gewissen Gebäudetypen überwinden
    Aktive Adressierung von Mehrfamilienhäusern ohne zentrales Wärmeverteilsystem
    Integration der Wärmeverteilsysteme in Gebäudeausweise (Gebäude spezifische Sanierungsfahrpläne)
  3. Allokation der Biomasse zu verschiedenen Sektoren optimieren
    Welcher Anteil von Biomasse wird in anderen Sektoren (v.a. auch zur Bereitstellung von Hochtemperatur-Wärme in industriellen Prozessen) benötigt und welcher Anteil steht für Raumwärme und Warmwasserbereitstellung zur Verfügung?
  4. Dekarbonisierung des Strom- und Fernwärmesektors
    Strom wird weiterhin – und eventuell verstärkt – eine Rolle in der Wärmeversorgung spielen, v.a. als Hilfsstrombedarf, Wärmepumpen, Power to heat (Wärmesektor als Flexibilitätsoption volatiler erneuerbarer Stromerzeugung).
    Fernwärme wird zum bedeutendsten Energieträger mit der Chance, eine raschere Durchdringung erneuerbarer Energie zu erreichen. Bedeutung von niederen Vorlauftemperaturen v.a. im mehrschoßigen Wohnbau.
  5. Thermische Gebäudequalität und erneuerbare Wärme als synergetische Komponenten forcieren
    Je besser die thermische Gebäudequalität, desto …
    … höher der Anteil des Wärmebedarfs, der mit begrenztem Biomasse-Potenzial abdeckbar ist.
    … höher die Arbeitszahlen von Wärmepumpen (und damit der Anteil erneuerbarer Wärme, die durch Wärmepumpen bereitgestellt werden kann)
    … höher der erzielbare solare Deckungsgrad.
    Je geringer Sanierungsaktivitäten, desto größer der erforderliche Ausbau erneuerbarer Potenziale, mit den damit verbundenen gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen.
  6. Politischer, gesellschaftlicher Konsens, Strategieentwicklung und Ableitung eines akkordierten Maßnahmenplans erforderlich

Fazit & Schlussfolgerungen

  • Größere Änderungen in der Energienachfrage ab dem Jahr 2000
    Starke Reduktion der CO2-Emissionen durch den massiven Rückgang von Heizöl
    Die Sanierungsrate konnte erfolgreich auf 1,5 % – 1,8 % angehoben werden
  • Langfristig (35 Jahre) zeigen die beschlossenen Maßnahmen (WAM Szenario) in Richtung eines -50 % Energieverbrauchsziel, CO2-Emissionen werden stärker sinken
  • Für deutlich höhere Einsparziele (-65 %) eigenen sich Umsetzungsverpflichtungen von ökonomisch zumutbaren Maßnahmen
  • Sofern der derzeitige Trend anhält, müsste ca. 2020 ein umfassendes Bündel neuer (WAM plus) Maßnahmen beschlossen werden
  • Gebäudepass (Gebäude spezifischer Sanierungsfahrplan) könnte / sollte eine wichtige Rolle einnehmen

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COP21 – Bedeutung und Details aus österreichischer Sicht

Kommentar von Robert Lechner, ÖGNB

 

Sofortige Neuausrichtung

Die vor 100 Tagen erfolgten Beschlüsse von Paris verpflichten uns dazu, dass wir eine vollkommen neue technologische und gesellschaftliche Ausrichtung unseres Wirtschaftssystems brauchen. Das fossile Zeitalter geht zu Ende, unsere Gesellschaft muss künftig bis auf wenige Bereiche CO2-neutral wirtschaften.

Der ferne Umsetzungshorizont 2050 täuscht: Tatsächlich müssen wir mit der dringend notwendigen Neuausrichtung all unserer Systeme sofort beginnen. Diese Notwendigkeit trifft grundsätzlich auf alle Themen wie Mobilität, die Gestaltung des Energieversorgungssystems oder unsere extrem CO2-lastige Nahrungsmittelproduktion zu. Der Bausektor unterscheidet sich hierbei jedoch nochmals von den anderen Themen: Gebäude sind sehr lange im Wirtschaftssystem verbleibende Produkte. Wer heute baut oder saniert kann getrost davon ausgehen, dass die Konsequenzen daraus für das Jahr 2050 und darüber hinaus Relevanz haben.

