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Gebäudelabels: für oder gegen den Klimaschutz?

Welche Verantwortung haben Zertifizierungsysteme für die Klimaschutzpolitik und wie muss sich die Gebäudebewertung verändern, damit sie CO2-Neutralität im Gebäudesektor als zentrale umweltpolitische Zielsetzung unterstützt? Welche Gebäudeausweise / Zertifikate unterstützen Klimaschutzpolitik, welche nicht? Diese Fragen behandelt Robert Lechner (ÖGNB, ÖÖI) und gibt zudem einen Überblick über die in Österreich verwendeten Systeme.

Grundsätzliches zu Gebäudelabels

Die Geschichte der Gebäudebewertungssysteme beginnt Mitte der 90er Jahre. BREEAM und LEED waren dabei Vorreiter der Entwicklung, im Rahmen der „International Green Building Challenge“ kamen bereits zur Jahrtausendwende mehrere andere Bewertungsansätze hinzu (Frankreich HQE, Japan Casbee, Österreich: TQB). In Deutschland wurde diese Entwicklung lange beobachtet, erst im Jahr 2009 kam es zur Gründung der DGNB und des gleichlautenden Bewertungssystems. Der Fokus der frühen Bewertungenssysteme lag eindeutig im Umweltbereich, wenngleich TQB und BREEAM sehr bald „umfassende“ Bewertungsansätze lieferten.

Klimaschutz als zentrale Aufgabe

Von der Immobilienwirtschaft werden Bewertungsansätze für Gebäude gerne „umfassend“ ausgerichtet, die Argumentationsbasis dafür liefert das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit aus Wirtschaft, Sozialem und Umwelt. Hinzu kommt die Prozessqualität und technische Qualität. Diesem Zugang kann auch einiges abgewonnen werden, wenn Nachhaltigkeitsbewertungssysteme nicht dazu beitragen, die großen bereits erkennbaren und vor allem die künftig erwartbaren Herausforderungen an unsere Gesellschaft durch den Klimawandel durch Komplexität auf der einen Seite, durch Marketingziele aller Systeme auf der anderen Seite zu verharmlosen. Nachhaltigkeitsbewertungssysteme im Gebäudesektor müssen darauf ausgerichtet sein, den Beitrag von Gebäuden am Klimawandel bzw. ihr Eignung zur Bewältigung der Klimakrise zu dokumentieren.
Es ist deshalb unabdingbar, dass den Themen Energieeffizienz, Energiebedarf und Treibhauspotenzial bei Entstehung und Betrieb besonderes Gewicht gegeben wird. Diese Zielsetzung erfüllen unterschiedliche am Markt vorhandene Bewertungssysteme in äußerst unterschiedlichem Ausmaß.

Gebäudebewertung
Gebäudebewertung

 

KLIMAAKTIV

Gemessen an der absoluten Zahl der bewerteten Gebäude ist klimaaktiv in Österreich eindeutiger Spitzenreiter, gefolgt von ÖGNB und DGNB. Diese Marktpräsenz ist nicht zuletzt auch dadurch erklärbar, weil klimaaktiv als „nationales System“ von der öffentlichen Hand (BMLFUW) getragen wird. Gemessen an der Klimaschutzrelevanz der Systeme ist diese Vormachtstellung auch beruhigend: klimaaktiv hat einen eindeutigen Schwerpunkt auf Energieeffizienz und CO2-Reduktion im Bewertungsansatz implementiert.

klimaaktiv
klimaaktiv

Bis zu 50 Prozent des Bewertungsergebnisses hängen direkt mit Klimaschutz und Energieeffizienz zusammen. Erfüllt ein Gebäude nicht die Mindestkriterien im Bereich Energieeffizienz, dann kann es gar nicht deklariert werden: Daraus resultiert hohe Glaubwürdigkeit im Bereich des Klimaschutzes.

ÖGNB

Das Bewertungssystem der ÖGNB ist hinsichtlich der Kriterien zu 100 Prozent mit jenem von klimaaktiv kompatibel: Daraus resultiert indirekt die inhaltlich gleichwertige Berücksichtigung von Energieeffizienz und Vermeidung der Treibhausgase in beiden Bewertungsansätzen. Aus der Geschichte des ÖGNB-Bewertungsansatzes ergibt sich aber eine andere Gewichtung der Kriterien, hinzu kommt auch eine umfassende Berücksichtigung der Standort- und Ausstattungskriterien. Die ÖGNB ist auch die einzige Organisation, die Bestandsgebäude und Neubauten mit den gleichen Bewertungskriterien (und Gewichtungen) beurteilt: Daraus soll das Augenmerk auf die Hauptaufgabe im Gebäudesektor für die Bewältigung der Klimakrise gelegt werden und diese wird in der Optimierung des Bestands sein.

ÖGNB
ÖGNB

Nur Gebäude, die mindestens 90 Prozent Erfüllungsgrad aller Beurteilungskriterien einhalten, werden gesondert mit „ÖGNB Gold“ gewürdigt. Dadurch wird gewährleistet, dass kein Gebäude unter diesem Benchmarkwert herausragende Marketing-Möglichkeiten vorfindet und das kein Gebäude mit ÖGNB-Gold nicht auch beim hochwertigen klimaaktiv-Standard zumindest in Silber-Qualität erreichen kann.

BREEAM

Ein ähnlicher Zugang wird von BREEAM gesucht: Auch hier macht die Bewertungskategorie „Energy“ 20 Prozent des Bewertungsansatzes aus. Die Benchmark-Werte sind aber weitaus weniger ambitioniert, als dies bei klimaaktiv der Fall ist. Es ist davon auszugehen, dass lediglich „Outstanding-Gebäude“ vergleichbare Qualitäten wie klimaaktiv belegen können, wenngleich damit nicht gesagt ist, dass diese Gebäude weit über die Basiskriterien von klimaaktiv hinauskommen.

LEED

LEED gewichtet die Energiekriterien zwar mit 30 Prozent: Die Benchmarks sind aber leider allzu sehr an die in Nordamerika vergleichsweise „schlechten“ Standards angepasst. Nur wenige „Platin-Gebäude“ von LEED halten die klimaaktiv Basiskriterien ein.

Leed
Leed

 

DGNB

Die geringste Bedeutung von Energieeffizienz und Vermeidung von Treibhausgasen gibt das Bewertungssystem der DGNB: Lediglich rund 13,5 Prozent fallen grundsätzlich in diese Bewertungskategorie, wobei der direkte Energieverbrauch im Betrieb und damit die direkten Treibhausgasemissionen wahrscheinlich nur bei einem Drittel des Bedeutungsgewichts im Bewertungssystem liegen werden.

In Österreich erfüllen nur wenige DGNB-Gebäude (auch höchster Auszeichnungsstufen) die Basiskriterien von klimaaktiv. Dies liegt u.a. auch daran, dass dem Thema Energie und Klimaschutz vergleichsweise wenig Bedeutung zugemessen wird.

DGNB
DGNB

Zersiedelung: Auf Kosten von Umwelt, Boden und öffentlichen Mitteln

Beim Thema „Leistbares Wohnen“ werden ökologische und volkswirtschaftliche Argumente nicht immer gerne gehört. Ein Aspekt spielt aber eine wesentliche Rolle: die Siedlungsform.

Mit Ergebnissen aus neuesten Studien sowie Fach-Kommentaren von:

Andrea Kraft, Energie- und Umweltagentur NÖ eNu
Johannes Kislinger, Innovative Gebäude

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Kurzfassung:

In einer Analyse des Österreichischen Institutes für Raumplanung ÖIR zeigt sich sehr deutlich die Siedlungsstruktur Österreichs: Rund 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt in Siedlungseinheiten (mindestens 500 Einwohner, Gebäude maximal 200 Meter von einander entfernt). Aber: Ohne den großen Landeshauptstädten leben nur rund 46 Prozent in Siedlungseinheiten, die Siedlungseinheiten weisen sehr unterschiedliche Dichten auf – von 600 bis 25.000 Einwohnern pro Quadratkilometer, und: 24 Prozent aller Gemeinden weist keine Siedlungseinheit auf – insgesamt 578 Gemeinden mit knapp 500.000 Einwohnern.

Die umfangreichen Verkehrsinvestitionen der letzten Jahrzehnte im Straßenbau und in den Großstadt-Ballungsräumen auch in den öffentlichen Verkehr ermöglichen einer großen Zahl von Menschen die Realisierung des Wunschbildes „Arbeiten in der Stadt – Wohnen auf dem Land“. Die Studie „Einfamilienhaus und verdichtete Wohnformen – eine Motivenanalyse“: „Der Siedlungsflächenverbrauch wird dadurch laufend erhöht, der Berufsverkehr erzwingt laufend weitere Verkehrsinvestitionen, während auf den öffentlichen Verkehr hin orientierte Gestaltung der Stadtentwicklung seitens der Umlandgemeinden unterbleibt.“ Und nicht zu vergessen: Auch die Pendlerförderungen mit rund 1,4 Mrd. Euro gehen zu Lasten des öffentliche Haushaltes.

Schon aus früheren Untersuchungen bestätigt sich die gewonnene Erkenntnis, dass die Infrastrukturkosten je Einwohner abnehmen, je dichter die Besiedlung ist. Dabei liegen die Unterschiede eher in der Gebäudetypologie (Einfamilienhaussiedlungen, Reihenhaussiedlung bis zu Geschosswohnbauten) sowie in der örtlichen Situierung der Neubaugebiete zur bestehenden Infrastruktur begründet als in der großräumigen Lage.

Es zeigt sich, so die Studie „Zu Energierelevanten Aspekten der Entstehung und Zukunft von Siedlungsstrukturen und Wohngebäudetypen in Österreich“, dass vor allem Streusiedlungen einen hohen Einsatz an Grauer Energie erfordern und diese im Besonderen für die Errichtung von Straßen und Infrastrukturleitungen aufgewandt wird. Bei Einfamilienhäusern in Streusiedlungslage übersteigt der Energiebedarf für die Errichtung der Infrastruktur den Energiebedarf für die Errichtung des Gebäudes deutlich.
Inkludiert man den Energieaufwand für Instandhaltungsarbeiten und rechnet die Graue Energie auf 100 Jahre, werden die Unterschiede zwischen den Wohnsiedlungsformen noch deutlicher: Das Einfamilienhaus in Streulage kommt auf 1178.471 kWh/100 Jahre, Einfamilienhaus 702.331 kWh/100 Jahre. Wohnbau dreigeschoßig schlägt mit 276.295 kWh zu Buche, der siebengeschoßige mit 264.089 kWh. Mehrfamilienhäuser (drei und sieben Geschoße) benötigen demnach weniger als 25 Prozent der für Einfamilienhäuser in Streulage aufgewandten Grauen Energie.

„Ein energieeffizientes Gebäude „auf der grünen Wiese“ ist demgemäß kein positives Beispiel für Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Gestaltung richtet sich vor allem nach den Faktoren: Lage des Gebäudes, Flächenverbrauch und Wohnform. Das freistehende Einfamilienhaus wird vielfach als erstrebenswerte Wohnform gesehen, da es für die BesitzerInnen den höchsten Individualitätsanspruch erfüllt. Gleichzeitig ist aber mit dieser Wohnform der höchste Flächen- und Ressourcenverbrauch verbunden, was sich auch in den Kosten für die Erschließung und dem erhöhten Verkehrsaufkommen niederschlägt“, hält dazu Andrea Kraft von der Energie- und Umweltagentur NÖ eNu, fest.

„In Österreich ist das Bewusstsein etwas angewachsen, die Geschwindigkeit der Versiegelung nimmt dennoch nur langsam ab. In der Zeitspanne von 2006 bis 2012 stieg der Flächenverbrauch um zehn Prozent an, hingegen wuchs die Bevölkerung im gleichen Zeitraum nur um zwei Prozent“, so Johannes Kislinger, Innovative Gebäude. Und, zum Beispiel Niederösterreich: „Die Bebaubarkeit eines Grundstückes wird in NÖ in der Bauordnung und im Raumordnungsgesetz geregelt. In den letzten Jahrzehnten war die zulässige Bebaubarkeit von Grund und Bauland Gegenstand zahlreicher meist emotional geführter Debatten, die auch bis zum Höchstgericht ausgefochten wurden. Der Paragraf 54 der Bauordnung regelt deshalb seit 2014 neu die Höhe und Anordnung eines Gebäudes im Falle, dass keine Bebauungsvorschriften für das Grundstück bestehen (in NÖ ist das die Mehrzahl). In diesem Paragrafen wird die offene Bauweise bis zu 2 Geschossen – entsprechend der Typologie eines freistehenden Einfamilienhauses als NICHT abweichend zur vorherrschenden Bebauungsformen definiert und zum Prinzip erklärt. Zahlreiche Studien und Rechenmethoden haben aber eben diese Siedlungsform als nicht wirtschaftlich und nachhaltig erkannt.“

Die detaillierte Gesamtfassung mit allen Texte, Grafiken, Pressefotos und Studien finden sie auf der Webseite der Medienstelle unter www.nachhaltiges-bauen.jetzt.

Die ökologische & ökonomische Dimension von Zersiedelung

Entwicklung seit 1971

Die Studie „Einfamilienhaus und verdichtete Wohnformen – eine Motivenanalyse“ zeigt die bevorzugte Wohnform der Österreicher auf: Zwischen 1971 und 1980 wurden 87 Prozent des für Wohnzwecke verbauten Landes in Österreich für rund 260.000 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in offener und gekuppelter Bauweise verbraucht. Das waren 49 Prozent aller in dieser Zeit errichteten Wohnungen in Österreich. Im selben Zeitraum entstanden nur 32.000 Wohnungen im verdichteten Flachbau. Das entspricht nur 6 Prozent aller Wohnungen und nur 3 Prozent des gesamten Baulandverbrauchs.
1991 machten die Ein- und Zweifamilienhäuser 45 Prozent sämtlicher Wohnungen (49 Prozent einschließlich der landwirtschaftlichen Gebäude) aus. Ihr Flächenanteil betrug hingegen fast das Doppelte: 83 Prozent, bzw. 85 Prozent des Nettobaulandes für Wohngebäude werden von Ein- und Zweifamilienhäusern beansprucht.

Aktuelle Situation

Daran hat sich auch nach aktuellsten Daten der Statistik Austria (Stand 2011) nicht viel geändert: In 1.973.979 heimischen Wohngebäuden und insgesamt 4.300.049 Wohnungen finden sich 2.012.192 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern (1.727.129 Gebäude) und damit rund 46 Prozent. Der mehrgeschossige Wohnbau beschränkt sich auf 175.910 Gebäude (3-10 Wohnungen) und 961.237 Wohneinheiten sowie 70.940 Gebäude (11+ Wohnungen) und 1.326.620 Wohneinheiten.
Von 2001 bis 2014 – so die Präsentation „Wie geht’s Österreich 2015“ der Statistik Austria – nahm die allgemeine Flächeninanspruchnahme um 22 Prozent zu, Bevölkerung um 6,1 Prozent.

 

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Stand der Zersiedelung

In einer Analyse des Österreichischen Institutes für Raumplanung ÖIR 2011 zeigt sich sehr deutlich die Siedlungsstruktur Österreichs: Rund 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt in Siedlungseinheiten (mindestens 500 Einwohner, Gebäude maximal 200 Meter von einander entfernt). Aber: Ohne den großen Landeshauptstädten leben nur rund 46 Prozent in Siedlungseinheiten, die Siedlungseinheiten weisen sehr unterschiedliche Dichten auf – von 600 bis 25.000 Einwohnern pro Quadratkilometer, und: 24 Prozent aller Gemeinden weist keine Siedlungseinheit auf – insgesamt 578 Gemeinden mit knapp 500.000 Einwohnern.
Anhand der Grafik des ÖIR lassen sich die Zersiedelungszonen Österreichs ausmachen: Besonders betroffen sind Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und das Burgenland.

