Das Haus mit Speicher am grünen Strom

Kommentar von Johannes Fechner, klimaaktiv Bildungskoordination, 17&4

Bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll die Dekarbonisierung der industrialisierten Volkswirtschaften geschafft sein. Mehrere Bundesländer haben den Ausstieg aus der fossilen Raumwärme sogar bereits fixiert, z.B. Kärnten: 100 % erneuerbare Raumwärme bis 2025, Oberösterreich bis 2030. Photovoltaik und Wind werden global gesehen in den kommenden Jahrzehnten die Hauptlast der Ökologisierung des Energiesystems tragen. Grund dafür sind die Potentiale, die erreichten Kostenstrukturen und die relative Ausgereiftheit beider Technologien, stellte die Internationale Energieagentur fest. Mit welchen erneuerbaren Energien werden Gebäude, die wir heute bauen, dann betrieben werden? Ein Blick ins Jahr 2050 zeigt, wie sich die Energieerzeugung nach der Dekarbonisierung darstellen könnte.
Für die Wärmeanwendung sind im Österreich-Szenario vor allem die Technologien Solarthermie, Wärmepumpe sowie „noch offen/Geothermie“ mit erforderlichen Steigerungsraten um ca. das 8-fache voranzutreiben, biogene Energieträger steigen nur moderat an, PV ist erst am Beginn.(1) Wesentlich dabei ist, dass eine erfolgreiche Energie- und Klimastrategie jedenfalls einen massiven Rückgang des Gesamtenergiebedarfes um etwa 40 % als Basis erfordert. Dies wird vorrangig über Wärmeschutzmaßnahmen im Gebäudesektor zu erreichen sein.

Gebäude – fit zum Betrieb im System der erneuerbaren Energien?
Zusätzlich zu biogenen Brennstoffe werden vor allem Power-to-Heat-Technologien in großem Stil eingesetzt werden. Heizen mit Strom – das was bisher eher verpönt war soll nun die Rettung bedeuten? Unter bestimmten Voraussetzungen: ja! Wenn der oben gezeigte Energiemix 2050 Realität wird, dann wird es Zeiten mit noch weit größeren Stromüberschüssen geben als heute, aber auch Zeiten, wo Sonne und Wind zu wenig bringen. In Österreich wissen wir die Bedeutung von Speicherkraftwerken wie Kaprun zu schätzen, will man nun aber Wärme auch in großem Ausmaß elektrisch produzieren, dann braucht es zusätzlich Speicherkapazitäten und dafür gibt es sicher nicht mehr ausreichend flutbare Alpentäler. Für Wärme kann das eine Saisonspeicherung im Untergrund unter Gebäuden sein, die thermische Nutzung von Betonteilen oder auch Wasserspeicher. Es sollte eigentlich im Interesse der Energieversorger und Netzbetreiber liegen, dass diese Speicherkapazitäten bei jedem Bauvorhaben nutzbar gemacht werden.

Energiespeichersysteme – Überforderung für Bauträger?
Bei den meisten Bauträgern wird das Ansinnen, nun auch komplexe Energiespeichersysteme zu errichten, wenig Begeisterung hervorrufen. Dazu gibt es aber bereits eigene Unternehmen wie z.B. die Kraftwerk Krieau GmbH, die am Standort Energie aus erneuerbaren Quellen – Geothermie, Grundwasser, Abwärme, Abwasser, Solarenergie – produzieren. Der Kunde bezieht diese am Standort produzierte grüne Energie für Wärme und Kälte zu einem marktgerechten Preis. Im Viertel Zwei im Wiener Prater werden so demnächst rund 1.500 Arbeitsplätze, ca. 500 Wohnungen, 350 Studenten Apartments mit grüner Energie versorgt.