Trend in falscher Richtung

Beachtet man den aktuellen Status des Gebäudesektors, so muss ernüchternd festgehalten werden: die tatsächlich vorhandenen technischen Standards, die Gestaltung des Fördersystems und der überwiegende Großteil der neu errichteten oder sanierten Gebäude ist weit davon entfernt „klimaneutral“ errichtet zu werden. Mehr noch: In einzelnen Bundesländern wird heftig an den Anforderungen für das Baurecht und die Wohnbauförderung herumgebastelt. Und zwar nicht, um diese Systeme im Sinne des Klimaschutzes zu verbessern: Der Trend geht genau in die andere Richtung. Beispielhaft sind hier der bereits im Jahr 2014 beschlossene Standardausstattungs-Katalog für die Wohnbauförderung in Oberösterreich und das erst mit Jahresende 2015 beschlossene Gesetz zu Schaffung einer Wohnbauinvestitionsbank zu nennen. Im Bereich der Wohnbaubank bleibt vollkommen offen, ob hier überhaupt an Vergabekriterien im Bereich Klimaschutz gedacht wird. Und im OÖ Standardausstattungskatalog für die Wohnbauförderung findet sich das Wort „Klimaschutz“ schlicht und ergreifend kein einziges Mal. Zum Thema Energieeffizienz wird lapidar festgehalten: „Dicke der allfälligen Wärmedämmung nur im erforderlichen Mindestausmaß zur Erfüllung der energetischen Mindestvorgaben.“

Umdenken erforderlich

Der aktuelle Mainstream geht eindeutig in die Reduktion der Qualitätsanforderungen für den Klimaschutz: Hauptargument dabei sind schon an Mantrarhetorik erinnernde Argumente rund ums Thema „leistbares Wohnen“. Energieeffizienz ist zu teuer, Barrierefreiheit ist zu teuer, Brandschutz ist zu teuer, ökologische Materialwahl ist zu teuer, umweltverträgliche Mobilität ist zu teuer. Und überhaupt: Am besten sollten sämtliche normative Vorgaben auf ein Minimum reduziert werden, der „Markt“ regle von selbst nach bestem Wissen und Gewissen das Notwendige. Spätestens hier muss von einer Allianz der Vernunft laut „Halt“ skandiert werden. Es war und ist noch immer genau dieser „vernünftige Markt“ der auf Kosten der Folgegenerationen einen Raubbau der Ressourcen ohne Rücksicht auf Verluste betreibt. Und es ist dieser „Markt“ der Grund dafür, dass wir uns überhaupt mit Fragen des Klimaschutzes auseinandersetzen müssen.

Desinformation & Desinteresse

Meine Empfehlung ist einfach: Hören wir auf, uns gegenseitig etwas vorzumachen. Große Teile der Bauwirtschaft sind an Energieeffizienz und Klimaschutz nicht interessiert. Sie finden die daraus erwachsenden Konsequenzen lästig. Und genau diese Akteursgemeinschaft betreibt seit einigen Jahren gezielt eine Politik der Desinformation, des Aufweichens bereits vorhandener Standards und des Verhinderns neuer Initiativen im Klimaschutz für die Bauwirtschaft.

Neue Standards & geringere Wohnflächen

Alle notwendigen Lösungen – sowohl technisch als auch ordnungspolitisch – sind seit bald zwei Jahrzehnten bekannt. Ganz einfach: Am Passivhausstandard oder besser wird jedenfalls im Neubau, wahrscheinlich auch in der Sanierung kein Weg vorbeiführen. Darauf sind sämtliche ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen abzustellen. Sparen? Auch hier gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, bei der eine wesentliche bislang gar nicht aktiv angegangen wurde: Gezielte Reduktion des Pro-Kopf-Verbrauchs an Wohnfläche. Noch im Jahr 1991 konnten wir hier von 33 m² pro Person ausgehen. Heute sind wir landesweit bei über 44 m². Anders ausgedrückt: Eine Reduktion der Wohnungsgrößen bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung im Energieverbrauch rechnet sich doppelt: Auf der einen Seite reduzieren wir damit den Ressourcenverbrauch um weit über 25 Prozent, auf der anderen Seite auch die Kosten fürs Bauen und Wohnen um einen ähnlich hohen Betrag. Dass die Förderung von Einfamilienhäusern damit Geschichte sein muss, versteht sich nahezu von selbst.

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Zentrale Rolle Sanierung

Kommentar von Ingmar Höbarth, Klima- und Energiefonds

Das Klimaabkommen in Paris ist eine Bestätigung für all jene, die sich für einen aktiven Klimaschutz engagieren. Noch mehr ist es jedoch eine Aufforderung an uns alle, den Weg der Energiewende noch konsequenter zu beschreiten. Der Klima- und Energiefonds hat seit seiner Gründung vor neun Jahren eine ganze Reihe von Initiativen gesetzt und durch Pilotprojekte gezeigt, wie ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Energie- und Mobilitätssystem aussehen kann. Paris gibt uns nun den Rückenwind, um all die vielfach bewährten Programme und Projekte verstärkt umzusetzen.

Eine zentrale Rolle bei der Umgestaltung des Energiesystems und der Erreichung der Klimaziele – der Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 – wird Gebäuden und deren Sanierung zukommen. Sie sind ein großer Verursacher von Treibhausgasemissionen und bieten daher ein enormes Einsparungspotenzial. Dabei kommt es nicht nur auf die Anhebung der Sanierungsrate generell, sondern vor allem auf die Qualität der Sanierung an. Die heutigen Sanierungen von Bestandsgebäuden haben maßgeblichen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen der nächsten Jahrzehnte. Denn Gebäude, die jetzt mustergültig saniert werden, sind zukunftsträchtige Wegbereiter, die als intelligentes System zumindest die nächsten 40 Jahre wirksam sind.