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Entstandene Probleme

Die umfangreichen Verkehrsinvestitionen der letzten Jahrzehnte im Straßenbau und in den Großstadt-Ballungsräumen auch in den öffentlichen Verkehr ermöglichen einer großen Zahl von Menschen die Realisierung des Wunschbildes „Arbeiten in der Stadt – Wohnen auf dem Land“. Die Studie „Einfamilienhaus und verdichtete Wohnformen – eine Motivenanalyse“: Der Siedlungsflächenverbrauch wird dadurch laufend erhöht, der Berufsverkehr erzwingt laufend weitere Verkehrsinvestitionen, während auf den öffentlichen Verkehr hin orientierte Gestaltung der Stadtentwicklung seitens der Umlandgemeinden unterbleibt.
Die Fortführung dieser thesenartigen Kausalkette zeigt auf einen Boom an flächenfressenden und verkehrserzeugenden Einkaufszentren am Stadtrand, auf unerfüllbare Ansprüche an das öffentliche Verkehrssystem, einen kollabierenden Individualverkehr mit hohen Schadstoffbelastungen der Umwelt und eine Vergeudung öffentlicher Mittel durch eine unökonomische Nutzung der Infrastruktur.

Ökologische und ökonomische Bewertung

Schon aus früheren Untersuchungen bestätigt sich die gewonnene Erkenntnis, dass die Infrastrukturkosten je Einwohner abnehmen, je dichter die Besiedlung ist. Dabei liegen die Unterschiede eher in der Gebäudetypologie (Einfamilienhaussiedlungen, Reihenhaussiedlung bis zu Geschosswohnbauten) sowie in der örtlichen Situierung der Neubaugebiete zur bestehenden Infrastruktur begründet als in der großräumigen Lage (Agglomeration – Kleinzentrum – Ländliche Gemeinde).

 

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Es zeigt sich, so die Studie „Zu EnergieRelevanten Aspekten der Entstehung und Zukunft von Siedlungsstrukturen und Wohngebäudetypen in Österreich“, dass vor allem Streusiedlungen einen hohen Einsatz an Grauer Energie erfordern und diese im Besonderen für die Errichtung von Straßen und Infrastrukturleitungen aufgewandt wird. Bei Einfamilienhäusern in Streusiedlungslage
übersteigt der Energiebedarf für die Errichtung der Infrastruktur den Energiebedarf für die Errichtung des Gebäudes deutlich. Bei den beiden Mehrfamilienhaustypen (drei und sieben Geschoße) sind die Werte für den Bereich Straße & Leitungen in etwa gleich hoch.
Inkludiert man den Energieaufwand für Instandhaltungsarbeiten und rechnet die Graue Energie auf 100 Jahre, werden die Unterschiede zwischen den Wohnsiedlungsformen noch deutlicher: Das Einfamilienhaus in Streulage kommt auf 1178.471 kWh/100 Jahre, Einfamilienhaus 702.331 kWh / 100 Jahre. Wohnbau dreigeschoßig schlägt mit 276.295 kWh zu Buche, der siebengeschoßige mit 264.089 kWh. Mehrfamilienhäuser (drei und sieben Geschoße) benötigen demnach weniger als 25 Prozent der für Einfamilienhäuser in Streulage aufgewandten Grauen Energie.

Im Jahr 1970 war der Energieverbrauch im Betrieb so hoch, dass die Graue Energie zur Herstellung mit 7 bis 19 Prozent des Gesamtenergiebedarfs vergleichsweise unbedeutend war. Dagegen betrug der Anteil an Grauer Energie im Jahr 2010 zwischen rund 24 und 48 Prozent des Gesamtenergiebedarfs bzw. 50 Prozent bei Gebäuden in Passivhausbauweise und ist damit nicht vernachlässigbar. Auch absolut gesehen ist die Graue Energie für alle Gebäudetypen 2010 deutlich höher als 1970. Für Einfamilienhäuser in Streulage ist der Bedarf an Grauer Energie etwa gleich hoch wie für den Betrieb. Zusätzlich dazu ist bei Einfamilien-Passivhäusern der Gesamtenergiebedarf, bedingt durch den Mehraufwand in der Erschließung (es gibt keinen „Passiv-Straßenbau“), höher als für Mehrfamilienwohnhäuser nach derzeit gefordertem Mindeststandard.

Drei Szenarien für 2050

Zurück zum Österreichischen Institutes für Raumplanung ÖIR: Dieses hat in drei Szenarien Prognosen bis 2050 angestellt. Szenario 1 behält den Status quo bei, mit Ansiedelung auch außerhalb der Siedlungseinheit, gleichbleibenden Flächenverbrauch für neue Einwohner sowie schleichende Entkernung der Ortsgebiete. Bei einem ambitionierten Szenario 2 wird Zersiedelung vermieden, der Flächenverbrauch leicht reduziert und die Ortskerne entwickeln sich durchschnittlich. Das sehr ambitionierte Szenario 3 bietet Nachverdichtung bei keiner weiteren Zersiedelung, reduzierten Flächenverbrauch sowie Stärkung der Ortskerne auch in schrumpfenden Gemeinden.
Fazit: Im Vergleich zum Beibehalten der gegenwärtigen Entwicklung des Szenario 1 bringt Szenario 2 bis 2050 160.000 Einwohner weniger außerhalb von Siedlungseinheiten, Szenario 2 bringt 200.000 weniger. Das mag nun nicht nach viel klingen, betrachtet man jedoch die erheblichen volkswirtschaftlichen Mehrkosten für Einfamilienhäuser in Streusiedelungen durch Infrastrukturkosten – rund 140.000 Euro alleine für Straßenbau und Leitungen – ergeben sich bei vier Bewohnern pro Einfamilienhaus mindestens 5,6 bis 7 Milliarden Euro Ersparnis – ohne Investitionen in öffentlichen Verkehr und langfristige Umweltschäden durch erhöhtes Verkehrsaufkommen einzukalkulieren.
Gefordert sind laut ÖIR politische Maßnahmen wie ein Stopp für Streusiedlungen, strenge Siedlungsgrenzen, Rückwidmungen, verdichtete Wohnformen, keine Ausweisung von Verkaufsflächen am Ortsrand, eine Attraktivierung der Ortskerne sowie Vorgaben der Erdgeschossnutzung.

WIFO-Studie: umweltschädliche Förderungen

Die WIFO-Studie „Subventionen und Steuern mit Umwelt-Relevanz in den Bereichen Energie und Verkehr“ zeigt es auf: Von den bis zu 4,7 Mrd. Euro an umweltschädlichen Subventionen erhält der Bereich Wohnen ein Fördervolumen von 390 bis 790 Mio. Euro pro Jahr. Diese fördern den Neubau von Eigenheimen, Verkehrsflächen oder begünstigen die Bereitstellung bzw. Nutzung von Abstellplätzen. Doch eigentlich sind die Subventionen in diesen Bereich noch deutlich höher, werden die Förderungen aufgrund von Zersiedelung (z.B. Pendlerförderung mit rund 1,4 Mrd. Euro) mit eingerechnet.

Negative Auswirkungen v.a. durch Zersiedelung

Aus der WIFO-Studie: Trotz der zunehmenden Ökologisierung des Wohnungsneubaus – vorwiegend hinsichtlich der Energieeffizienz und Emissionsvermeidung – verursacht der Wohnungsneubau einen hohen Ressourcenverbrauch und trägt zum Flächenverbrauch bzw. der Flächenversiegelung bei. Ein wesentliches Ziel einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung sollte daher die Verringerung der Inanspruchnahme neuer Flächen sein. […] Zusätzlich zum Flächenverbrauch für den Wohnbau selbst, sind die Siedlungsstrukturen auch ein wesentlicher Einflussfaktor für das Verkehrsaufkommen und die daraus resultierenden ökologischen Effekte (Schadstoffemissionen, Einschränkung der Bodenfunktionen, Auswirkungen auf Habitate) und Lärm. Die Zersiedelung und räumliche Trennung verschiedener Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeitaktivitäten) fördert das Verkehrsvolumen. Ohne ausreichende Verfügbarkeit und Frequenz des öffentlichen Verkehrs fördert die räumliche Trennung insbesondere den motorisierten Individualverkehr. […] Die Wohnbauförderung trägt insofern zur Erhöhung der Verkehrsleistung bei, als sie einerseits nach wie vor den Fokus auf den Neubau legt. Andererseits fehlt die Verknüpfung mit der Verkehrspolitik bzw. die Koppelung der Förderungsvergabe an eine Anbindung an den öffentlichen Verkehr. […] Insgesamt müssten zur Reduzierung der negativen (Umwelt-)Effekte der Zersiedelung verschiedene Maßnahmen und Regelungen, überdacht bzw. klimafreundlich reformiert werden, die zersiedelungsfördernd bzw. verkehrsinduzierend wirken. Die relevanten Regelungen umfassen neben fiskalischen Instrumenten wie der Wohnbauförderung oder dem Pendlerpauschale auch die Raumplanung in Richtung einer Energieraumplanung, wie in der Energiestrategie Österreich hervorgehoben oder andere Ansätze der aktiven Bodenpolitik auf Gemeindeebene.

Anteil an Wohnungen in Einfamilien-Häusern nach Bundesländern

Aktueller Stand Daten der Statistik Austria (Registerzählung 2011): In 1.973.979 heimischen Wohngebäuden und insgesamt 4.300.049 Wohnungen finden sich 2.012.192 Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern (1.727.129 Gebäude) und damit rund 46 Prozent. Der mehrgeschossige Wohnbau beschränkt sich auf 175.910 Gebäude (3-10 Wohnungen) und 961.237 Wohneinheiten sowie 70.940 Gebäude (11+ Wohnungen) und 1.326.620 Wohneinheiten.
Von 2001 bis 2014 – so die Präsentation „Wie geht’s Österreich 2015“ der Statistik Austria – nahm die allgemeine Flächeninanspruchnahme um 22 Prozent zu, Bevölkerung um 6,1 Prozent.

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Zersiedelung und die graue Energie

Im Rahmen der Studie „Zu EnergieRelevanten Aspekten der Entstehung und Zukunft von Siedlungsstrukturen und Wohngebäudetypen in Österreich“ wurde die graue Energie nach Siedlungs- und Gebäudetypen analysiert und errechnet. Fazit: Ein Einfamilienhaus in Streusiedlungslage erfordert aufgrund notwendiger Infrastruktur einen enormen Einsatz grauer Energie.

Zersiedelung Graue Energie

Die Modellierung zeigte, dass vor allem Streusiedlungen einen hohen Einsatz an Grauer Energie erfordern und diese im Besonderen für die Errichtung von Straßen und Infrastrukturleitungen aufgewandt wird. Bei Einfamilienhäusern in Streusiedlungslage übersteigt der Energiebedarf für die Errichtung der Infrastruktur den Energiebedarf für die Errichtung des Gebäudes deutlich. Bei den beiden Mehrfamilienhaustypen (drei und sieben Geschoße) sind die Werte für den Bereich Straße & Leitungen in etwa gleich hoch.

Inkludiert man den Energieaufwand für Instandhaltungsarbeiten und rechnet die Graue Energie auf 100 Jahre, werden die Unterschiede zwischen den Wohnsiedlungsformen noch deutlicher: Das Einfamilienhaus in Streulage kommt auf 1178.471 kWh/100 Jahre, Einfamilienhaus 702.331 kWh / 100 Jahre. Wohnbau dreigeschoßig schlägt mit 276.295 kWh zu Buche, der siebengeschoßige mit 264.089 kWh.
Mehrfamilienhäuser (drei und sieben Geschoße) benötigen demnach weniger als 25 % der für Einfamilienhäuser in Streulage aufgewandten Grauen Energie.

Im Jahr 1970 war der Energieverbrauch im Betrieb so hoch, dass die Graue Energie zur Herstellung mit 7 bis 19 % des Gesamtenergiebedarfs vergleichsweise unbedeutend war. Dagegen betrug der Anteil an Grauer Energie im Jahr 2010 zwischen rund 24 und 48 % des Gesamtenergiebedarfs bzw. 50 % bei Gebäuden in Passivhausbauweise und ist damit nicht vernachlässigbar. Auch absolut gesehen ist die Graue Energie für alle Gebäudetypen 2010 deutlich höher als 1970. Für Einfamilienhäuser in Streulage ist der Bedarf an Grauer Energie etwa gleich hoch wie für den Betrieb. Zusätzlich dazu ist bei Einfamilien-Passivhäusern der Gesamtenergiebedarf, bedingt durch den Mehraufwand in der Erschließung (es gibt keinen „Passiv-Straßenbau“), höher als für Mehrfamilienwohnhäuser nach derzeit gefordertem Mindeststandard.

Nachhaltig Bauen & Sanieren funktioniert

Abseits von reinen Berechnungen: Kann die geplante Energieeinsparung bei nachhaltigem Bauen und Sanieren auch in der Praxis erreicht werden? – Diese Frage stellte sich unter anderem die Studie „Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude“ der deutschen Energieagentur dena 2013, die die Daten von insgesamt 63 thermisch sanierten Gebäuden über mehrere Jahre hinweg untersuchte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einem berechneten Endenergieverbrauch von 223 kWh/(m2a) im Mittel vor der Sanierung und einem prognostizierten Bedarf von 45 kWh/(m2a) im Mittel nach der Sanierung wurde eine Energieeinsparung von 80 Prozent angestrebt. Nach der tatsächlichen Sanierung wurden schließlich im Mittel ein Energieverbrauchskennwert von 54 kWh/(m2a) und eine durchschnittliche Energieersparnis von 76 Prozent erreicht. Im Klartext: Die geplante Energieeffizienz wird auch tatsächlich realisiert.

Die groesten Vorurteile-1
Quelle: Deutsche Energieagentur, Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude, Berlin 2013. Die Grafik zeigt das Verhältnis zu geplanter und tatsächlich realisierter Energieeinsparung durch Wärmedämmung. Die Linie markiert 100 Prozent des Ziels, Punkte oberhalb erreichten eine höhere Energieeinsparung, Punkte darunter eine geringere.

Negativ beeinflusst wurde das Ergebnis vor allem durch wenige Einzelfälle, die das Sanierungsziel deutlich verfehlten. Das kommt leider auch vor: Erste Voraussetzung für das Gelingen von energieeffizienten Maßnahmen bei Neubau wie bei Sanierung ist eine fachlich korrekte Umsetzung des heutigen High-Tech-Produktes Haus. Immer wieder kommt es jedoch bei der Ausführung zu Fehlern, die dazu führen, dass der Einspareffekt geringer ist, als prognostiziert. Ebenfalls negativ auf die erwartete Energieeffizienz kann sich das Nutzerverhalten auswirken. Alte Gewohnheiten, wie etwa langes Lüften oder das Abschalten der Wohnraumlüftung, wirken sich kontraproduktiv aus und müssen erst abgelegt werden. Generell muss zudem zwischen Energiebedarf (geplant) und Energieverbrauch (real) unterschieden werden.

Passivhaus-Studie: Untersuchung belegt hohe Energieersparnis

Für das Passivhaus belegt die aktuelle Studie „Die Energieeffizienz des Passivhaus-Standard“ eine enorme Heizenergieersparnis und damit die Funktionstauglichkeit des Gebäudekonzeptes. Erfasst wurden darin die Messwerte von über 1.800 Wohnungen im Passivhaus-Neubau und ca. 170 Wohnungen in Sanierungen mit Passivhaus-Komponenten. Das Fazit der Autoren: „Das Passivhaus-Konzept führt in der Praxis nachweislich und reproduzierbar zu einer sehr hohen Heizenergieeinsparung, die gegenüber dem alten Gebäudebestand etwa 90 Prozent und gegenüber den gesetzlichen Anforderungen an Neubauten immer noch durchschnittlich etwa 80 Prozent beträgt.“
Und auch anderslautenden Untersuchungsergebnissen ging man auf den Grund: Verschiedene Nutzer haben, auch wenn sie in baugleichen Häusern wohnen, häufig deutlich unterschiedliche Verbrauchswerte: Abweichungen von ±50% vom Mittelwert sind keine Ausnahme, sondern stellen die zu erwartende Normalverteilung dar. Das gilt für alle Energiestandards (Altbau, Niedrigenergiehaus, Passivhaus,…). Die bedeutendste Ursache für diese Verteilung besteht bei zeitgleichen Messungen in unterschiedlichen Soll-Temperatureinstellungen in der Heizperiode. Zur Beurteilung eines energetischen Baustandards ist aus diesen Gründen immer der Mittelwert einer ausreichend großen Auswahl von baugleichen Gebäuden notwendig.