Wärmepumpe – hilfreich für die Energiewende?
Eines scheint bereits festzustehen. Die Wärmepumpe wird zum bedeutendsten Heizungssystem. Der Marktanteil der Wärmepumpe im Neubau beträgt zurzeit bereits 75 % – 80 %, bei einem Bestand von 158.000 Gebäuden mit Wärmepumpenheizung im Jahr 2015. Die aktuelle Roadmap sieht Szenarien für 2030 mit 266.000 bis 624.000 Gebäuden mit Wärmepumpenheizung. Nun macht es aber einen großen Unterschied, wie diese vielen Anlagen betrieben werden. Können sie dann eingeschaltet werden, wenn ein Stromüberangebot vorhanden ist und Wärme speichern? Wenn sie das nicht können werden sie an vielen Stunden des Jahres genau dann betrieben, wo Strom nicht aus erneuerbaren Quellen produziert werden kann. Ein Resultat wäre mehr importierter Kohle-Strom.
In Deutschland gibt es bereits eine spezielle Wärmepumpenförderung für „Smart Grid“ taugliche Produkte (SG Label) wenn diese in Kombination mit einem Speicher installiert werden.(2) Eine Studie des AIT bestätigt, Wärmepumpen können Flexibilität sehr effizient bereitstellen, wobei das Flex-Potential der Wärmepumpen stark von Use Case und Jahreszeit abhängig ist. (3)

Wer dirigiert den Schwarm?
Bleibt die Frage, wer optimiert den Betrieb? Der deutsche Energieversorger LichtBlick zeigt mit seinem Geschäftsmodell interessante Ansätze, wie sauberer Strom verfügbar gemacht wird und vernetzt dazu dezentrale Erzeuger, Speicher und steuerbare Lasten zu einem intelligenten Schwarm. Die entsprechende IT, genannt Schwarmdirigent, erlaubt die technische Einbindung dezentraler Kraftwerke oder Batteriespeicher in allen relevanten Energiemärkten – zum Beispiel an der Strombörse oder im Markt für Regelenergie. Speziell für Wärmepumpenbesitzer bietet der Wiener Stromanbieter Awattar eine Webschnittstelle namens „Syncer“, damit sich die Heizung automatisch zum jeweils günstigsten Zeitpunkt Strom bezieht.

Spätestens an diesem Punkt ist das Argument der höheren Investitionskosten zu behandeln. Wir können dazu einerseits das Vermächtnis des Rechnungshofpräsidenten Moser zitieren, wo verbindliche energetische Planungsvorschriften und Lebenszykluskostenanalysen gefordert werden (4) und andererseits auf Energiedienstleistungen setzen wie oben beschrieben und dafür sorgen, dass sich derartige Angebote am Markt verbreiten.

Schlussfolgerung
Nachhaltiges Bauen ist um eine Facette reicher geworden. Waren die Kennwerte bisher vor allem darauf ausgelegt, die Betriebsenergie zu minimieren, so geht es jetzt auch mehr um die tatsächliche Erneuerbarkeit dieser Energie. Das Passivhaus Institut hat mit seinen neuen Klassen Classic, Plus und Premium bereits neue Anforderung gesetzt. Im klimaaktiv Gebäudestandard ist CO2 seit Beginn an ein Kriterium, die Berechnung mit den OIB Faktoren gibt zumindest einen ungefähren Anhaltspunkt zu den Klimabelastungen. Speichermöglichkeiten gibt es in und um jedes Gebäude, mit guter Planung können sie für Jahrzehnte nutzbar gemacht werden. Effiziente Wärmepumpen brauchen Niedertemperaturheizungen und sollten „netzdienlich“ betrieben werden können. Die Dekarbonisierung sollte zumindest im Neubau kurzfristig zu schaffen sein!

 

Quellen:
(1) Energiezukunft Österreich, Szenario für 2030 und 2050 [Veigl, 2015].
(2) http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erneuerbare_energien/waermepumpen/basis_und_zusatzfoerderung/lastmanagement.html
(3) iWPP-Flex: Intelligentes Wärmepumpen-Pooling als Virtueller Baustein in Smart Grids zur Flexibilisierung des Energieeinsatzes Tara Esterl, AIT Austrian Institute of Technology GmbH; VERBUND, http://www.nachhaltigwirtschaften.at/iea_pdf/events/20160622_highlights_der_energieforschung_2016_vortrag_esterl.pdf
(4) http://diepresse.com/mediadb/Positionen_2016_02.pdf