Genau an dieser Stelle setzt der Klima- und Energiefonds mit dem Programm „Mustersanierungen“ an. Das Ziel haben wir uns dabei hoch gesteckt: Der Gebäudesektor kann und muss langfristig gänzlich frei von CO2-Emissionen werden. Dabei setzen wir auf eine revolutionäre Denkart und Herangehensweise: Gebäude sind nicht nur Gebäude, sondern Gesamtsysteme, die eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten, nachhaltige Innovationen für unsere Zukunft zu schaffen. Unsere erklärte Vision ist: Das Gebäude als Kraftwerk soll in Österreich Realität werden.
Mittlerweile konnten wir 66 Mustersanierungen, reichend von der kleinen Volksschule über Hotels bis zu großen Bürogebäuden, als Vorzeigeprojekte realisieren. Jedes einzelne Projekt inspiriert und motiviert dazu, gemeinsam neue Wege zu gehen und die Qualität der Gebäudesanierungen grundlegend zu steigern. Der Einsatz erneuerbarer Energiequellen und umweltfreundlicher Baustoffe, gepaart mit der Steigerung der Energieeffizienz, etwa durch innovativen Wärmeschutz, verringerten Kühlbedarf und optimierte Gebäudetechnik, zeigt die Pionierleistung unserer Mustersanierungen.

Zehn unserer 66 Vorzeigeprojekte haben die Klasse der Plusenergiehäuser erreicht: Diese Objekte, die über das Jahr gesehen mehr Energie erzeugen als verbrauchen, fungieren als eigenständiges Kraftwerk. Ein Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit, der uns die vielseitigen Chancen, die im Gebäudebereich liegen, erneut vor Augen führt. Unsere Vorzeigeprojekte sollen auch in Zukunft innovativen ArchitektInnen, IngenieurInnen und Bauherren motivierende und zukunftsweisende Anstöße liefern.
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Nachhaltigkeit auch Chance für Wirtschaft

Kommentar von Susanne Formanek, ecoplus – Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich

Das Pariser Abkommen enthält noch einige wesentliche Meilensteine und noch vieles bleibt zu tun! Um noch in diesem Jahrhundert auf null Emissionen zu kommen, werden wahrscheinlich viele Richtlinien und Konzepte erstellt und verändert werden. Neben den vielen anderen Punkten müssen emissionslose Gebäude zum Standard werden, damit Ziele erreicht werden. Gerade im Bereich nachhaltigen Bauen und Sanieren, das Kernthema des ecoplus Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich, kann viel bewirkt werden, und dies geht bei uns im Wirtschaftsnetzwerk immer im Einklang mit den NÖ Klima und Energieprogramm. Schon jetzt wird in Richtung Energiespeicherung investiert – wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne mal nicht scheint, muss ebenfalls erneuerbare Energie fließen. Wenn die Technologien auf einer größeren Skala genutzt und weltweit eingesetzt werden kann, können die Kosten für erneuerbare Energien weiter sinken.

Das Haus wird nicht nur mehr als Behausung gesehen, sondern als Rückzugsort (auch bei Stürmen, Überschwemmungen), Ruhezone, Arbeitsplatz, Energielieferant und Speicher und auch als Abkühlungsort (Stichwort sommerliche Überhitzung vermeiden) oder Regenwasserspeicher mit optimaler Wasserversorgung (Stichwort Dach,-und Fassadenbegrünung). Die Kühlung bzw. die „Nicht Erwärmung“ eines Wohn- oder Arbeitsortes wird genauso wichtig werden wie die Erwärmung dessen. Weil wir bis zu 90 Prozent unserer Zeit in unseren vier Wänden verbringen, wollen wir auch darin den größtmöglichen Vorteil erleben. Nachhaltig bauen heißt auch von gesündere Wohnraum und gesteigerten Wohlbefinden zu profitieren damit die Wohnung oder das Haus auch als Erholungsort einsetzbar wird (Stichwort ökologische Baustoffe).