Volkswirtschaftliche Energieersparnis

Dass sich nachhaltiges Bauen und Sanieren auch auf unsere Zukunft auswirkt, belegt die aktuelle Studie „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“ (u.a. TU Wien). In der Arbeit wurden in zwei Hauptszenarien alle heimischen Gebäude und künftige Neuerrichtungen (außer dem industriellen Bereich) einkalkuliert. Das Szenario „with existing measures“ (WEM 2015 Szenario) berücksichtigt bereits (mit Stand Februar 2014) implementierte Maßnahmen. Das zweite Szenario „with additional measures“ (WAM 2015 Szenario) enthält auch solche, die noch nicht umgesetzt aber bereits beschlossen wurden.
Das Erfreuliche, so die Studienautoren: „In allen Szenarien nimmt der Endenergieeinsatz in der Betrachtungsperiode ab. Ausgehend von einem Energieeinsatz von 86 TWh im Jahr 2012, kann dieser auf 82 TWh (2020) bzw. 75 TWh (2030) und 61 TWh (2050) im WEM 2015, und auf 78 TWh (2020) bzw. 65 TWh (2030) und 53 TWh (2050) im WAM 2015 Szenario gesenkt werden.
Das zusätzliche Szenario WAM-plus 2015 geht von der Implementierung eines stringenten und ambitionierten Instrumentenbündels zur Steigerung von Sanierungstiefe und Sanierungsrate sowie des Anteils erneuerbarer Wärme aus. Damit wird eine Reduktion des Endenergieeinsatzes bis 2030 auf 64 TWh und bis 2050 auf 40 Twh erreicht.“

Microsoft Word - MonMech 2015 Endbericht_v8.docx
Quelle: „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“, Energy Economics Group, TU Wien, Zentrum für Energiewirtschaft und Umwelt

Nachhaltig Bauen & Sanieren funktioniert gar nicht – oder doch?

Mit Ergebnissen aus neuesten Studien sowie Fach-Kommentaren von

Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation
Johannes Kislinger, Innovative Gebäude
Günter Lang, Passivhaus Austria
Hildegund Mötzl, Österr. Institut für Bauen und Ökologie IBO

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Es gibt sie tatsächlich, die Vorurteile nachhaltiges Bauen und Sanieren würde gar nicht funktionieren, sprich: den versprochenen Nutzen nicht erbringen. Die Medienstelle für Nachhaltiges Bauen beantwortet diese Fragen im Detail, bringt neue Erkenntnisse aktueller Studien sowie die Fachmeinung namhafter, österreichischer Experten.

Studien belegen Funktionstauglichkeit

Abseits von reinen Berechnungen: Kann die geplante Energieeinsparung bei nachhaltigem Bauen und Sanieren auch in der Praxis erreicht werden? – Diese Frage stellte sich unter anderem die Studie „Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude“ der deutschen Energieagentur dena 2013, die die Daten von insgesamt 63 thermisch sanierten Gebäuden über mehrere Jahre hinweg untersuchte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einem berechneten Endenergieverbrauch von 223 kWh/(m2a) im Mittel vor der Sanierung und einem prognostizierten Bedarf von 45 kWh/(m2a) im Mittel nach der Sanierung wurde eine Energieeinsparung von 80 Prozent angestrebt. Nach der tatsächlichen Sanierung wurden schließlich im Mittel ein Energieverbrauchskennwert von 54 kWh/(m2a) und eine durchschnittliche Energieersparnis von 76 Prozent erreicht. Im Klartext: Die geplante Energieeffizienz wird auch tatsächlich realisiert.
Für das Passivhaus belegt die aktuelle Studie „Die Energieeffizienz des Passivhaus-Standard“ eine enorme Heizenergieersparnis und damit die Funktionstauglichkeit des Gebäudekonzeptes. Erfasst wurden darin die Messwerte von über 1.800 Wohnungen im Passivhaus-Neubau
und ca. 170 Wohnungen in Sanierungen mit Passivhaus-Komponenten. Das Fazit der Autoren: „Das
Passivhaus-Konzept führt in der Praxis nachweislich und reproduzierbar zu einer sehr hohen Heizenergieeinsparung, die gegenüber dem alten Gebäudebestand etwa 90 Prozent und gegenüber den gesetzlichen Anforderungen an Neubauten immer noch durchschnittlich etwa 80 Prozent beträgt.“
Und auch die aktuelle Studie „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“ der TU Wien bestätigt nachhaltiges Bauen und Sanieren und zeigt die positive ökologische Auswirkung in der Zukunft. In der Arbeit wurden in mehreren Szenarien alle heimischen Gebäude und künftige Errichtungen einkalkuliert. Fazit: Bei bisher beschlossenen Maßnahmen kann der Energieeinsatz von 86 Terawattstunden TWh im Jahr 2012 auf 53 TWh (2050) gesenkt werden, bei noch ambitionierteren Maßnahmen sogar auf 40 TWh im Jahr 2050.

„Für Passivhäuser liegen langjährige Erfahrungen und statistisch gesicherte Messergebnisse von tatsächlichen Verbrauchswerten vor. Mit diesen Ergebnissen kann die Zuverlässigkeit des Passivhaus-Konzeptes beurteilt werden“, belegt Günter Lang von Passivhaus Austria die Funktionstauglichkeit von Nachhaltigkeit im Bauwesen.

Größter Hebel Sanierung

Auch Hildegund Mötzl, Institut für Bauen und Ökologie IBO bestätigt: „Dass nachhaltiges Bauen und Sanieren funktioniert, wurde in vielen Pilotprojekten nachgewiesen. Auf der Basis der vergangenen Jahrzehnte muss man allerdings auch erkennen, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit in der Breite deutlich geringer ist.“ Und sie sichtet Nachhaltigkeit insbesondere in der Sanierung: „Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sollte in absehbarer Zukunft die Zahl der Gebäude nicht mehr steigen; Neubauten dürfen zunehmend nur noch den Bestand verdichten oder abgerissene Gebäude ersetzen. Nachhaltig Bauen bedeutet daher vor allem nachhaltig Sanieren.“

Bautradition & Nachhaltigkeit

Johannes Kislinger, Innovative Gebäude stellt fest, dass auch Bautradition kein Widerspruch zu Nachhaltigkeit ist: „Alt und Neu müssen einander nicht zwingend im Weg stehen. Nachhaltiges Bauen geht an den Ursprung zurück, setzt dort an, wo Material entsteht – lange bevor sich Routinen über Jahrhunderte festgesetzt und das Neudenken verhindert haben. Gleichermaßen sind beim Nachhaltigen Bauen Handwerk und Technik gefordert, das Einfachste mit dem höchsten Stand der Technik zu vereinen. Einfache, nachhaltige Materialien werden so zu dem hochwertigsten veredelt, was die Errungenschaften von Wissenschaft und Forschung unsere Zeit bieten können.“

Paradigmenwechsel: Was brauchen wir?
Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation stellt in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Ziel: „Effizienz ist ein kluges und im Sinne der Nachhaltigkeit unabdingbares Handlungsprinzip, aktuell jedoch konterkariert durch unser stetes Streben nach Mehr. Es braucht einen Paradigmenwechsel, – die Frage lautet nicht, wie viel, sondern was brauchen wir? Nachhaltigkeit bei der gestaltenden Weiterentwicklung unserer Architektur und unserer Lebensräume lässt sich durch die kombinierte konsequente Umsetzung von zumindest fünf Strategien Effizienz, Suffizienz, Subsistenz, Resilienz und Konsistenz erreichen. Die nötige Reduktion heutiger Treibhausgasemissionen um 80 Prozent ist dafür eine veranschaulichende Maßzahl.“

Nutzer-Verhalten: Rebound- & Prebound-Effekt

Unter diesen beiden Begriffen ist die Auswirkung des Nutzerverhaltens auf Energieeffizienz zu verstehen. Es hat sich gezeigt, dass diese Effekte die Erwartungen beziehungsweise Ergebnisse von nachhaltigen Gebäuden teils stark beeinflussen.

So zeigte eine Studie der University of Cambridge nach Untersuchung der Daten von rund 3.400 Gebäuden, dass die Bewohner durchschnittlich 30 Prozent weniger verbrauchen als es dem errechneten Energiekennwert des Gebäudes entspricht. Dieses Phänomen wird Prebound-Effekt genannt, wobei der Effekt umso stärker auftritt, je schlechter der Energiekennwert ist. Vereinfacht: Aufgrund der schlechten Energieeffizienz wird beim Heizen gespart. Deshalb kann es zu falschen Erwartungen bei Energieeffizienz-Maßnahmen kommen: Da Sanierungen keine Energie einsparen können, die gar nicht verbraucht wird, ergeben sich Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierungen.

Umgekehrt gilt das auch für den Rebound-Effekt. Dieser bezeichnet den Unterschied zwischen möglichen Einsparungen, die durch Energieeffizienz-Maßnahmen entstehen, und den tatsächlichen Einsparungen. Paradoxerweise kann ein Mehr an Effizienz dazu führen, dass der allgemeine Energieverbrauch steigt.

Die nachhaltigen Gebäude-Konzepte

Ökologie und Energieeffizienz haben schon vor einigen Jahrzehnten im Bauwesen Einzug gehalten. In Hinblick auf den Klimawandel und vereinbarte EU-Klimaziele ist die Bedeutung von nachhaltigem Bauen und Sanieren noch weiter gestiegen. Aus diesem Grund wurde 2012 der „Nationale Plan“ ins Leben gerufen, der bis 2020 stufenweise die Mindeststandards bei Energieeffizienz von neuerrichteten Gebäuden und größeren Sanierungen vorgibt.

Darüber hinaus stehen mehrere Gebäude-Konzepte zur Wahl, die alle viele, teils unterschiedliche Vorteile für Mensch und Umwelt bringen. Dabei kann man sich für ein Konzept entscheiden, oder technische Elemente und Funktionen frei kombinieren. Schlussendlich zählt aber das technische Know-how der beauftragten Fachleute, um die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Denn: Ein modernes Gebäude ist heutzutage ein HighTech-Produkt.

Zum Verständnis beim Vergleich der Gebäudekonzepte gilt folgende Wertigkeit: Das Niedrigstenergiegebäude markiert den Mindeststandard des nachhaltigen Bauens. Danach folgen Passivhaus und Sonnenhaus, deren Konzepte „Energieeffizienz vs. Sonnenenergie“ recht unterschiedlich sind. Das Plusenergiehaus, das mehr Energie erzeugt als verbraucht, gilt aktuell als weitreichendste Lösung.

Vergleichszahlen für den Heizwärmebedarf
Durchschnittlicher Altbestand: 150-250 kWh/m².a
Neubau 1999: 75-90 kWh/m².a
Neubau um 2010: Etwa 50-65 kWh/m².a
Niedrigenergiehaus: unter 55 kWh/m².a (aktueller Baustandard)
Niedrigstenergiehaus: rund 30 kWh/m².a (künftiger Baustandard)
Passivhaus: unter 15 kWh/m².a (nach PHPP)
Passivhaus: unter 8 kWh/m².a (nach OIB Richtlinie 6)
Plusenergiehaus: positive Energiebilanz

Niedrigstenergiehaus (NearlyZeroEnergy Building)

Das Niedrigstenergiehaus, das dem künftigen Baustandard entspricht, zeichnet sich durch eine ausgezeichnete thermische Gebäudehülle aus. Es kommt dem Passivhaus in Sachen Energieeffizienz und Luftdichtheit recht nahe. Nicht zwingend erforderlich, aber empfohlen sind der zusätzliche Einsatz von erneuerbarer Energie wie Photovoltaik oder Solarenergie sowie eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung.
Ebenfalls Teil des Konzeptes sind eine kompakte Bauweise, um Wärmeverluste zu reduzieren, die Ausrichtung zur Sonne sowie die Vermeidung von Wärmebrücken.
Nach der EU-Gebäuderichtlinie muss ab 2018 jedes öffentliche Gebäude und ab 2020 alle Gebäude „nahezu energieautark“, eben Niedrigstenergiehäuser oder „NearlyZeroEnergy Buildings“ sein. Für größere Sanierungen, die über 25 Prozent der Gebäudehülle betreffen, sind thermische Mindeststandards zwingend vorgeschrieben.

Passivhaus

Die Ansprüche an das Passivhaus sind schon deutlich höher: Um den Wärmebedarf von unter 15 kWh/m².a (nach PHPP) zu erreichen, sind bei Bauteilen die jeweiligen Passivhaus-Standards zu erfüllen, etwa bei Fenstern ein Wärmedurchgangskoeffizienten U-Wert von mindestens 0,80 W/(m²K)) und bei der Wärmedämmung ein U-Wert von 0,15 W/(m²K). Aufgrund der besonderen Luftdichtheit (Test mit Unter-/ Überdruck von 50 Pascal kleiner als 0,6 Hausvolumen pro Stunde) ist eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung erforderlich. Im Passivhaus werden mindestens 75 Prozent der Wärme aus der Abluft über einen Wärmeübertrager der Frischluft wieder zugeführt, wodurch ein behagliches Innenklima ohne separates Heizsystem und ohne Klimaanlage erreichbar ist.
Die Passivhaus-Technologie gibt es seit mehr als 20 Jahren; 1991 wurde das erste Demonstrationsprojekt in Deutschland umgesetzt. In Österreich entstand das erste Passivhaus im Jahr 1996 in Vorarlberg (Sonnenplatz 2006). Bis dato (Stand: 2010) gibt es in Österreich rund 760 dokumentierte Passivhäuser. Da nicht alle Objekte dokumentiert werden, liegt die „Dunkelziffer“ der bestehenden Passivhäuser deutlich höher. So wird die Anzahl der existierenden Passivhäuser auf 6850 geschätzt, Tendenz steigend.

Sonnenhaus

Das Konzept des Sonnenhauses unterscheidet sich stark von den der anderen. Hier steht nicht Energieeffizienz im Vordergrund, sondern die ausschließliche Nutzung von kostenloser Sonnenenergie. Durch die Speicherung der Wärme mittels gedämmter Wassertanks kann die Sonnenenergie ganzjährig für Warmwasser und Raumwärme genutzt werden. Im Winter unterstützen kleine Kamin- oder Pelletsöfen. Rahmenkriterien für das Sonnenhaus sind eine gute Wärmedämmung, mehr als 50 Prozent solare Deckung von Heizwärme und Warmwasser sowie Zuheizung nur durch regenerative Energiequellen wie Holz.
Der Begriff wurde vom Sonnenhaus-Institut in Straubing (D) geprägt. Das erste vollumfänglich mit Sonnenenergie beheizte Wohnhaus Europas wurde 1989 Oberburg in der Schweiz errichtet.

Plusenergiehaus

Das Konzept des Plusenergiehauses entspricht im Wesentlichen dem des Passivhauses. Durch die Nutzung von erneuerbaren Energien wie Photovoltaik, Solarthermie oder Geothermie wird jedoch insgesamt eine positive Energiebilanz erreicht, sprich ein Überschuss an Energie erzeugt. Die benötigte Energie für Heizung und Warmwasser wird im oder am Haus selbst gewonnen.
Ist die Bilanz ausgeglichen spricht man von einem Nullenergiehaus. Gebäude die keinerlei externe Energie benötigen gelten als energieautark.
Weltweit sind seit den 1990er Jahren mehrere hundert Plusenergiehäuser verwirklicht worden.