Es heißt aber klimaschützend und ressourceneffizient bauen, was sich wieder in den Klimazielen spiegelt. Und das beginnt schon beim Planen – egal ob es sich um einen Neubau, Sanierung oder Zubau handelt. Gerade hier kann ebenfalls angesetzt werden: Ganzheitliches Planen und Bauen, das viele Aspekte wie Licht, Luft, Akustik, Temperatur, Ressourcenbedarf, Oberfläche, Gebäudehülle, Raum, Gebäudekonzept integriert. Und da gilt es, dass Experten zusammenarbeiten und sich ergänzen! Architektonischen, räumlichen und gestalterischen Elementen gebauter Strukturen haben Einflüssen und Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner sowie ihrer Bedeutung für Ressourcenverbrauch und Wirtschaftlichkeit. Das stellt wieder eine Chance für die Wirtschaft dar. Neue Bedürfnisse lassen neue Technologien entstehen. Gerade auch mit Hilfe der Digitalisierung ergeben sich neue Ansätze, sowie z.B.: vorausschauendes Heizen und Kühlen unter Berücksichtigung detaillierter Wetterdaten. Die Integration neuer Umwelttechniken stellt für uns ein unverzichtbarer Wirtschaftsmotor und eine große Zukunftschance dar: Technologische Innovationen und High-Tech-Forschung schaffen und sichern moderne Arbeitsplätze und haben so einen beträchtlichen Anteil daran, dass sich die heimische Wirtschaft positiv entwickelt. Dabei müssen Forscher und Planer unterstützt werden, vielen Stellschrauben drehen zu können, wenn es um Gestaltung und Betrieb neuer Gebäude im Sinne größtmöglicher Energieeffizienz geht.
Pilotprojekte sind notwendig. Das optimale Zusammenspiel aller potenziell beteiligten Systeme im automatisierten Gebäude ist wichtig – unter Einbeziehung des Nutzers. Nicht alles wird realisierbar sein, da es erst die Akzeptanz des Nutzers erfordert: „2 Schritte nach vorne, 1 zurück“ ist noch immer die Devise. Eines ist aber sicher: Wir müssen alle miteinander schnell sein, wenn wir erreichen wollen, was wir uns in Paris uns als Ziel gesetzt haben, und hier rufen wir zur Zusammenarbeit auf!
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Passivhaus-Standard für Zukunft entscheidend

Kommentar von Günter Lang, Passivhaus Austria

Nach dem Abschluss des UN-Klimaschutzabkommens zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius, müssen die Bundes- und Landesregierungen und die Bauwirtschaft rasch Maßnahmen ergreifen, um im Gebäudebereich die Energieeffizienz-Maßnahmen deutlich zu steigern. Die Bauordnung ist dazu für alle Neubauten ab 1.1.2017 an den klimaaktiv Gold Standard bzw. Passivhaus-Standard zu binden.

Zu schwache Ziele der neuen Energiestrategie hätten fatale langfristige Folgen mit Verfehlung der internationalen Vereinbarungen. Alleine durch Neubauten zwischen 2016-2020 würde der zusätzliche Primärenergiebedarf gemäß dem Nationalen Plan 5.483 GWh betragen. Dies würde 43 Prozent der gesamten österreichischen Wärmeproduktion aller thermischen Kraftwerke und Fernwärme entsprechen.(1) Dieser Anstieg des Energiebedarfs könnte im bewährten Passivhaus-Standard um 3.570 GWh reduziert und die Energiekosten um 200 Millionen jährlich gesenkt werden. Damit wäre für rund 600.000 künftige Bewohner nachhaltig leistbares Wohnen dauerhaft gesichert. Mehrere Studien machen deutlich, dass der Passivhaus-Standard bereits heute das Kostenoptimum darstellt.

Österreichweit sind in den kommenden Jahren jährlich rund 60.000 Wohneinheiten sowie Büro-, Gewerbe- und öffentliche Bauten mit einer Bruttogeschoßfläche von rund 6,38 Millionen Quadratmeter pro Jahr geplant. Gemäß „Österreichischen Nationalen Plan“ ist als Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Neubauten selbst ab 1.1.2020 nur ein Primärenergiebedarf von max. 160 kWh/m²a erforderlich. Dies entspricht der Energieeffizienzklasse B und ist damit meilenweit von einem „Nearly Zero Energy Building“ entfernt, wie es europaweit 2020 Mindeststandard sein soll. Ein Gebäude der Energieeffizienzklasse A++, wie das Passivhaus, weist hingegen nur einen Primärenergiebedarf von max. 60 kWh/m²a auf.(2) Dies ist Grundvoraussetzung, um den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2050 zu erreichen.

In Österreich hat sich seit 20 Jahren der Passivhaus-Standard bewährt, die Bauwirtschaft hat das beste Passivhaus-Know-how und ist dafür weltweit gefragt und erfahrene Bauträger, wie zum Beispiel die Neue Heimat Tirol, setzen voll auf das Passivhaus. Trotzdem hat es die Politik bis jetzt verabsäumt, diese Potenziale in Österreich zu nutzen. Andere europäische Regionen zeigen hingegen, wie es gehen kann: so gilt seit 1.1.2015 in der ganzen Region Brüssel, sowie seit 1.1.2016 in der Region Dún Laoghaire/Irland, das Passivhaus als Mindeststandard nach Bauordnung – vollkommen unabhängig welche Gebäudenutzung.