Wohnraum-Lüftung: Vorteile erwiesen

Abseits von regelmäßigem Lüften schafft insbesondere eine hochwertige kontrollierte Wohnraumlüftung Abhilfe: Mit der kontrollierten Wohnraumlüftung wird kalte Frischluft angesaugt und gefiltert. Im Erdwärmetauscher und im Lüftungsgerät erfolgt die Erwärmung der Frischluft. Die Luft strömt über ein Rohrsystem in die Wohn- und Schlafräume ein und gelangt über Stiegenhaus und Flur in Küche, Bad und WC. Dort wird die verbrauchte Luft über das Rohrsystem abgesaugt und zum Lüftungsgerät geführt. Die Wärme wird im Wärmetauscher auf die Zuluft übertragen, die Abluft ins Freie geblasen. Selbstverständlich kann auch trotz Wohnraumlüftung manuell gelüftet und dürfen Fenster geöffnet werden. „Ohne Lüftungsanlage müssten zumindest alle zwei Stunden die Fenster kurz geöffnet werden, um die CO2 -Rate auf Werte unter den hygienischen Grenzwert (1.500 ppm) zu senken, ein in der Praxis – vor allem während der Nacht – undurchführbares Unterfangen“, erklärt die Studie „Behagliche Nachhaltigkeit – Untersuchungen zum Behaglichkeits- und Gesundheits-Wert von Passivhäusern“. Zusätzlich sorgt die Fensterlüftung im Winter für einen erhöhten Energie- und Wärmeverlust, Zugluft und Lärmbelästigung.

Studie: Geringere Schadstoffe durch Wohnraumlüftung

Die Studie „Lüftung 3.0: Bewohner-Gesundheit und Raumluft-Qualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern“ vom Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO hat sich zum Ziel gesetzt die Einflüsse der Raumluftqualität auf Wohlbefinden sowie die Wohnzufriedenheit von BewohnerInnen von Ein- und Mehrfamilienhäusern (123 österreichische Haushalte) mit und ohne Wohnraumlüftungsanlage zu untersuchen. Dabei wurden u.a. die Wohnräume auf Schadstoffe untersucht. In der gegenständlichen Studie wurden Daten drei Monate nach Bezug und ein Jahr danach erhoben.

Fazit: „Die Ergebnisse der Raumluftuntersuchungen, die Daten zur Nutzerzufriedenheit und -gesundheit sowie zur subjektiv empfundenen Raumluftqualität zeigen, dass das Konzept von Gebäuden mit Wohnraumlüftungsanlagen gegenüber dem „herkömmlichen“ Konzept des Niedrigenergiehauses mit reiner Fensterlüftung deutliche Vorteile aufweist. Der Einsatz einer Wohnraumlüftungsanlage in Wohngebäuden erscheint daher, wenn die Planung, Errichtung, Inbetriebsetzung und Wartung dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, grundsätzlich empfehlenswert.“

Insbesondere gilt die Empfehlung die raumlufthygienischen Vorteile hochwertiger Lüftungsanlagen mit maximaler Energieeffizienz zu verbinden. Und, so die Studie zu Vorurteilen: „Diverse Ansichten zu „Zwangslüftungsanlagen“ wie z.B. Schimmelbefall, vermehrtes Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden oder verstärkte Luftzugerscheinungen wurden in der vorliegenden Studie nicht bestätigt. Andererseits ist anzumerken, dass in Bezug auf die niedrige Luftfeuchte in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen definitiv Handlungsbedarf bestehen kann. Technische Lösungen dafür stehen bei höherwertigen Lüftungskonzepten zur Verfügung.“

Und die Studie weiter: „Generell wurden sowohl beim Erst- als auch beim Folgetermin in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen verglichen mit Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung im Durchschnitt deutlich geringere Schadstoffkonzentrationen in der Innenraumluft nachgewiesen. [] Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Einsatz einer Wohnraumlüftungsanlage im Schnitt eine deutlich bessere Raumluft in Hinblick auf gesundheitlich relevante Luftinhaltsstoffe erreicht wird, die Streuung der Werte ist jedoch in beiden Haustypen hoch.“

Einfluss auf Schadstoff-Konzentration

Im Detail wurden die Belastungen durch diverse Flüchtige Organische Verbindungen (VOC) und andere Schadstoffe im Vergleich zu herkömmlicher Fensterlüftung untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Lüftungsart (mit oder ohne Wohnraumlüftungsanlage) einen hochsignifikanten Einfluss auf die VOC-Konzentration in der Raumluft hatte und dass in Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung bei beiden Messterminen häufiger Richtwertüberschreitungen vorkamen. Ein signifikanter bzw. wesentlicher Einfluss wurde in Bezug auf die Konzentration an Formaldehyd, Kohlenstoffdioxid, Radon sowie bei Schimmelpilzsporen, festgestellt. Keinen Einfluss hat die Art der Wohnraumlüftung bei Staubmilbenallergenen.

Frischer Neubau: deutlich höhere Belastung

„Aufgrund der Ergebnisse der Schadstoffmessungen der Raumluft kann auch gesagt werden, dass vor allem am Beginn der Nutzung in beiden Objekttypen in zahlreichen Fällen in erhöhtem Ausmaß VOC-Emissionen von Baustoffen und Materialien der Innenausstattung stattfanden, was eine hygienisch unbefriedigende Situation darstellt. Nicht in allen Fällen reicht der Betrieb der Wohnraumlüftungsanlage als alleinige Maßnahme zur Expositionsreduktion aus. Die VOC-Werte lagen zu einem großen Teil (auch in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen) über den Ergebnissen von qualitätsgesichert mittels Chemikalienmanagement errichteten Objekten. Gründe dafür sind einerseits vermutlich die Verwendung von Lösungsmitteln bei Bauchemikalien und Materialien der Innenausstattung als auch sekundär die zu niedrigen Zuluftvolumenströme in den Räumen. Mehr Gewicht muss daher auf eine Emissionsreduktion durch die Auswahl wenig emittierender, schadstoffgeprüfter Baustoffe und Materialien gelegt werden. Ein Chemikalienmanagement bei Planung und Errichtung ist in Hinblick auf die Studienergebnisse eine unbedingte Notwendigkeit und sollte zum Standard bei Bauprojekten werden. Diese Aussage gilt auf Grund der großen Streuung der Ergebnisse auch bei Passivhäusern und Niedrigstenergieobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen.“

Wohnraumlüftung: Vorurteile geprüft

Die Studie „Lüftung 3.0: Bewohner-Gesundheit und Raumluft-Qualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern“ hat sich auch ganz besonders den wichtigsten Vorurteilen gegenüber der kontrollierten Wohnraumlüftung angenommen. Das allgemeine Studienfazit: „Behauptungen, dass in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen vergleichsweise mehr negative Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden auftreten, konnten nicht gestützt werden. Die deutlich niedrigeren Schadstoffkonzentrationen in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen lassen vermuten, dass sich diese Technologie langfristig positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt.“

Raumtemperatur & Luftzug

„Hinsichtlich des Raumklimas wurden beispielsweise Raumtemperatur und Luftbewegung von den Bewohnern von Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen signifikant angenehmer eingeschätzt als von den Bewohnern von Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung. Die Meinung in Bezug auf häufig so genannte „Zwangslüftungsanlagen für Wohnobjekte“, dass die Raumtemperatur als unangenehmer eingeschätzt wird und Luftzugerscheinungen auftreten, kann auf Grund der Ergebnisse der Studie nicht aufrecht erhalten werden.“

Allergie & Keime

„Auch die Meinung, dass Lüftungsanlagen „Keimschleudern“ sind, konnte nicht bestätigt werden; es ist demgegenüber davon auszugehen, dass Lüftungsanlagen sogar als Senke für Schimmelsporen fungieren. Es ist umgekehrt davon auszugehen, dass Wohnraumlüftungsanlagen die Konzentration von von außen eintretenden Allergenen (Sporen, Pollen etc.) und Feinstaub deutlich senken können. Zur effizienten Senkung sind allerdings die Wahl eines möglichst hochwertigen Zuluftfilters sowie die Wartung der Anlage von herausragender Bedeutung.“

Luftfeuchtigkeit

„Bestätigt hat sich allerdings die Meinung, dass die Luft in Lüftungsanlagen tendenziell zu trocken ist, dies ist auf die erhöhten durch das Gesamtsystem transportierten Luftvolumina zurückzuführen, die in der kalten Jahreszeit zu einer Entfeuchtung aller Materialien und in der Folge der Raumluft führen. Würde in ausschließlich über Fenster gelüfteten Objekten gleich viel gelüftet, würden auch dort vergleichbar niedrige Luftfeuchten auftreten. Technische Lösung für eine Verbesserung der Situation (Bedarfsregelung und Feuchterückgewinnung) sind bekannt und werden in modernen Anlagen schon installiert.“

Schimmel

Richtig ist, dass in allen Nutzgebäuden, egal ob gedämmt oder nicht gedämmt, Feuchtigkeit entsteht, die auf irgendeine Weise nach draußen gelangen muss. Schimmel bildet sich auch in Neubauten, die nach der Errichtung noch nicht vollständig ausgetrocknet sind, und ganz besonders bei sanierungsbedürftigen Gebäuden. Eine äußere Wärmedämmung – eine fachgerechte Planung und Durchführung der baulichen Maßnahmen vorausgesetzt – verringert die Wärmeverluste nach außen sehr stark und erhöht so die Oberflächentemperaturen der inneren Wände. Damit reduziert sie das Risiko der Schimmelbildung erheblich. Häufig ist Schimmelbildung auch auf das Nutzerverhalten zurückzuführen: Besonders bei neuen, dichteren Fenstern gilt es den Luftfeuchtegehalt zu beobachten und entsprechend zu lüften bzw. eine vorhandene Wohnraumlüftung zu nutzen.

Die Studie: „Sowohl zu hohe und zu niedrige Werte für die relativer Luftfeuchte sollten vermieden werden. Die Studie zeigte, dass niedrige Werte unter 30 Prozent relativer Luftfeuchte nahezu ausschließlich in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen, hohe Werte über 55 Prozent nahezu ausschließlich in Objekten mit reiner Fensterlüftung gefunden wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass mittels einer Wohnraumlüftungsanlage eine effiziente Schimmelprävention möglich ist.“

Radonbelastung

Radonbelastung und ein damit verbundenes Krebsrisiko werden des öfteren der Dämmung zugeschrieben. Richtig ist jedoch, dass die radioaktive Strahlung durch das Edelgas Radon (Messeinheit Bequerel Bq) nicht durch Dämmung verursacht wird, sondern aufgrund natürlicher Vorkommen aus dem Erdboden in die Luft entweicht. Radonkonzentrationen werden jedoch auch in geschlossenen Gebäuden beobachtet, da sich das Gas hier anreichern kann. Schon vermehrtes Lüften des Raumes bzw. eine Wohnraumlüftung bringt im Normalfall eine ausreichende Wirkung. In Österreich gelten als Grenzwerte 200 Bq/m³ für den Neubau und 400 Bq/m³ für bestehende Gebäude. Man schätzt, dass österreichweit etwa fünf Prozent aller Wohnungen Radon- Konzentrationen von über 400 Bq/m³ aufweisen. Ab 100 Bq/m³ sollte nach der Ursache gesucht werden. Schutz kann etwa ein Abdichten des Kellers gegen die Erde sowie die Wohnräume bieten. Einen Überblick bietet die Radonkarte Österreichs.

Thermischer Komfort & Raumluft

Vorurteile widerlegt

Schadstoffbelastung, Schimmel, schlechte Wohnraumluft – Nach wie vor gibt es Vorurteile, nachhaltiges Bauen und Sanieren wäre ungesund. Doch längst haben Studien und Untersuchungen belegt, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Wer nachhaltig baut, profitiert auch durch gesünderen Wohnraum und gesteigertes Wohlbefinden.

Wohlbefinden durch die richtige Temperatur

Wer von Wohlbefinden im Wohnraum spricht, kommt am Thema thermischen Komfort nicht vorbei. Gemeint ist damit jener schmale Temperaturbereich, der zwischen Körperempfindungen der Blutfülle sowie des Schwitzens und dem Gefühl des Frierens liegt. Kann das thermische Gleichgewicht ohne Regulationsbemühungen aufrecht erhalten werden, so empfindet eine Person thermischen Komfort.

„Abhängig von der lokalen Kultur und dem lokalen Klima können durch angepasste Kleidung Temperaturen zwischen 16 und 32 Grad Celsius als akzeptabel angesehen werden, wie eine Auswertung von zahlreichen weltweit in verschiedenen Kulturen und Klimata durchgeführten Studien zum Wärmekomfort zeigen. Eine Umgebungstemperatur wird als „behaglich“ empfunden, wenn sich die Hautdurchblutung auf einem mittleren Niveau befindet und weder Schweißdrüsenaktivierung noch Zittern zur Regelung der Kerntemperatur eingesetzt werden müssen. Diese Behaglichkeitstemperatur hängt nicht nur von der Umgebungstemperatur, sondern auch von Kleidung, körperlicher Aktivität, Wind, Luftfeuchtigkeit, Strahlung und physiologischer Befindlichkeit ab. Die Behaglichkeitstemperatur liegt für den sitzenden, leicht bekleideten Menschen (Hemd, kurze Unterhose, lange Baumwollhose) bei geringer Luftbewegung (unter 0,5 m/s) und bei einer relativen Luftfeuchte von 50 Prozent bei etwa 25-26 Grad Celsius“, stellt dazu die Studie „Behagliche Nachhaltigkeit – Untersuchungen zum Behaglichkeits- und Gesundheits-Wert von Passivhäusern“, fest.

Energieeffiziente Gebäude sind klar im Vorteil: In ihnen kann hoher Komfort, Behaglichkeit und angenehmes Wohnklima bei minimalem Energieaufwand erreicht werden. Die Studienautoren: „Durch konsequente Dämmung werden Wärmeverluste so stark verringert, dass schon sehr geringe Wärmemengen ausreichen, um die Raumtemperatur aufrechtzuerhalten. Der Heizwärmebedarf eines Passivhauses ist daher um bis zu einen Faktor 10 geringer als beim Durchschnitt des Gebäudebestandes. Im Passivhaus bedingen die hohen Innenoberflächentemperaturen im Winter ein Strahlungsklima, welches als sehr behaglich empfunden wird. Diese hohe Behaglichkeit wird bei Häusern, die nicht mit dem Energiestandard eines Passivhauses errichtet sind, nur mit Heizkörpern unter dem Fenster, einer Wandheizung oder einer Fußbodenheizung erreicht “

Schlechte Raumluft macht krank

Ähnliches gilt für die Raumluft: Auch sie hat starken Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen. Durch Kochen oder Putzen beeinflussen wir die Qualität der Luft genauso wie durch Baumaterialien, Technik oder Textilien. Aus der Studie „Behagliche Nachhaltigkeit – Untersuchungen zum Behaglichkeits- und Gesundheits-Wert von Passivhäusern“: „Sogenannte schlechte Luft wird nicht durch einen Mangel an Sauerstoff hervorgerufen, sondern in erster Linie durch eine überhöhte CO2 -Konzentration. Der überwiegende Teil der NutzerInnen empfindet die Raumluftqualität als gut, wenn die CO2 -Konzentration Werte von 1000 ppm („Pettenkoferzahl“) nicht überschreitet. Die Außenluft weist eine CO2 -Konzentration von 300 ppm (bis 400 ppm in Stadtzentren, Anmerkung Redaktion) auf. Der Mensch atmet die Luft mit einer CO2-Konzentration von ca. 40.000 ppm (4 Vol%) wieder aus. Ohne Austausch mit der Außenluft steigt die CO2 -Konzentration in bewohnten Räumen schnell an. Eine erhöhte CO2 -Konzentration ist nicht unmittelbar gesundheitsgefährdend. Ab bestimmten Konzentrationen können jedoch Befindlichkeitsstörungen wie z.B. Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Unwohlsein und Kopfschmerzen sowie Beeinträchtigungen von Leistungsfähigkeit auftreten. Eine Zusammenschau von Studien zu gesundheitlichen Wirkungen von Kohlendioxid zeigt, dass sich mit abnehmender CO2-Konzentration die sogenannten Sick-Building- Syndrom-assozierten Beschwerden (z.B. Reizungen und Trockenheit von Schleimhäuten, Müdigkeit, Kopfschmerzen) ebenfalls verringern.“

Nachhaltig Bauen & Sanieren ist ungesund – oder doch nicht?

Mit Ergebnissen aus neuesten Studien sowie Fach-Kommentaren von:

Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation
Peter Holzer, IPJ Ingenieurbüro P. Jung
Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Hochbau
Günter Lang, Passivhaus Austria
Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut
Franziska Trebut, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT

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Kurzfassung:

Gesundheitsförderndes Bauen

„Wenn wir Zukunft positiv gestalten wollen, impliziert das den Beitrag des Bauens zu einer gesunden Lebensweise. Nachhaltiges Bauen und Sanieren muss gesund sein, – ansonsten würde „Etikettenschwindel“ betrieben“, stellt Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation, klar. Sie plädiert für ein gesundheitsförderndes Planen – , wie auch Peter Holzer, IPJ Ingenieurbüro P. Jung: „Bauen wir unsere Häuser unbedingt klimaschützend und ressourceneffizient, weil das die notwendige Basis für die bloße Chance auf eine wünschenswerte Zukunft der Gesellschaft ist. Und bauen wir sie mit der gleichen Empathie gesundheitsförderlich, also aus sich heraus behaglich und gleichzeitig dem Außenraum angebunden. Wenn nur eins davon fehlt, fehlt die Nachhaltigkeit ganz.“

Thermischer Komfort & Raumluft

Wer von Wohlbefinden im Wohnraum spricht, kommt am Thema thermischen Komfort nicht vorbei. Energieeffiziente Gebäude sind klar im Vorteil: In ihnen kann hoher Komfort, Behaglichkeit und angenehmes Wohnklima bei minimalem Energieaufwand erreicht werden. Die Studie „Behagliche Nachhaltigkeit – Untersuchungen zum Behaglichkeits- und Gesundheits-Wert von Passivhäusern“ analysiert die wesentlichen Faktoren für gesundes Wohnen: „Im Passivhaus bedingen die hohen Innenoberflächentemperaturen im Winter ein Strahlungsklima, welches als sehr behaglich empfunden wird. Diese hohe Behaglichkeit wird bei Häusern, die nicht mit dem Energiestandard eines Passivhauses errichtet sind, nur mit Heizkörpern unter dem Fenster, einer Wandheizung oder einer Fußbodenheizung erreicht “

Ähnliches gilt für die Raumluft: Auch sie hat starken Einfluss auf die Gesundheit des Menschen. Die Studienautoren: „Ohne Austausch mit der Außenluft steigt die CO2 -Konzentration in bewohnten Räumen schnell an. Ab bestimmten Konzentrationen können Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Unwohlsein und Kopfschmerzen sowie Beeinträchtigungen von Leistungsfähigkeit auftreten. Eine Zusammenschau von Studien zu gesundheitlichen Wirkungen von Kohlendioxid zeigt, dass sich mit abnehmender CO2-Konzentration die sogenannten Sick-Building- Syndrom-assozierten Beschwerden (z.B. Reizungen und Trockenheit von Schleimhäuten, Müdigkeit, Kopfschmerzen) ebenfalls verringern.“

Vorteile kontrollierte Wohnraumlüftung

„Ohne Lüftungsanlage müssten zumindest alle zwei Stunden die Fenster kurz geöffnet werden, um die CO2 -Rate auf Werte unter den hygienischen Grenzwert (1.500 ppm) zu senken, ein in der Praxis – vor allem während der Nacht – undurchführbares Unterfangen“, erklärt die Studie. Zusätzlich sorgt die manuelle Fensterlüftung im Winter für einen erhöhten Energie- und Wärmeverlust, Zugluft und Lärmbelästigung.

Trotz offensichtlich nützlicher Funktionalität wird die kontrollierte Wohnraumlüftung aber teils noch immer skeptisch beäugt. Die Studie „Lüftung 3.0: Bewohner-Gesundheit und Raumluft-Qualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern“ vom Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO klärt auf: „Diverse Ansichten zu „Zwangslüftungsanlagen“ wie z.B. Schimmelbefall, vermehrtes Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden oder verstärkte Luftzugerscheinungen wurden in der vorliegenden Studie nicht bestätigt. Generell wurden in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen verglichen mit Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung im Durchschnitt deutlich geringere Schadstoffkonzentrationen in der Innenraumluft nachgewiesen.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Lüftungsart – mit oder ohne Wohnraumlüftungsanlage – einen hochsignifikanten Einfluss auf die Konzentration von Flüchtigen Organische Verbindungen (VOC) in der Raumluft hat und dass in Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung häufiger Richtwertüberschreitungen vorkamen. Ein signifikanter bzw. wesentlicher Einfluss wurde in Bezug auf die Konzentration an Formaldehyd, Kohlenstoffdioxid, Radon sowie bei Schimmelpilzsporen festgestellt. Keinen Einfluss hat die Art der Wohnraumlüftung bei Staubmilbenallergenen. Das Fazit zur Wohnraumlüftung: „Behauptungen, dass in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen vergleichsweise mehr negative Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden auftreten, konnten nicht gestützt werden. Die deutlich niedrigeren Schadstoffkonzentrationen in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen lassen vermuten, dass sich diese Technologie langfristig positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt.“

Pro Wohnraumlüftung

Aus eigener 15-jähriger Erfahrung als Passivhaus-Bewohner berichtet Günter Lang, Passivhaus Austria: „Während wir in herkömmlichen Bauten immer das Bedürfnis haben, bei offenen Fenster zu schlafen – trotz Straßenlärm, Staubbelastung, Geruchsbelästigung von Auto- und Mopedabgasen sowie Zugerscheinungen – haben wir im Passivhaus dank der Komfortlüftung das Bedürfnis nach offenen Fenstern überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil stellen wir fest, dass wir in der Früh viel ausgeschlafener und kreativer sind – also im Passivhaus einen gesunden Schlaf im wahrsten Sinne des Wortes genießen.“ Die Vorteile der Wohnraumlüftung bestätigt auch Franziska Trebut, Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT: „Im Passivhaus kann eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung sogar die konventionelle Heizung ersetzen. Diese durchaus effizienzsteigernde Tatsache verstellt in Punkto Lüftungsanlage allerdings den Blick auf das Wesentliche: Es ist dies eine Anlage, um ausreichend Frischluft in dichten Innenräumen bereitzustellen.“

Frischer Neubau: deutlich höhere Belastung

Die IBO-Studie zur Wohnraumlüftung bestätigt aber auch die Sorge vor Schadstoffen im Wohnraum. Insbesondere stellt sie ein erhöhtes Ausmaß an VOC-Emissionen bei neuerrichteten Gebäuden fest: „Gründe dafür sind einerseits vermutlich die Verwendung von Lösungsmitteln bei Bau-Chemikalien und Materialien der Innenausstattung als auch sekundär die zu niedrigen Zuluftvolumenströme in den Räumen. Mehr Gewicht muss daher auf eine Emissionsreduktion durch die Auswahl wenigemittierender, schadstoffgeprüfter Baustoffe und Materialien gelegt werden.“ Zusatz: „Nicht in allen Fällen reicht der Betrieb der Wohnraumlüftungsanlage als alleinige Maßnahme zur Expositionsreduktion aus.“

Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Hochbau, generell zu gesundem Raumklima: „Es ist eine grundlegende Aufgabe von Architekten, bei Bauherren und Nutzern ein Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen. Wichtig ist z.B. zu verstehen, welche weitreichenden Auswirkungen die Baustoffwahl darstellt. Es geht dabei um viel mehr als nur um Optik, Haptik oder den Preis. Es geht auch um die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Entscheidungen.“

Ungesundes Dämmen?

Für gesundheitliche Bedenken sorgten kürzlich auch das Verbot des Brandschutzmittels HBCD, das u.a. in Dämmstoffen verwendet wird, aber auch die Verwendung von künstliche Mineralfasern als Dämmstoff. Erfreulich ist, dass die meisten österreichischen EPS-Hersteller bereits mit Jänner 2015 den Umstieg auf das alternative Flammschutzmittel pFR abgeschlossen haben. Heimische EPSProdukte der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (Marken Austrotherm, Austyrol, Bachl, Modrice, Röhrnbach, Brucha, EPS Industries, Flatz, Hirsch, Steinbacher, Swisspor) sind damit HBCD-frei. Ein aktueller Prüfbericht des Umweltbundesamtes über zehn übermittelte Proben liegt der Medienstelle vor. Allerdings: Rund 15 Prozent der in Österreich erhältlichen EPS-Platten werden importiert.

Dazu Robert Lechner, Österreichisches Ökologie-Institut ÖÖI und Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ÖGNB: „Auch wenn Inhaltsstoffe von Dämmstoffen wie HBCD oder die grundsätzliche physikalische-chemische Beschaffenheit von Dämmmaterialien wie Mineralwolle in der Vergangenheit für einige besorgniserregende Erkenntnisse gesorgt haben, muss festgehalten werden, dass Panikmache fehl am Platz ist. Niemand in einem mit EPS oder Mineralwolle gedämmten Haus muss sich akut Sorgen um die Gesundheit machen. Sowohl die Gesetzgebung als auch die Industrie haben reagiert; als gefährlich oder bedenklich eingestufte Materialien wurden sukzessive aus dem Verkehr genommen und durch unbedenklichere Materialien ersetzt. Grundsätzlich muss bei allem Optimismus das Vorsorgeprinzip gelten: Wichtig sind mehr denn je zur Vermeidung von unbekannten Folgen deshalb alle nur erdenklichen Maßnahmen einer objektiven Technikfolgenabschätzung. Dieses Vorsorgeprinzip sollte aber für alle Lebensbereiche gelten, von der Ernährung über die Medizin, Telekommunikation, Bekleidung bis hin zum Bauwesen – Dämmstoffe brauchen dabei keine besondere Würdigung.“

 

 

 

Nachhaltig Bauen & Sanieren ist gar nicht umweltfreundlich – oder doch?

Mit Ergebnissen aus neuesten Studien sowie Fach-Kommentaren von:

Andrea Kraft, Energie- und Umweltagentur NÖ eNu
Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut ÖÖI
Bernhard Lipp, Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO
Astrid Scharnhorst, Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO

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Kurzfassung:

Medienpaket zum großen Vorurteil Umweltverträglichkeit

Der ökologische Sinn von nachhaltigem Bauen und Sanieren steht eigentlich längst außer Zweifel. In Detailfragen halten sich jedoch einige hartnäckige Vorurteile. Die Medienstelle für Nachhaltiges Bauen beantwortet diese Fragen, bringt neue Erkenntnisse aktueller Studien sowie die Fachmeinung namhafter, österreichischer Experten.
Die detaillierte Gesamtfassung mit allen Texten, Grafiken, Pressefotos und Studien finden sie auf der Webseite der Medienstelle unter www.nachhaltiges-bauen.jetzt.

Ökologische Notwendigkeit

Einen der wesentlichen Hebel bei ökologischen Strategien stellen Energiesparmaßnahmen dar. Gebäude verursachen 32 Prozent des Endenergiebedarfs und ca. 40 Prozent des Primärenergiebedarfs in den meisten Industrieländern. Der Großteil der Energie wird in Mittel- und Nordeuropa für Raumheizung benötigt. In Österreich trägt die Raumwärme mit 28 Prozent zum Endenergiebedarf und mit 14 Prozent zu den österreichischen Treibhausgas-Emissionen (THG) bei.

Zukunft und Potential

Die aktuelle Studie „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“ der TU Wien ermöglicht nun einen Blick in die Zukunft und zeigt, dass sich nachhaltiges Bauen und Sanieren ökologisch auswirken wird – und bei weiteren Maßnahmen noch kann. In der Arbeit wurden in mehreren Szenarien alle heimischen Gebäude und künftige Errichtungen einkalkuliert. Fazit: Bei bisher beschlossenen Maßnahmen kann der Energieeinsatz von 86 Terawattstunden TWh im Jahr 2012 auf 53 TWh (2050) gesenkt werden, bei noch ambitionierteren Maßnahmen sogar auf 40 TWh im Jahr 2050.
Die Energie- und CO2-Ersparnis durch thermische Sanierung und erneuerbare Energie belegt zudem eine neue Untersuchung im Auftrag des Klima- und Energiefonds. Dabei wurden fünf österreichische Mustersanierungsobjekte vor und nach der Sanierung analysiert. Das Ergebnis des Energiemonitoring: Die CO2-Reduktion der Projekte beträgt in Summe rund 105 Tonnen pro Jahr. Vereinzelt konnte durch den Einsatz von erneuerbarer Energie der Co2-Ausstoss gar auf Null Prozent reduziert werden. Die spezifische Heizendenergie konnte mindestens auf ein Drittel gesenkt werden.

Faktor Zersiedelung

Bei Ökologie im Bauwesen gilt es aber auch den Faktor Zersiedelung zu beachten. „Ein energieeffizientes Gebäude „auf der grünen Wiese“ ist kein positives Beispiel für Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Gestaltung richtet sich vor allem nach den Faktoren Lage des Gebäudes, Flächenverbrauch und Wohnform“, stellt Andrea Kraft von der Energie- und Umweltagentur eNu fest: „Das freistehende Einfamilienhaus wird vielfach als erstrebenswerte Wohnform gesehen, da es für die Besitzer den höchsten Individualitätsanspruch erfüllt. Gleichzeitig ist aber mit dieser Wohnform der höchste Flächen- und Ressourcenverbrauch verbunden, was sich auch in den Kosten für die Erschließung und dem erhöhten Verkehrsaufkommen niederschlägt.“

Öko-Indikatoren zeigen Umweltfreundlichkeit

In einem sehr unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen auch Baustoffe Umwelt und Gesundheit. Die Ökobilanz und Öko-Indikatoren geben darüber Auskunft. „In österreichischen Wohnbauförderungen und Gebäudebewertungsprogrammen kommt vorwiegend der Summenindikator Ökoindex 3 (OI3-Indikator) zur Anwendung. Damit haben ökologische Gebäudekennwerte im österreichischen Bauwesen Einzug in die Bewertung von Bauvorhaben gefunden. Bei den wichtigsten österreichischen Gebäudebewertungsstandards wie klimaaktiv und ÖGNB (TQB) sind diese seit Beginn verankert. In der Planung und Umsetzung lassen sich damit wesentliche ökologische Verbesserungen erzielen“, erklärt dazu Bernhard Lipp vom Österreichischen Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO.

Graue Energie: Dämmung amortisiert sich

Insbesondere gilt es die „graue Energie“ zu beachten: Jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Bei Nachhaltigkeits-Maßnahmen stellt sich immer die Frage, wann sie sich bezogen auf graue Energie ökologisch amortisieren, sprich: jene Energie eingespart haben, die für deren Herstellung und Entsorgung benötigt wurde.
Robert Lechner vom Österreichischen Ökologie Institut: „Die energetische und ökologische Amortisierung der Dämmstoffe von Niedrigstenergiegebäuden beträgt in der Regel wenige Monate bis maximal zwei Jahre. Ein hocheffizientes Gebäude ist auch bei kritischer Bilanzierung in der Lage, gegenüber einem Standardgebäude nach Baurecht zumindest 30 kWh Wärme pro Quadratmeter und Jahr einzusparen. Die Reduktion des Energieverbrauchs durch Dämmung ist sowohl hinsichtlich des Primärenergieverbrauchs als auch der CO2-Einsparung im wahrsten Sinne des Wortes wärmstens zu empfehlen.“
Generell gilt, so auch Astrid Scharnhorst vom IBO: „Die Dämmung von Gebäuden verringert den für ihre Beheizung und Kühlung erforderlichen Energieaufwand. Der Herstellungsaufwand vieler Dämmstoffe amortisiert sich dadurch ökologisch in sehr kurzen Zeiträumen.“
Auch das Argument es würde bei der Herstellung von Dämmplatten aus Polystyrol Erdöl verschwendet, stimmt so nicht: Zwar sind Wärmedämmverbundsysteme wie EPS-Platten tatsächlich Erdölprodukte, allerdings bestehen sie zu 98 Prozent aus Luft und nur zu zwei Prozent aus Polystyrol. Der Öleinsatz in Dämmungen amortisiert sich daher deutlich, da ein Vielfaches an Heizöl oder dessen Äquivalent eingespart wird.