Passivhaus richtig berechnet ist Top

Die Passivhaus Austria fordert Sofortmaßnahmen, um die Zielerreichung 2050 mit einer CO2 neutralen Klimabilanz für den gesamten Gebäudesektor zu erreichen: „Heute neu gebaute oder sanierte Gebäude werden frühestens 2056 wieder energetisch verbessert, daher ist ab SOFORT der energetisch BESTE Standard erforderlich. Die Bauordnung ist für Neubauten ab 1.1.2017 an den Passivhaus-Standard zu binden“, betont Günter Lang, Leiter der Passivhaus Austria. Und öffentliche Bauten, sowie die Vergabe öffentlicher Fördermittel sollten mit sofortiger Wirkung an den besten Standard gebunden werden.

Besonders wichtig ist aber auch richtig zu bemessen, sodass das berechnete Ergebnis auch mit dem tatsächlichen Verbrauch bestmöglich übereinstimmt. Der Energieausweis nach der OIB Richtlinie 6 ist dazu völlig ungeeignet, denn er weist viel zu günstige Werte in der Berechnung aus. Die Passivhaus Austria fordert daher das exakt rechnende Verfahren PHPP Passivhaus-Projektierungs-Paket offiziell als alternativen Berechnungsnachweis zum Energieausweis anzuerkennen. Bei Erhalt öffentlicher Fördergelder sollte dieser Nachweis Voraussetzung sein. „Richtig rechnen ist die günstigste Maßnahme, um den Energieverbrauch drastisch zu senken“, setzt Lang nach.

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Quellen: 

1 http://www.bmwfw.gv.at/EnergieUndBergbau/Energieeffizienz/Documents/Energieland%20%C3%96sterreich.pdf

 2 OIB Richtlinie 6, OIB-330.6-009/15

Hoffnungs-Träger nachhaltige Sanierung

Kommentar von Hildegund Mötzl,  Institut für Bauen und Ökologie IBO

„Vom 30. November bis 11. Dezember 2015 soll in Paris die neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung getroffen werden. Der Gebäudesektor ist in vielen Ländern einer der Hoffnungsträger, in dem Treibhausgasemissionen noch mit relativ einfachen Energieeffizienzmaßnahmen verringert werden können. Gebäude verursachen aber nicht nur Treibhausgasemissionen. 40 Prozent des Energieverbrauchs, 60 Prozent der Abfälle, 50 Prozent des gesamten LKW-Transports fallen hier an. 15 Hektar Boden verschwinden täglich in Österreich unter Bau- und Verkehrsflächen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sollte in absehbarer Zukunft die Zahl der Gebäude nicht mehr steigen; Neubauten dürfen zunehmend nur noch den Bestand verdichten oder abgerissene Gebäude ersetzen. Nachhaltig Bauen bedeutet daher vor allem nachhaltig Sanieren.

Für ein energieautonomes Österreich 2050 muss der derzeitige Heizenergieverbrauch um ca. 70 Prozent gesenkt werden. Die Sanierung mit Passivhauskomponenten führt zu Einsparungen des Heizenergiebedarfs von 75 bis 90 Prozent. Konventionelle Sanierungen realisieren meist nicht die Hälfte davon und zementieren einen suboptimalen Zustand für viele Jahre ein. Die hochwertige Sanierung garantiert dagegen bauphysikalische Sicherheit, hohen Komfort und vermeidet typische Probleme einer konventionellen Sanierung wie die Schimmelbildung. Und dies bei nur geringfügig höheren Kosten, wenn die Sanierung bei ohnehin anfallenden Renovierungsarbeiten durchgeführt wird.

Es gibt inzwischen umfangreiches Wissen über die Althaussanierung mit Passivhauskomponenten. Im Frühjahr 2016 wird im Birkhäuser Verlag der Passivhaus-Sanierungsbauteilkatalog des IBO erscheinen, in dem bestehende Sanierungslösungen systematisch aufbereitet und nutzbar gemacht werden. Ein wichtiger Bestandteil in der Sanierung ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle. Für die Fassade werden aus Kostengründen häufig Wärmedämmverbundsysteme aus Polystyrol eingesetzt. Doch es gibt weniger umstrittene Alternativen für diese Dämmstoffe – nicht alle als Wärmedämmverbundsystem geeignet, aber in vorgehängten Fassaden einsetzbar, die sich ebenso für die Sanierung eignen wie zahlreiche erfolgreiche Beispiele zeigen. Für Beschichtungen, Verklebungen und Abdichtungen stehen auch für die Sanierung emissionsarme Baumaterialien zur Verfügung, welche die Raumluft und Umwelt nicht belasten. Für nachhaltiges Bauen ist außerdem die Integration von energiegewinnenden Systemen wie Photovoltaik oder Solarthermie in den Bestand relevant. In diesem Bereich sind rasante Entwicklungen an Komponenten und Demonstrationsprojekten zu verzeichnen (nachzulesen u.a. im Weißbuch 2015 „Nachhaltiges Bauen in Österreich“ zum „Haus der Zukunft Plus“-Forschungsprogramm).