Recycling von Dämmung – Lösungen zu HBCD

Im Idealfall ist eine Dämmung einer Wiederverwendung, oder wenigstens dem Recycling zuzuführen. Auch bei Polystyrol ist das grundsätzlich möglich und einige Unternehmen feilen bereits an technischen Lösungen, etwa unter Verwendung von Fräsen, aber: Aufgrund der bisherigen Verwendung des ab 2017 endgültig weltweit verbotenen Flammschutzmittels HBCD ist eine Nachnutzung aktuell nicht möglich.
Die neue Studie „Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS“ des Fraunhofer Institut für Bauphysik und das Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW München stellt dazu fest: Durch die Gefahreneinstufung des verwendeten Flammschutzmittels HBCD seien die Recyclingmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Im Sinne der Abfallvermeidung wird deshalb die „Aufdopplung“ empfohlen: Der bestehende Wärmeschutz wird dabei nicht demontiert, sondern durch eine zusätzliche Dämmschicht ertüchtigt. Am Lebensende einer EPS-Platte ist jedenfalls aktuell nur eine energetische Verwertung möglich, sprich Energierückgewinnung durch Verbrennung. Jedoch bieten sich durchaus Verfahren zur rohstofflichen Verwertung als Lösung an, die jedoch aufwendig und damit bislang kommerziell kaum nutzbar sind. Das soll sich nun ändern. Das sogenannte CreaSolv-Verfahren etwa gewinnt das reine Polymer Polystyrol durch seine spezifische Löslichkeit wieder, wodurch auch die Möglichkeit besteht HBCD abzutrennen und daraus Brom zu gewinnen. Eine erste Großanlage ist in Holland geplant. Recycling-Kapazität: rund 3.000 Tonnen im Jahr.

Heimisches EPS ist HBCD-frei

Erfreulich ist, dass die meisten österreichischen EPS-Hersteller bereits mit Jänner 2015 den Umstieg auf das alternative Flammschutzmittel pFR abgeschlossen haben. Heimische EPS-Produkte der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (Marken Austrotherm, Austyrol, Bachl, Modrice, Röhrnbach, Brucha, EPS Industries, Flatz, Hirsch, Steinbacher, Swisspor) sind damit HBCD-frei. Ein aktueller Prüfbericht des Umweltbundesamtes über zehn übermittelte Proben liegt der Medienstelle vor. Allerdings: Rund 15 Prozent der in Österreich erhältlichen EPS-Platten werden importiert. Anzumerken ist ebenfalls, dass der Medienstelle bislang keine wissenschaftlichen Langzeit-Untersuchungen über die Bedenkenlosigkeit von pFR vorliegen. Ähnliches gilt aber auch für diverse Inhaltsstoffe alternativer Dämmmaterialien.

Ökologische Notwendigkeit

Mit Fortschreiten der Industrialisierung sind weltweit deutliche Veränderungen des Klimas zu beobachten, stellen 240 WissenschafterInnen gemeinsam im aktuellen „Österreichischen Sachstandsbericht Klima“ fest: Die Temperatur ist beispielsweise im Zeitraum seit 1880 im globalen Mittel um fast ein Grad Celsius gestiegen. In Österreich betrug die Erwärmung nahezu zwei Grad Celsius, die Hälfte davon ist seit 1980 eingetreten. Diese Veränderungen wurden überwiegend durch die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen (THG) sowie andere menschliche Aktivitäten, welche die Strahlungsbilanz der Erde beeinflussen, verursacht. Ohne umfangreiche zusätzliche Maßnahmen zur Emissionsvermeidung ist bis zum Jahr 2100 im globalen Mittel ein Temperaturanstieg von 3–5 Celsius im Vergleich mit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu erwarten.

Klimaszenario Österreich

Das aufgrund des Klimawandels realistische Zukunftsszenario zeichnet der heimische Sachstands-Bericht wie folgt: Ein weiterer Temperaturanstieg in Österreich ist höchstwahrscheinlich. Im 21. Jahrhundert ist eine Zunahme der Niederschläge im Winterhalbjahr und eine Abnahme im Sommerhalbjahr zu erwarten. Die möglichen ökonomischen Auswirkungen des in Österreich erwarteten Klimawandels werden überwiegend durch Extremereignisse und extreme Witterungsperioden bestimmt. Sprich: Vermehrte Hitze- und Dürreperioden sowie extreme Niederschläge sind zu erwarten. Das Fazit der Autoren: „Ohne verstärkte Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel wird die Verletzlichkeit Österreichs gegenüber dem Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten zunehmen“.

Schadenspotential durch Klimawandel

Die Studie COIN (Cost of Inaction – Assessing Costs of Climate Change for Austria) hat den durch den Klimawandel bedingten Schaden für die österreichische Volkswirtschaft errechnet. Untersucht wurden lediglich jene Auswirkungen des Klimawandels auf Österreich, die auch in Österreich ihren Ausgang nehmen. Das Ergebnis: Die wetter- und klimabedingten Schäden belaufen sich bereits heute in Österreich auf jährlich durchschnittlich rund eine Milliarde Euro. Die quantifizierbaren Gesamtschäden – von Land- und Forstwirtschaft bis Tourismus – werden zur Mitte des Jahrhunderts insgesamt jährlich durchschnittlich 3,8 Mrd. bis 8,8 Mrd. Euro ausmachen. Zum Thema Bauen: Ein 100-jährliches Hochwasser wird zur Mitte des Jahrhunderts allein zu Gebäudeschäden in Höhe von 4 bis 7 Mrd. Euro führen, zum Ende des Jahrhunderts in Höhe von acht bis 41 Mrd. Euro.

Strategien & Nationaler Plan

Einen der wesentlichen Hebel bei ökologischen Strategien stellen Energiesparmaßnahmen dar. Gebäude verursachen 32 Prozent des Endenergiebedarfs und ca. 40 Prozent des Primärenergiebedarfs in den meisten Industrieländern. Der Großteil der Energie wird in Mittel- und Nordeuropa für Raumheizung benötigt. In Österreich trägt die Raumwärme mit 28 Prozent zum Endenergiebedarf und mit 14 Prozent zu den österreichischen Treibhausgas-Emissionen (THG) bei.
Im Rahmen eines Klima- und Energiepaktes haben sich die EU-Mitglieder zu den sogenannten 2020-Ziele verpflichtet: Diese umfassen bis zum Jahr 2020 eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent (Österreich 16 Prozent), eine Erhöhung der Nutzung von erneuerbarer Energie auf 20 Prozent der Gesamtenergieproduktion (Österreich 34 Prozent) sowie die Senkung des Gesamtenergieverbrauchs (bezogen auf den errechneten Wert von 2020) um 20 Prozent.

Die 2002 ins Leben gerufene und 2010 aktualisierte EU-Gebäuderichtlinie besagt im Wesentlichen: Alle neuen Gebäude müssen ab 2020 „nahezu energieautark“ (Fast-Nullenergie-Häuser) sein, öffentliche Gebäude bereits 2018. Für größere Sanierungen, die über 25 Prozent der Gebäudehülle betreffen, sind thermische Mindeststandards zwingend vorgeschrieben. Zur besseren Abbildung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sind zusätzliche Energiekennzahlen notwendig, die über den Heizwärmebedarf (HWB) hinausgehen. Bei Verkauf und Vermietung sind Energieeffizienz-Indikatoren anzugeben, in Österreich seit 2012 die Werte des Energieausweises.

Im Rahmen eines „Nationalen Plans“ wurden vom Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) für die Jahre 2014 bis 2020 steigende Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz bei Neubau und Sanierung erstellt. Die OIB-Richtlinie 6 definiert so schrittweise im Zwei-Jahres-Takt die baurechtlichen Standards, bis im Jahr 2020 die Werte eines Niedrigstenergie-Gebäudes erreicht und somit baurechtlich gültig sind. Die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz können entweder über eine bessere thermische Qualität der Gebäudehülle oder über den vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energieträgern erreicht werden.c

Nachhaltiges Bauen & Sanieren ist umweltfreundlich

Zukunft & Potential

Zahlreichen Studien und Untersuchungen belegen, dass nachhaltiges Bauen und Sanieren insbesondere durch Energieeffizienz der Umwelt zugute kommen. Die aktuelle Studie „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“ (u.a. TU Wien) ermöglicht nun sogar einen Blick in die Zukunft und zeigt, wie sich nachhaltiges Bauen und Sanieren ökologisch auswirken wird – und bei weiteren noch lange nicht ausgeschöpften Maßnahmen noch kann.
In der Arbeit wurden in zwei Hauptszenarien alle heimischen Gebäude und künftige Neuerrichtungen (außer dem industriellen Bereich) einkalkuliert. Das Szenario „with existing measures“ (WEM 2015 Szenario) berücksichtigt bereits (mit Stand Februar 2014) implementierte Maßnahmen. Das zweite Szenario „with additional measures“ (WAM 2015 Szenario) enthält auch solche, die noch nicht umgesetzt aber bereits beschlossen wurden, beziehungsweise deren Umsetzung als nahezu gesichert anzusehen ist.
Das Erfreuliche, so die Studienautoren: „In allen Szenarien nimmt der Endenergieeinsatz in der Betrachtungsperiode ab. Ausgehend von einem Energieeinsatz von 86 TWh im Jahr 2012, kann dieser auf 82 TWh (2020) bzw. 75 TWh (2030) und 61 TWh (2050) im WEM 2015, und auf 78 TWh (2020) bzw. 65 TWh (2030) und 53 TWh (2050) im WAM 2015 Szenario gesenkt werden.
Das zusätzliche Szenario WAM-plus 2015 geht von der Implementierung eines stringenten und ambitionierten Instrumentenbündels zur Steigerung von Sanierungstiefe und Sanierungsrate sowie des Anteils erneuerbarer Wärme aus. Damit wird eine Reduktion des Endenergieeinsatzes bis 2030 auf 64 TWh und bis 2050 auf 40 Twh erreicht.“

Quelle: „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“, Energy Economics Group, TU Wien, Zentrum für Energiewirtschaft und Umwelt
Quelle: „Energieszenarien bis 2050 – Wärmebedarf der Kleinverbraucher“, Energy Economics Group, TU Wien, Zentrum für Energiewirtschaft und Umwelt

Sanierung – Energieersparnis fürs Klima

Eine weitere, aktuelle Studie im Auftrag des Klima- und Energiefonds analysierte fünf österreichische Mustersanierungsobjekte in Hinblick auf Co2- und Energieersparnis – vor und nach der Sanierung. Ziel eines Energieverbrauchsmonitorings war die Erfassung und Auswertung von Daten, um die Energieströme des Gebäudes nach der Sanierung analysieren und visualisieren zu können. Dadurch sollen Rückschlüsse auf die Qualität des sanierten Gebäudes im Realbetrieb sowie auf die Funktionalität der technischen Gewerke ermöglicht werden und mögliche Optimierungspotentiale durch nicht planmäßigen Betrieb aufgezeigt werden. Das Ergebnis des Energiemonitoring: Die CO2-Reduktion der Projekte beträgt in Summe rund 105 Tonnen pro Jahr. Vereinzelt konnte durch den Einsatz von Erneuerbarer Energie der Co2-Ausstoss gar auf Null Prozent reduziert werden. Die spezifische Heizendenergie konnte mindestens auf ein Drittel gesenkt werden.
Wird die geplante, errechnete Energieeinsparung durch thermische Sanierung auch in der Praxis erreicht? – Diese Frage beantwortet die Studie der deutschen Energieagentur dena „Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude“, die die Daten von insgesamt 63 thermisch sanierten Gebäuden über mehrere Jahre hinweg untersuchte. Sie kann auch als Vergleich zwischen konventioneller und nachhaltiger Bauweise verstanden werden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einem berechneten Endenergieverbrauch von 223 kWh/(m2a) im Mittel vor der Sanierung und einem prognostizierten Bedarf von 45 kWh/(m2a) im Mittel nach der Sanierung wurde eine Energieeinsparung von 80 Prozent angestrebt. Nach der tatsächlichen Sanierung wurden schließlich im Mittel ein Energieverbrauchskennwert von 54 kWh/(m2a) und eine durchschnittliche Energieersparnis von 76 Prozent erreicht.

Tool errechnet die optimale Dämmstärke

Neue Ergebnisse über die optimale Dammstärke bringt ein Online-Rechner des Österreichisches Institut für Baubiologie und – Ökologie (IBO): Mit dem baubook AWR-Tool (www.baubook.at/awr) können ökologische und ökonomische Amortisation von Dämmmaßnahmen schnell und transparent online berechnet werden. Dies brachte auch Optimalwerte ans Licht: Die ökologisch optimalen Dämmstoffstärken liegen meist im Bereich von 50 bis 120 Zentimeter, sind jedoch je nach Dämmmaterial recht unterschiedlich.

Öko-Indikatoren zeigen Umweltverträglichkeit

Baustoffe beeinflussen die verschiedensten Umwelt- und Gesundheitsbereiche in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Die Ökobilanz gibt darüber Auskunft: In ihr werden die wichtigsten Umweltaspekte und Umweltauswirkungen von Produkten erfasst. Im Rahmen der Ökobilanz werden in der sogenannten Sachbilanz Zu- und Abflüsse von Energie und Stoffen gelistet, in der Wirkbilanz ihr dadurch bedingter Schaden auf die Umwelt errechnet. Einbezogen wird der gesamte Lebenszyklus des Materials – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Entsorgung.
Die wichtigsten drei Faktoren, das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP), das Säurebildungspotenzial (Acidification Potential, AP) und der Primärenergieinhalt nicht erneuerbarer Energie (PEI), sind die wesentlichsten Indikatoren und bilden zusammen den aussagekräftigen Ökoindex OI3. Mit dem OI3-Index wird also die Umweltverträglichkeit beziffert. Er rechnet dazu die drei Umweltkategorien je Quadratmeter eines Bauteils auf einen Punktebereich von 0 bis 100 Punkte um. Der Wert ist umso niedriger, je weniger nicht erneuerbare Energie eingesetzt sowie je weniger Treibhausgase und andere Emissionen bei der Produktion der Baustoffe und des Gebäudes abgegeben wurden. Der erhöhte Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und ökologisch optimierten Produktionsprozessen führt in der Regel zu besseren Werten.
Eine ganze Reihe an unterschiedlichen OI3-Werten bezieht sich auf spezielle Bereiche, wie OI3TGH auf die thermische Hülle eines Gebäudes oder OI3KON auf eine Konstruktion. Für die ökologische Bewertung von Gebäuden im Rahmen einer Wohnbauförderung ist der OI3TGH-Wert ausschlaggebend. Um gesamte Gebäude zu vergleichen, wird der OI3-Indikator auf die Bruttogeschossfläche bezogen (IO3KON, BGF). Je niedriger der errechnete Wert, umso besser für die Umwelt.
Über die Internetplattform baubook.info können die OI3-Indikatoren für Bauteile und Gebäude errechnet werden.
Einen umfassenden Überblick über Ökobilanz und Öko-Indikatoren liefert der Fachkommentar von Bernhard Lipp, IBO.

Graue Energie: Ökologische Amortisation von Dämmung bei hocheffizienten Gebäuden

Als graue Energie wird die Energiemenge bezeichnet, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Dabei werden auch alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung berücksichtigt und der Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse addiert.
Bei Nachhaltigkeits-Maßnahmen stellt sich daher immer die Frage, wann sie sich bezogen auf graue Energie ökologisch amortisieren, sprich: jene Energie eingespart haben, die für deren Herstellung und Entsorgung benötigt wurde. Die Errichtung von klimaverträglichen und ressourceneffizienten Häuser setzt also auch eine Optimierung in Hinblick auf graue Energie voraus.
„Die energetische und ökologische Amortisierung der Dämmstoffe von Niedrigstenergiegebäuden beträgt in der Regel wenige Monate bis maximal zwei Jahre. Wie ist das aber bei hocheffizienten Gebäuden, wie sie durch das Passivhaus definiert werden?“, rechnet Robert Lechner vom Ökologie Institut (Grafik) vor: „Wird ein gesamtes Gebäude (also mit der thermischen Hülle, allen Innenwänden, Erschließungen und Decken) für eine Lebensdauer von 100 Jahren bilanziert, so beträgt der Primärenergieinhalt je nach Konstruktion zwischen 15 und 40 kWh pro Quadratmeter Bruttogrundfläche und Lebensjahr – alle dazwischen notwendigen Instandhaltungsarbeiten und Erneuerungen inklusive. Das CO2-Potential (Global Warming Potential – GWP100) für dieses Bauwerk macht rund drei bis fünf Kilogramm CO2 pro Quadratmeter BGF und Jahr aus. Die Dämmung für ein derartiges Bauwerk hat bei strenger Bewertung in einer solchen Bilanzierung einen Anteil von 10 bis 25 Prozent (CO2) – alle Erneuerungszyklen inkludiert. Ein hocheffizientes Gebäude ist auch bei kritischer Bilanzierung in der Lage, gegenüber einem Standardgebäude nach Baurecht zumindest 30 kWh Wärme pro Quadratmeter und Jahr einzusparen. Die Reduktion des Energieverbrauchs durch Dämmung ist sowohl hinsichtlich des Primärenergieverbrauchs als auch der CO2-Einsparung im wahrsten Sinne des Wortes wärmstens zu empfehlen.“

GRAFIK als PDF: Ökologische Amortisation von Dämmung bei hocheffizienten Gebäuden

Dämmung: Mehr Produktionsenergie als Energie eingespart?

Auch das Karlsruher Institut für Technologie hat die Ressourcen-Inanspruchnahme von Dämmstoffen über den gesamten Lebenszyklus und die positive Auswirkung auf die Umwelt gegenüber gestellt. Das Fazit: Die energetische und ökologische Amortisationszeit eines Einsatzes von Dämmstoffen liegt unter zwei Jahren, eine Wärmedämmung ist aus Sicht einer Primärenergie- und Klimagasbilanz sehr sinnvoll. Sprich: Nicht zu dämmen ist umweltschädlich.
Auch das Argument es würde bei der Herstellung von Wärmedämmung aus Polystyrol Erdöl verschwendet, stimmt so nicht: Zwar sind Wärmedämmverbundsysteme wie EPS-Platten tatsächlich Erdölprodukte, allerdings bestehen sie zu 98 Prozent aus Luft und nur zu zwei Prozent aus Polystyrol. Der Öleinsatz in Dämmungen amortisiert sich daher deutlich, da ein Vielfaches an Heizöl oder dessen Äquivalent eingespart wird.

EPS: Problemstoff bremst Recycling

Insbesondere Wärmedämmverbundsysteme (WDVS, vorwiegend EPS-Platten) werden hinsichtlich Lebensdauer und Entsorgung skeptisch beäugt. Ihre Haltbarkeit wird inzwischen auf rund 50 Jahre geschätzt: Erste WDVS wurden 1957 in Berlin verlegt und sind noch immer funktionstüchtig. Trotzdem ist klar, dass Wärmedämmung nach einigen Jahrzehnten ersetzt werden muss.
Im Idealfall ist eine Dämmung einer Wiederverwendung, oder wenigstens dem Recycling zuzuführen. Auch bei Polystyrol ist das grundsätzlich möglich und einige Unternehmen feilen bereits an technischen Lösungen, etwa unter Verwendung von Fräsen, aber: Aufgrund der bisherigen Verwendung des ab 2017 endgültig weltweit verbotenen Flammschutzmittels HBCD ist eine Nachnutzung aktuell nicht möglich.

Lösungen zu HBCD

Mit der Studie „Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS“ legten heuer das Fraunhofer Institut für Bauphysik und das Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW München erstmals eine Untersuchung zu dem Thema auf den Tisch. Dort wurde ebenfalls das aktuelle Hauptproblem festgestellt: Durch die Gefahreneinstufung des verwendeten Flammschutzmittels HBCD seien die Recyclingmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Im Sinne der Abfallvermeidung wird deshalb die „Aufdopplung“ empfohlen: Der bestehende Wärmeschutz wird dabei nicht demontiert, sondern durch eine zusätzliche Dämmschicht ertüchtigt.
Bislang konnte WDVS-Abfall beispielsweise zu „EPS-Recyclingplatten“ mit bis zu 100 Prozent Recyclinganteil verarbeitet werden, die etwa für die Fußbodendämmung oder als Drainageplatten für die Perimeterdämmung einsetzbar sind. Das wird künftig nur mehr mit Alt-EPS ohne das Flammschutzmittel HBCD möglich sein, für die übrigen Bestände ist dann nur noch eine energetische Verwertung, sprich Energierückgewinnung durch Verbrennung, möglich.
Allerdings bieten sich durchaus Verfahren zur rohstofflichen Verwertung als Lösung an, die jedoch aufwendig und damit bislang kommerziell kaum nutzbar sind. Das soll sich nun ändern. Das sogenannte CreaSolv-Verfahren etwa gewinnt das Polymer Polystyrol durch seine spezifische Löslichkeit wieder, wodurch auch die Möglichkeit besteht HBCD abzutrennen und daraus Brom zu gewinnen. Eine erste Großanlage ist in Holland geplant. Recycling-Kapazität: 3.000 Tonnen im Jahr.

Heimisches EPS HBCD-frei

Erfreulich ist, dass die meisten österreichischen EPS-Hersteller bereits mit Jänner 2015 den Umstieg auf das alternative Flammschutzmittel pFR abgeschlossen haben. Heimische EPS-Produkte der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (Marken Austrotherm, Austyrol, Bachl, Modrice, Röhrnbach, Brucha, EPS Industries, Flatz, Hirsch, Steinbacher, Swisspor) sind damit HBCD-frei. Ein aktueller Prüfbericht des Umweltbundesamtes über zehn übermittelte Proben liegt der Medienstelle vor. Allerdings: Rund 15 Prozent der in Österreich erhältlichen EPS-Platten werden importiert. Anzumerken ist ebenfalls, dass der Medienstelle bislang keine wissenschaftlichen Langzeit-Untersuchungen über die Bedenkenlosigkeit von pFR vorliegen. Ähnliches gilt aber auch für diverse Inhaltsstoffe alternativer Dämmmaterialien.

Aufgrund langer Lebensdauer der WDV-Systeme erster Generation, sind die aktuellen Rücklaufmengen bemerkenswert gering und auch Prognosen bis 2050 zeigten, dass die zu verwertenden Mengen mit der bestehenden Infrastruktur etwa von Müllheizkraftwerken gut beherrschbar seien. Danach würden, so die Studienautoren, die EPS-Abfallmengen jedoch stark ansteigen.

Einen umfassenden Überblick über Recycling und Entsorgungseigenschaften von Dämmstoffen liefert der nachfolgende Fachkommentar von Astrid Scharnhorst, IBO.

Nachhaltig Bauen & Sanieren ist nicht wirtschaftlich – oder doch?

Mit Ergebnissen aus neuesten Studien sowie Fach-Kommentaren von:

Renate Hammer, Institut of Building Research & Innovation
Johannes Kislinger, Innovative Gebäude
Günter Lang, Passivhaus Austria
Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut ÖÖI
Bernhard Lipp, Österreichisches Institut für Baubiologie und – Ökologie IBO
Martin Ploss, Energieinstitut Vorarlberg
Alfred Waschl, International Facility Management Association (IFMA) Austria

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Kurzfassung

 

Medienpaket zum größten Vorurteil Wirtschaftlichkeit

Trotz zahlreicher positiver Studien und Fachmeinungen bleibt es eine vieldiskutierte Frage beim nachhaltigen Bauen und Sanieren: Rechnen sich die baulichen Maßnahmen in Hinblick auf Ökologie und Energieeffizienz auch wirtschaftlich? Die Medienstelle für Nachhaltiges Bauen hat sich diesem Thema im Detail angenommen und bietet Medienvertretern und Interessierten ein umfangreiches, breit recherchiertes Paket an grundlegenden Informationen, Fachkommentaren von namhaften, österreichischen Experten und den wesentlichsten Fakten aus brandaktuellen Studien – frei zur redaktionellen Verarbeitung zu unterschiedlichsten Teilthemen.
Die detaillierte Gesamtfassung mit allen Texte, Grafiken (Rohdaten auf Wunsch), Pressefotos und allen Studien finden Sie auf der Webseite der Medienstelle unter www.nachhaltiges-bauen.jetzt.

Volkswirtschaftliche Notwendigkeit

Wer denkt, der Energieverbrauch in den heimischen Haushalten sinkt aufgrund von Krise und Umweltbewusstsein, irrt: Der klimabereinigte Endenergieverbrauch je Österreicher steigt seit 2012 wieder und lag nach aktuellen Energieberichten 2013 um rund 26 Prozent höher als im Jahr 1995. 2,2 Millionen sanierungsbedürftige Wohnungen oder rund 60 Prozent des gesamten Wohnungsbestands bräuchten eine energieeffiziente Sanierung. Die Sanierungsrate liegt in Österreich seit Jahrzehnten bei etwa einem Prozent, sprich es dauert 100 Jahre, bis der Gebäudebestand komplett durchsaniert ist. Noch dazu machen die thermischen Sanierungen nur einen Teil der Gesamtsanierungen aus. Was ist also wirtschaftlich (und nachhaltig)? Impulse zu nachhaltigem Bauen wie ein Sanierungsscheck der Bundes, der 2013 mit 132,2 Millionen Euro Fördermittel nachhaltige Investitionen von 847 Millionen Euro unterstützt hat und 12.715 Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen hat? Oder durch den Klimawandel drohende Schäden in Höhe von bis zu 8,8 Mrd. Euro jährlich – alleine in Österreich?

Aktuelle Studien belegen Wirtschaftlichkeit

Dass nachhaltiges Bauen und Sanieren zwar eventuell geringfügig mehr kostet, aber sich langfristig rechnen kann, belegen neue Studien. Da in den nächsten Jahrzehnten mit höheren Energiepreisen jeder Art zu rechnen ist, sind Gebäudekonzepte mit Schwerpunkt auf Energieeffizienz im Vorteil.

Kosten für nachhaltiges Bauen sinken

Eine Studie der Universität für Bodenkultur Wien hat zudem die Herstellungskosten im Vergleich zum Baustandard Niedrigenergiehaus gegenübergestellt. Das Ergebnis: Die Kosten für nachhaltiges Bauen sinken aufgrund technischer Entwicklungen, zumindest im mehrgeschossigen Wohnbau. Die Autoren einer weiteren Studie „Preisentwicklung Gebäudeenergieeffizienz“ stellen fest, dass in den letzten Jahrzehnten viele Bauteile günstiger und hochwertiger geworden sind: „Angesichts der Ergebnisse dieser Initialstudie scheint die These von der „steigenden Energieeffizienz als natürlicher Feind des kostengünstigen Bauens“ nicht haltbar zu sein.“

Bekenntnis zu Nachhaltigkeit gefordert

„Fakt ist: Ohne Energieeffizienz gibt es kein nachhaltiges Bauen. Es geht nicht mehr darum, ob der Klimawandel stattfindet, sondern nur mehr darum, wie stark oder unvorteilhaft die Konsequenzen daraus sind. Wer CO2 sparen will, baut und betreibt seine Häuser energieeffizient und mit einem möglichst vorteilhaften Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Bereitstellung des Restenergiebedarfs. Wer Gegenteiliges behauptet, stellt sich auf die Seite derer, die schon an der mittelfristigen Zukunft kein allzu großes Interesse zeigen und denen es möglicherweise – wirtschaftlich betrachtet – eher um eine vorteilhafte Gegenwart geht“, meint dazu Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut ÖÖI in seinem Fachkommentar.

Geringe Mehrkosten bei nachhaltigem Bauen

Aktuelle Studien und jahrzehntelange Baupraxis belegen die Wirtschaftlichkeit bei nachhaltigem Bauen. Lechner: „Im Rahmen zahlreicher von uns und ganz vielen anderen Expertinnen und Experten begleiteter Neubauten und Sanierungen kommen wir zu Investitionsmehrkosten von keinem bis wenigen Prozentpunkten für nachhaltiges, besonders energieeffizientes Bauen. Dabei spielen die verwendeten Materialien für den Hochbau eine weniger wichtige Rolle, als der technische Gebäudestandard. Vereinfacht: Null- und Plusenergie braucht heute (noch!) mehr Geld als Energieeffizienz; Energieeffizienz kostet unmerklich mehr als herkömmliche Stangenware.“ Und Günter Lang von Passivhaus Austria: „Im Idealfall kann der Passivhaus-Standard zu den gleichen Baukosten errichtet werden, die der Mindeststandard an Baukosten verursachen würde. Es kommt nur auf das Verhältnis zwischen Ausgaben für die thermische Gebäudequalität und für die Haustechnik an. Aber selbst bei Mehrkosten von zwei bis vier Prozent haben sich die eingesparten Energiekosten in wenigen Jahren mehrfach eingespielt. Und dabei sind die volkswirtschaftlichen Einsparungen noch gar nicht in Betracht gezogen.“

Neues Online-Tool belegt Wirtschaftlichkeit bei Dämmung

„Immer wieder wird in den Medien auf nicht ganz sachliche Weise gegen Wärmedämmung mobil gemacht: Teuer, nur für die Dämmstoffindustrie vorteilhaft, ineffizient, umweltschädlich, problematisch in der Entsorgung. baubook hat einen ökologischen Amortisations- und Wirtschaftlichkeitsrechner für Bauteile entwickelt, mit dem man selbst transparent überprüfen kann, ob sich eine Dämmmaßnahme rentiert und wie sie sich auf die Umwelt auswirkt. Klar ersichtlich ist aus den vielen Ergebnissen, dass sich Dämmen ökologisch und ökonomisch auszahlt“, präsentiert aktuell Bernhard Lipp, Österreichisches Institut für Baubiologie und – Ökologie (IBO), das AWR-Tool. Mit dem Rechner können verschiedene Dämmstärken, Baustoffe, Konstruktionen und Energieträger miteinander verglichen werden. http://www.baubook.at/awr/

Wirtschaftlich optimale Dämmstärke errechnet

Und noch eines zeigt der Rechner: die ideale Dämmstärke je nach Dämmstoff. Die ökologisch optimalen Dämmstoffstärken liegen meist im Bereich von 50 bis 120 Zentimeter. Ökonomisch betrachtet liegt der Optimalwert zwischen etwa 25 und 50 Zentimeter. Ein Beispiel: Bei mineralischen Wärmedämmplatten betragen die genaueren Optimalwerte ab mindestens 85 Zentimeter (ökologisch) für nicht erneuerbare Primärenergie und 23 Zentimeter (ökonomisch).

Ökologische Transformation

Johannes Kislinger, Innovative Gebäude: „Intelligent eingesetzte innovative Konzepte nutzen, um nachhaltige Lösungen zu finden ist das Ziel. Nicht mehr das Gebäude allein, sein Lebenszyklus und seine Nachnutzung stehen im Mittelpunkt, sondern der gesamte Kontext: Über das Gebäude hinausdenken heißt, globale Zusammenhänge mit seiner persönlichen Einstellung zum Miteinander in Einklang bringen, über die Nachbarschaft und Siedlung hinaus bis hin zu politischen Entscheidungen. Der Konsument bestimmt letzten Endes den Markt und macht damit Politik.“ Und Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation: „Es geht um einen Transformations-Prozess unseres Wirtschaftssystems weg vom Anspruch auf kontinuierlich mehr, hin zur Identifikation echter Bedürfnisse.“

Wirtschaftlichkeit: Neubau

Schlüssel Energieeffizienz

Welche Gebäudearten und welche Baumaterialien sind am Wirtschaftlichsten? – Diese Frage hat u.a. die aktuelle Studie „Innovative Gebäudekonzepte im ökologischen und ökonomischen Vergleich über den Lebenszyklus“ untersucht. Das Fazit: „Da der Energieverbrauch durch die Gebäudenutzung einen wesentlichen Anteil der Umweltwirkung von Gebäuden verursacht, muss auf selbigen das Hauptaugenmerk bei der Planung und Auslegung von Gebäuden gerichtet werden. Umfassende Gesamtkonzepte sind heute auch für kleine Objekte wie Einfamilienhäuser wichtig.“ Und: „An erster Stelle im Maßnahmenkatalog muss nach wie vor die Erhöhung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden stehen.“

Laufenden Kosten wesentlich

Auch wenn das Ergebnis der Studie nicht eindeutig für eine oder mehrere Gebäudevarianten spricht, kann doch eine wesentliche Schlussfolgerung getroffen werden, so die Studienautoren: „Das einzig selig machende und die Welt rettende Gebäudekonzept gibt es nicht. Die reine Betrachtung der Anfangsinvestition eines Gebäudes, d.h. ausschließlich der Errichtungskosten (Herstellungskosten), schafft niemals ein korrektes Bild über die wahren Kosten eines Gebäudes. Wenngleich eine Lebenszykluskosten-Bilanzierung auf diversen Annahmen beruht, zeigt sich im Projekt ganz deutlich, dass auch hier die Gesamtkosten über die angesetzte Nutzungsdauer (50 Jahre) sehr stark von den laufenden Kosten der Gebäudenutzung beeinflusst werden.“

Entscheidender Faktor: künftige Energiepreise

Zwei Haken hat die Studie allerdings: Zu den Berechnungen wurden nur die aktuellen Energiepreise herangezogen, künftige Preissteigerungen also nicht berücksichtigt. Zudem wurde mit recht hohen Herstellungskosten kalkuliert, die – durch andere anderen Studien belegt – inzwischen unterboten werden können.
Da in den nächsten Jahrzehnten mit höheren Energiepreisen jeder Art zu rechnen ist, sind hier Gebäudekonzepte mit Schwerpunkt auf Energieeffizienz – also Passivhaus sowie Null- und Plusenergiehaus – eindeutig im Vorteil. Unterm Strich werden diese Konzepte daher auch in der Gesamtkostenbilanz günstiger, wenn sie im Vergleich nicht sogar als Preissieger hervorgehen. Eventuelle Mehrkosten relativieren sich also, in welchem Ausmaß ist aufgrund der Energiepreisentwicklung leider nicht vorhersehbar.