Dass Nachhaltiges Bauen und Sanieren funktioniert, wurde in vielen Pilotprojekten nachgewiesen. Auf der Basis der vergangenen Jahrzehnte muss man allerdings auch erkennen, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit in der Breite deutlich geringer ist.“

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Messungen bestätigen die Erwartungen in der Praxis

Kommentar von Günter Lang, Passivhaus Austria

„Für Passivhäuser liegen langjährige Erfahrungen und statistisch gesicherte Messergebnisse von tatsächlichen Verbrauchswerten vor. Mit diesen Ergebnissen kann die Zuverlässigkeit des Passivhaus-Konzeptes beurteilt werden. In einer Studie vom Passivhaus-Institut Dr. Wolfgang Feist vom September 2015 wurden die Messwerte von über 1.800 Wohnungen im Passivhaus-Neubau und ca. 170 Wohnungen in Sanierungen mit Passivhaus-Komponenten genau untersucht. Dabei zeigte sich: Das Passivhaus-Konzept führt in der Praxis nachweislich und reproduzierbar zu einer sehr hohen Heizenergieeinsparung, die gegenüber dem alten Gebäudebestand etwa 90 Prozent und gegenüber den gesetzlichen Anforderungen an Neubauten immer noch etwa 80 Prozent beträgt. Diese Einsparungen sind durch statistisch signifikante empirische Untersuchungen erwiesen und in einer großen Zahl von Projekten bestätigt. Auch die höchsten nutzungsbedingten Einzelverbrauchswerte in Passivhäusern liegen noch deutlich niedriger als die geringsten in gewöhnlichen Neubauten.

Für die Beurteilung eines energetischen Baustandards muss der Verbrauch immer für eine ausreichende Anzahl von baugleichen Häusern gemessen werden, um nutzungsbedingte Einflüsse heraus zu mitteln und ein Vergleich der Gebäudequalität möglich wird. Der Messwert nur eines Gebäudes ist diesbezüglich nicht aussagekräftig. Verschiedene Nutzer haben in baugleichen Häusern häufig deutlich unterschiedliche Verbrauchswerte: Abweichungen von ±50 Prozent vom Mittelwert sind dabei die zu erwartende Normalverteilung. Das gilt für alle Energiestandards (Altbau, Niedrigenergiehaus, Passivhaus,…). Die bedeutendste Ursache besteht in unterschiedlichen Raumtemperaturen in der Heizperiode.

Kein „Performance Gap“ beim Passivhaus

Die Messergebnisse stimmen in den Passivhaus-Projekten sehr gut mit den zuvor berechneten Bedarfswerten gemäß PassivhausProjektierungPaket (PHPP) überein. Das Bilanztool eignet sich hervorragend, um verlässlich den mittleren Heizwärmebedarf schon in der Planungsphase zu prognostizieren. Dies gilt für Neubauten wie auch für Sanierungen. Eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit (sog. „Performance Gap“) ist beim Passivhaus-Standard nicht festzustellen.

Auch Sanierungen auf EnerPHit- oder Passivhaus-Standard können erfolgreich umgesetzt werden. Die Auswertung der Heizwärmeverbrauchswerte zeigt, dass mit Sanierungen nach dem EnerPHit-Standard verlässlich hohe Einsparungen realisiert werden. Die Heizwärmeverbrauchswerte liegen im Bereich vom Passivhaus-Niveau bis rund 26 kWh/(m²a), womit Einsparungen bis tatsächlich 95 Prozent realisiert werden.

Als Schlussfolgerung belegen die Messungen in Passivhaus-Projekten:

Die einzelnen Maßnahmen – Wärmedämmung, Dreischeiben-Wärmeschutz-Verglasung, Luftdichtheit und Wärmerückgewinnung – sind wirksam.
Abweichungen von mehr als etwa 1 kWh/(m²a) wären in den Mittelwerten bereits erkennbar, sie treten aber nicht auf.
Das Berechnungsverfahren nach PHPP und die verwendeten Randbedingungen bewähren sich in der Praxis. Die Abweichungen zwischen der rechnerischen Bilanz und den Messwerten sind sehr gering. Der oft beklagte ‚Performance Gap‘, also eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, existiert im Passivhaus nicht.
Zusätzliche Wärmeverluste, wie Wärmeübergabeverluste oder hohe Fensterlüftungsverluste können nach den vorliegenden Verbrauchsstatistiken keinen entscheidenden Einfluss haben; sie müssen innerhalb der mit ±1 kWh/(m²a) bestimmten Grenzen liegen und sind daher vernachlässigbar.“

Quelle: Studie „Die Energieeffizienz des Passivhaus-Standard: Messungen bestätigen die Erwartungen in der Praxis“, Søren Peper; Passivhaus Institut, Wolfgang Feist, Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften, Universität Innsbruck, September 2015
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Traditionelle Bauweise und Nachhaltigkeit