Von Standard bis Hightech

Fest steht: Wie jedes Produkt kostet auch ein Haus je nach Qualität und Leistung mehr oder weniger. Die unterste Kategorie des nachhaltigen Bauens und somit auch Standard-Bauweise markiert das Niedrigenergiehaus, die höchste das Plusenergiehaus, welches in der Gesamtbilanz sogar einen Energieertrag abwirft. Dazwischen finden sich die Gebäudekonzepte Passivhaus und Sonnenhaus sowie Mischvarianten ein.

Kosten für nachhaltiges Bauen gesunken

Die Studie der Universität für Bodenkultur Wien „Nachhaltigkeitsmonitoring augewählter Passivhaus-Wohnhausanlagen in Wien“ hat die Herstellungskosten im Vergleich zum Baustandard Niedrigenergiehaus gegenübergestellt. Das Ergebnis: Die Kosten für nachhaltiges Bauen sinken aufgrund technischer Entwicklungen, zumindest im mehrgeschossigen Wohnbau. Die Autoren: „Die Mehrkosten der ersten Wiener Passivhaus-Wohnhausanlagen lagen bei etwa 4-12 Prozent wobei in Zukunft durch kosteneffizientere dezentrale Haustechnikanlagen eher von einer Bandbreite von 4-6 Prozent ausgegangen werden kann.“

Die aktuelle deutsche Studie „Preisentwicklung Gebäudeenergieeffizienz“ hat dazu am Beispiel des Neubaus einer Doppelhaushälfte dargestellt, wie sich tatsächliche Kosten von 1990 bis heute im Lichte zunehmender gesetzlicher Anforderungen an die Energieeffizienz entwickelt haben – preisbereinigt über den Baukostenindex. Das Ergebnis: Zahlreiche Bauteile wie Porenbetonwand, Fenster, Dach oder Heizungspumpen kosten heute weit weniger bzw. erhält man eine weit bessere Qualität um den selben Preis. Die Autoren: „Angesichts der Ergebnisse dieser Initialstudie scheint die These von der „steigenden Energieeffizienz als natürlicher Feind des kostengünstigen Bauens“ nicht haltbar zu sein.“ Die Studie kommt sogar zu dem Schluss, dass sowohl der heutige Neubau-Standard als auch sämtliche Zukunftsstandards bei guter Planung bereits heute die niedrigsten monatlichen Kosten aufweisen können als die vergangenen Standards der letzten Jahrzehnte.

Vorarlberger Energieinstitut und E7 errechnen Wirtschaftlichkeit

Die künftigen Energiekosten mit kalkuliert haben das Energieinstitut Vorarlberg und e7 Energie Markt Analyse. In der Studie „Analyse des kostenoptimalen Anforderungsniveaus für Wohnungsneubauten in Vorarlberg“ (2013) wurden verschiedene Gebäudetypen und Kombinationen – Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Massiv- und Holzbau, sowie Gas-, Pellets- und Wärmepumpenheizung – in Hinblick auf Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit über 30 Jahre errechnet und verglichen. Eingerechnet wurden die Anfangsinvestitionskosten für energierelevante Bauteile und Komponenten, Planungskosten, Wartungs- und Instandhaltungskosten sowie Energiekosten inklusive Preissteigerungen. Als Basis der Baukosten diente das vergleichsweise gehobene vorarlbergische Preisniveau.
Ergebnis: Zwar liegen die Investitionskosten der energetisch besten Varianten mit Solaranlage gegenüber den Varianten nach Baustandard Niedrigenergie und ohne Solaranlage höher, die tatsächliche Wirtschaftlichkeit zeigt sich jedoch in der Betrachtung über mehrere Jahrzehnte.

Die genannten Studien von unterschiedlichen Autoren und Auftraggebern zeigen deutlich, dass die Mehrkosten für optimal ökologisch und energieeffiziente Gebäude bei Betrachtung über mehrere Jahrzehnte egalisiert werden bzw. äußerst gering sind.

Wirtschaftlichkeit über Betriebskosten

Die Studie des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik BMVIT „Betriebskosten- und Wartungskostenvergleich zwischen Passivhäusern und Niedrigenergiehäusern“ aus dem Jahr 2013 verglich die realen Betriebskosten (inkl. Haustechnik) von zehn Passivhäusern und acht Niedrigenergiehäusern. Fazit: Mit jährlichen Betriebskosten von 5,3 Euro pro Quadratmeter sind Einfamilien-Passivhäuser um 2,1 Euro/m2 etwa 25 Prozent günstiger (Mehrfamilien-Passivhaus ebenfalls 2,1 Euro/m2 und 50 Prozent) als Niedrigenergiehäuser. Bei 100 Quadratmeter und einem Zeitraum von 50 Jahren beträgt die Ersparnis also 10.500 Euro – bei aktuellen Energiepreisen.

Pauschale Aussagen zur Wirtschaftlichkeit sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da die Bedingungen nicht direkt miteinander vergleichbar und künftige Energiepreise schwer abzuschätzen sind. Abseits des ökologischen Faktors sind aber auch Aspekte wie Wertsteigerung der Immobilie und deutlich gesteigertes Wohlbefinden von klarem Vorteil.

Vergleichszahlen für den Heizwärmebedarf

Durchschnittlicher Altbestand: 150-250 kWh/m².a
Neubau 1999: 75-90 kWh/m².a
Neubau um 2010: Etwa 50-65 kWh/m².a
Niedrigenergiehaus: unter 55 kWh/m².a (Baustandard)
Passivhaus: unter 15 kWh/m².a (nach PHPP)
Passivhaus: unter 8 kWh/m².a (nach OIB Richtlinie 6)

Wirtschaftlichkeit Sanierung

Wärmeverlust & Einsparungspotential (Grafik als PDF: Waermeverlust Grafik)

Energie wird sprichwörtlich aus dem Fenster geschmissen: Ganz allgemein wird bei der Bedeutung der einzelnen Bauteile für die Energieeffizienz von folgendem Schlüssel ausgegangen (wobei die Prozentsätze je nach Fachmeinung etwas variieren): Der Wärmeverlust bei nicht energieeffizienten Gebäuden liegt bei der Konstruktion (Wände, Dach und Boden) bei etwa 50 Prozent, bei den Fenstern bei etwa 30 Prozent sowie durch Lüften bei etwa 20 Prozent. Das Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW in München wollte es in der Studie „Wirtschaftlichkeit von wärmedämmenden Maßnahmen“ ganz genau wissen und hat die Anteile der Wärmeverluste bei Bestandsgebäuden wie folgt kalkuliert: Wand 30 Prozent, Dach 20 Prozent, Keller 12 Prozent, Fenster 16 Prozent, Wärmebrücken 6 Prozent (auch im Bereich Fenster besonders relevant) sowie Lüften 14 Prozent. Interessant: Je energieeffizienter ein Gebäude ist, desto wesentlicher wird der Faktor Lüften, also das Nutzerverhalten bzw. der Einsatz von Wärmerückgewinnung.

Grafik Wärmeverluste RGB

Amortisation von Sanierungen

Eine Berechnung, welche Einsparung durch Sanierung möglich ist, hat das Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW in München in der gleichen Studie angestellt. Als Beispiel diente ein Einfamilienhaus aus der Gebäudealtersklasse 1968 bis 1979 (inkl Schwankungsbereich). Ganz besonders rechnet sich etwa eine Wärmedämmung eines alten Hauses, dessen Fassade sowieso saniert werden müsste.

Wirtschaftlichkeit Sanierung

Werden die gesamten Sanierungskosten laut Tabellenbeispiel von 67.780 Euro kalkuliert, ergeben sich bei der angeführten Einsparung ein Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis von 2,28 Euro/kWh a und eine mittlere Amortisationszeit von etwa 16 Jahren. Als entscheidende Werte sind jedenfalls die Investitionskosten sowie die dadurch ersparte Heizwärme zu betrachten und das daraus zu errechnende Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis (MNV). Darunter versteht man das Verhältnis der Mehrkosten infolge eines verbesserten Wärmeschutzes (energiebedingte Mehrkosten) zur jährlichen Heizenergieeinsparung. Das Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis beschreibt also die energiebedingten Kosten pro jährlich eingesparte Kilowattstunde Heizenergie. Je kleiner das Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis, desto wirtschaftlicher ist eine Dämmmaßnahme.

Die optimale Dämmstärke

Neue Ergebnisse über die optimale Dammstärke bringt ein Online-Rechner des Österreichisches Institut für Baubiologie und – Ökologie (IBO): Mit dem baubook AWR-Tool können ökologische und wirtschaftliche Amortisation von Dämmmaßnahmen schnell und transparent online berechnet werden. Dies brachte auch Optimalwerte ans Licht: Ökonomisch betrachtet liegt der Idealwert zwischen 25 und 50 Zentimeter. (Mehr dazu im Fachkommentar von Bernhard Lipp, IBO.) Ein Beispiel: Bei mineralischen Wärmedämmplatten betragen die genaueren Optimalwerte ab mindestens 85 Zentimeter (ökologisch) für nicht erneuerbare Primärenergie und 23 Zentimeter (ökonomisch).

Trotzdem gilt es zukunftssicher und damit möglichst energieeffizient zu sanieren, da davon ausgegangen werden kann, dass über den Lebenszyklus eines Gebäudes zumeist nur einmal saniert wird.

Status Quo & Volks-Wirtschaft

Energieverbrauch der Haushalte: Wieder um 26 Prozent höher als 1995

Tatsache ist, dass rund 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf das Konto des Gebäudesektors gehen, der damit auch das größte CO2- und Energie-Einsparungspotential ausmacht. Im Bereich der österreichischen Haushalte stellt die Raumwärme mit knapp 73,3 Prozent des Endenergieverbrauchs in Höhe von 272,5 Petajoule (Energiestatus Österreich) den größten Verbrauchsanteil dar. Wer denkt, der Energieverbrauch in den heimischen Haushalten sinkt aufgrund von Krise und Umweltbewusstsein, irrt: Der klimabereinigte Endenergieverbrauch je Einwohner (Anmerkung: Um die wetterbedingten Schwankungen des Endenergiebedarfes zu nivellieren, ist eine Klimabereinigung des Energieverbrauchs erforderlich.) stieg bis zum Jahr 2008, ging 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise markant zurück und stagnierte danach. Seit 2012 steigt er wieder und lag im Jahr 2013 um rund 26 Prozent höher als im Jahr 1995.

Gebäude-Altbestand: 60 Prozent aller Wohnungen sanierungsbedürftig

Insbesondere der Gebäude-Altbestand hat in Sachen Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit gehörigen Nachholbedarf. 2,2 Millionen Wohnungen oder rund 60 Prozent des gesamten Wohnungsbestands bräuchten eine energieeffiziente Sanierung („Effizienzpotenziale in der Österreichischen Wohnungspolitik“, IIBW 2012). Die Sanierungsrate liegt in Österreich seit Jahrzehnten bei etwa einem Prozent, sprich es dauert 100 Jahre, bis der Gebäudebestand komplett durchsaniert ist. Noch dazu machen die thermischen Sanierungen nur einen Teil der Gesamtsanierungen aus. Energie wird also sprichwörtlich aus dem Fenster geschmissen.

Wirtschafts- und Arbeitsmarktimpuls vs. Volkswirtschaftlicher Schaden

Dass nachhaltiges Bauen und Sanieren nicht nur einen wirtschaftlichen Aspekt jedes Haushaltes darstellt, sondern auch ein volkswirtschaftlicher Faktor ist, steht spätestens nach Einführung des Sanierungsschecks des Bundes fest: 2013 konnten mit 132,2 Millionen Euro Fördermittel nachhaltige Investitionen von 847 Millionen Euro unterstützt werden. Insgesamt wurden 12.715 Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen und 3,6 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart.
Dem steht die Studie „COIN – Cost of Inaction: Assessing the Costs of Climate Change for Austria“ gegenüber, nach der Österreichs Volkswirtschaft bis 2050 Schäden, die durch den Klimawandel verursacht werden, in Höhe von bis zu 8,8 Mrd. Euro jährlich zu verkraften haben wird.

Faktor Energiepreise

Einen entscheidenden Faktor in der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit des nachhaltigen Bauens und Sanierens stellen die Energiepreise dar – insbesondere jener für Rohöl. Abseits dessen, dass fossile Energieträger begrenzt sind und in unbekannter, aber absehbarer Zeit zu Neige gehen, zeigten die letzten Jahre die Unvorhersehbarkeit der Preisentwicklung. Fest steht auch: Die Preise der fossilen Energieträger werden langfristig weiter steigen.

Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft dazu im Energiestatus-Bericht 2015: „Die letzten Jahre waren von teils dramatisch gestiegenen Energiepreisen – insbesondere der „Energieleitwährung“ Öl – gekennzeichnet. So kostete Rohöl (UK Brent) Anfang des Jahres 2005 noch etwa 45 Dollar/Barrel, Mitte 2008 jedoch bereits mehr als das etwa Dreifache (133 Dollar/Barrel). Danach folgte ein Preissturz auf rund 40 Dollar/Barrel (Ende 2008), womit die Preise wieder unter das Ausgangsniveau fielen, um in den Folgejahren wieder kontinuierlich bis auf knapp über 120 Dollar/Barrel zu steigen. In den Jahren 2012 und 2013 pendelte sich der Rohölpreis bei etwa 110 Dollar/Barrel ein. Seit Juni 2014 ist ein markanter Verfall der Rohölpreise auf etwas mehr als 60 Dollar/Barrel im Dezember 2014 zu verzeichnen.
Bei längerfristiger Betrachtung hat der Rohölpreis (inflationsbereinigt) 2003/04 wieder das Niveau zu Anfang der 1990er Jahre erreicht und ist danach dermaßen gestiegen, dass er im Jahr 2008 die Werte von 1980, dem Höhepunkte der 2. Erdölkrise, bei weitem übertroffen hat.
In den letzten Monaten von 2008 setzte ein Preissturz ein und 2009 lag der reale Ölpreis bei rd. 60 Dollar/Barrel, was etwa dem Niveau des Jahres 1982 entspricht. In den Jahren 2010 und 2011 zog der Preis neuerlich stark an und erreichte zuletzt mit rd. 102 Dollar/Barrel einen Rekordwert. Im Jahr 2012 lag der Preis bei knapp unter 100 Dollar/Barrel und damit um fast das Dreifache über dem realen Preis von 1990. Im Jahr 2013 ging er neuerlich leicht zurück und lag zuletzt bei rund 95 Dollar/Barrel. Die Preisentwicklung auf den internationalen Märkten hat naturgemäß die Energiepreissituation in Österreich stark beeinflusst.“
Anfang 2015 stürzte der Ölpreis auf unter 50 Dollar ab und lag zuletzt um die 60 Dollar.