Kommentar von Johannes Kislinger,  Innovative Gebäude 

„Alt und Neu müssen einander nicht zwingend im Weg stehen. Was die Bautradition und Nachhaltiges Bauen betrifft gibt es kaum größeres Potential für Konflikte. Während der Bauprozess nach altem Muster von Generation zu Generation ohne gröbere Kritik und mit nicht weiter nennenswerten Verbesserungen weitergegeben wurde, fordert Nachhaltiges Bauen dem Bauherren und auch den Ausführenden einiges ab. Alles, was als bisher üblich und verlässlich galt wird hinterfragt: Nachhaltiges Bauen geht an den Ursprung zurück, setzt dort an, wo Material entsteht – lange bevor sich Routinen über Jahrhunderte festgesetzt und das Neudenken verhindern haben.

Gleichermaßen sind beim Nachhaltigen Bauen Handwerk und Technik gefordert, das Einfachste mit dem höchsten Stand der Technik zu vereinen. Einfache, nachhaltige Materialien werden so zu dem hochwertigsten veredelt, was die Errungenschaften von Wissenschaft und Forschung unsere Zeit bieten können. Während man in der traditionellen Bauweise vermeintlich „auf Nummer Sicher geht“ – weil es „ja immer schon so gemacht worden ist“ – ob es auch tatsächlich gut ist wird nicht hinterfragt – dabei ist Bauen keine Glaubensfrage.

Die Herausforderung besteht darin, die traditionelle Bauweise mit vermeintlicher Nachhaltigkeit zu kombinieren: Als wollte man in eine High-Tech Maschine nach altem Muster ein mit grobem Werkzeug hergestelltes Zahnrad einsetzen – es kann nicht funktionieren, weil die einzelnen Komponenten nicht aufeinander abstimmbar sind. Scheitern ist unter diesen Voraussetzungen vorprogrammiert.

Was bei einem Uhrwerk jedem einleuchtet soll im Bauwesen nicht gelten? Was nützt es, hochwärmegedämmte Fenster in ein undichtes Gebäude einzusetzen, dann die Außenwände mit billigstem Materialien zu dämmen, die Lüftung einzusparen um letzten Endes einen Berg Sondermüll zu produzieren, dessen Entsorgung nicht nur teuer sondern auch gefährlich ist, wenn der Lebenszyklus des Gebäudes endet? Nachhaltig bauen heißt zu den Anfängen zurückzukehren: Welche Materialien sind nachhaltig, das heißt aus erneuerbaren Energiequellen, rezyklierbar, gesund und natürlich – also ökologisch? Viele Techniken wurden im Laufe der Jahrhunderte entwickelt – diese Fertigkeiten macht sich die Nachhaltige Baubranche zunutze.

Unserer Leuchtturmprojekte beweisen, dass ein grundlegendes Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergrundwissen auch für den Auftraggeber unerlässlich ist. Sind die Grundlagen verstanden worden ist es ein Leichtes, sich von vorgefassten Meinungen und niemals hinterfragten Traditionen im Bau zu trennen – was bleibt ist die Begeisterung für Nachhaltiges Bauen und der Wille, es wirklich „richtig“ zu machen.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen hochwertigen Gebäuden und Produktherstellern, Planern, Baustoffen und Produktionstechniken. Nachhaltigkeit bedeutet auch, Bauen nicht nur transparent darzustellen sondern sie vor allem nachvollziehbar zu machen. Das führt zu gegenseitiger Wertschätzung aller Beteiligten und zu besseren Ergebnissen. Eine Erweiterung der Aufgabenstellung (z.B. nicht nur Fassadendämmung alter Gebäude) generiert zusätzliche Chancen, um mit Missverständnissen, die aus der traditionellen Bauweise herrühren aufzuräumen.“

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Das Prinzip Suffizienz

Kommentar von Renate Hammer,  Institute of Building Research & Innovation

„Das Planet Boundaries Modell nach Rockström listet und bewertet Umweltveränderungen, die auf Grund des heutigen Erkenntnisstandes als Bedrohung für das globale Ökosystem identifiziert wurden. Es sind dies geordnet nach der Schwere der Belastung: Biodiversitätsverlust, Klimawandel, Stickstoff- und Phosphorkreislauf, Süßwasserentnahme, Landnutzungsänderung, Versauerung der Ozeane, stratosphärischer Ozonabbau, atmosphärische Aerosoldispersion und chemische Verseuchung.

Das Bauen und die damit in Zusammenhang stehende Raumnutzung verursachen jedenfalls einen Verlust an Biodiversität durch die Zerstörung zusammenhängender Lebensräume und leisten dem Klimawandel durch Emissionen aus der Gebäudeerrichtung, dem Gebäudebetrieb und dem induzierten Verkehr Vorschub. Gleichzeitig beobachten wir trotz vehementen Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft und trotz Raubbau, dass sich immer größere Gruppen der österreichischen Bevölkerung adäquaten Wohnraum nicht leisten können. Die Prioritäten bei der Wohnungswahl haben sich im Lauf der letzten Jahre kontinuierlich verändert und zunehmend auf finanzielle Aspekte verengt.

In dieser hochschwierigen Ausgangslage ist und bleibt es die ureigene Aufgabe von PlanerInnen und ArchitektInnen Lebensräume zu gestalten, ein Bild dessen zu skizzieren was entsteht und dadurch Verantwortung zu übernehmen. Planung bestimmt entscheidend über den Einsatz der Ressourcen Boden, Energie, Material und Emissionen, legt fest wie viel wir wovon jetzt und in Zukunft brauchen und damit in hohem Maße welche Lebensqualität wir langfristig sicherstellen können. Eintreten für nachhaltige Architektur und einen nachhaltigen Umgang mit Raum ist daher eine der gesellschaftsrelevanten Aufgabe der Gegenwart.

Welchen Strategien folgen wir, um langfristige Zukunftsfähigkeit zu erreichen? Die von uns derzeit am häufigsten angewandte Strategie ist die Effizienzsteigerung, also die Erzielung des gleichen Ergebnis mit weniger Aufwand. In einer Wachstumsgesellschaft reicht das gleiche Ergebnis jedoch nicht. Daher steht der Gesamteinsparungserfolg, den wir durch Effizienzsteigerung im Bauen erzielen konnten nicht im Verhältnis zu den umfassenden Anstrengungen. Effizienz ist ein kluges und im Sinne der Nachhaltigkeit unabdingbares Handlungsprinzip, aktuell jedoch konterkariert durch unser stetes Streben nach Mehr.

Es braucht einen Paradigmenwechsel, – die Frage lautet nicht, wie viel, sondern was brauchen wir? Das Prinzip heißt Suffizienz, Angemessenheit. Hier beginnt die Herausforderung für PlanerInnen. Wann haben wir die Muster und Vorgaben nach denen wir unsere Wohnungen, Büros, Schulen und Kindergärten entwickeln das letzte Mal kritisch dahingehend überprüft, ob sie abbilden was wir wirklich brauchen?

Ein paar Dinge lassen sich dazu statistisch festmachen: Den stärksten Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat die Gesundheit, und viel Besitz macht nicht viel glücklicher als genug Besitz. Stellen wir uns also eine Lebensumgebung vor, die uns vor allem gesund hält, und die uns genügt. Allzu konkret mag die erste Skizze nicht ausfallen, weil es nicht üblich ist Bauaufgaben und Raumordnungsfragen unter diesen Gesichtspunkten zu betrachten. Um die Skizze in ein konkretes Bild und schließlich in gestaltete Umwelt umsetzen zu können, gilt es interdisziplinäres oft evidenzbasiertes Wissen zusammenführen und Innovation durchzusetzen.

Über das Prinzip der Suffizienz hinaus weist die Subsistenz, die besagt, dass souverän sein wird, wer wenig braucht und von diesem Wenigen einen großen Teil selbst oder im Umfeld des eignen Wirkungskreises herstellt. Subsistenz steht für die Möglichkeit der Eigenproduktion, partielle Selbstversorgung und Steigerung der Unabhängigkeit. Sie mündet nicht zwangsweise in Autarkie sondern ermöglicht den Austausch im bisher denküblichsten Fall etwa von vor Ort produzierter Energie, aber auch von Lebensmitteln oder Dienstleistungen.

Dadurch wird die Resilienz, beschrieben als Robustheit und Widerstandsfähigkeit, als Toleranz gegenüber Störungen und Veränderungen erhöht. Resilienz kann konkret auf das Gebaute im Zusammenspiel mit dem Nutzer selbst angewendet werden, etwa durch die Anpassung der aktuell zu eng gesteckten Klimakomfortzone im Innenraum an die Erfordernisse der menschlichen Physiologie und Gesundheit. Auch der Einsatz langfristig nutzbarer Haustechnik und Regelungssysteme sowie die Wahl entsprechender Materialien und Konstruktionen oder die Entwicklung vielfältig bespielbarer Raumkonfigurationen steigern die Resilienz.

Schließlich verlangt das Prinzip der Konsistenz, dass sich die Aufwendungen für das Bauen, für Nutzung und Betrieb von Gebäuden in übergeordnete natürliche Systemen einfügen, etwa durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe oder ausreichend regional verfügbarer Materialien sowie den Einsatz erneuerbarer Energien.

Nachhaltigkeit bei der gestaltenden Weiterentwicklung unserer Architektur und unserer Lebensräume lässt sich durch die kombinierte konsequente Umsetzung von zumindest diesen fünf Strategien Effizienz, Suffizienz, Subsistenz, Resilienz und Konsistenz erreichen. Die nötige Reduktion heutiger Treibhausgasemissionen um 80 Prozent ist dafür eine veranschaulichende Maßzahl.“

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