Nachhaltiges Bauen – die größten Vorurteile und Ihre Richtigstellung

Die wesentlichsten der hartnäckigen Vorurteile und Irrtümer hat die Medienstelle für Nachhaltiges Bauen nachfolgend richtiggestellt.

 

1 – Energieeffizienz bringts nicht – oder doch?

Dass nachhaltiges, energieeffizientes Bauen und Sanieren, insbesondere Wärmedämmung, bei Gebäuden wirkt und wie das geschieht, ist schon vor einigen Jahrzehnten an bauphysikalischen Instituten genau berechnet und gemessen worden. Auch alle seriösen Studien und Untersuchungen an bestehenden Gebäuden sowie tausende energieeffiziente Gebäude belegen das.

Aber wird die geplante, errechnete Energieeinsparung auch in der Praxis erreicht? – Diese Frage stellte sich unter anderem eine Studie der deutschen Energieagentur dena 2013, die die Daten von insgesamt 63 thermisch sanierten Gebäuden über mehrere Jahre hinweg untersuchte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einem berechneten Endenergieverbrauch von 223 kWh/(m2a) im Mittel vor der Sanierung und einem prognostizierten Bedarf von 45 kWh/(m2a) im Mittel nach der Sanierung wurde eine Energieeinsparung von 80 Prozent angestrebt. Nach der tatsächlichen Sanierung wurden schließlich im Mittel ein Energieverbrauchskennwert von 54 kWh/(m2a) und eine durchschnittliche Energieersparnis von 76 Prozent erreicht.

Negativ beeinflusst wurde das Ergebnis vor allem durch wenige Einzelfälle, die das Sanierungsziel deutlich verfehlten. Das kommt leider auch vor: Erste Voraussetzung für das Funktionieren von energieeffizienten Maßnahmen bei Neubau wie bei Sanierung ist eine fachlich korrekte Umsetzung. Immer wieder kommt es jedoch bei der Ausführung zu Fehlern, die dazu führen, dass der Einspareffekt geringer ist, als prognostiziert. Ebenfalls negativ auf die erwartete Energieeffizienz kann sich das Nutzerverhalten auswirken. Alte Gewohnheiten, wie etwa langes Lüften oder das Abschalten der Wohnraumlüftung, wirken sich kontraproduktiv aus und müssen erst abgelegt werden. Generell muss zudem zwischen Energiebedarf (geplant) und Energieverbrauch (real) unterschieden werden.

Die groesten Vorurteile-1

Quelle: Deutsche Energieagentur, Auswertung von Verbrauchskennwerten energieeffizient sanierter Wohngebäude.
Berlin 2013.

2 – Energieeffizienz rechnet sich nicht – oder doch?

Die Frage, ob sich die Mehrkosten für nachhaltiges Bauen und Sanieren auch finanziell rechnen, ist ebenfalls mehrfach durch Studien und Untersuchungen positiv beantwortet. Ganz besonders gilt es hier die Lebensdauer eines Gebäudes sowie die Entwicklung der Energiekosten zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sind alle Maßnahmen bis zu einem gewissen Grad wirtschaftlich, in welchem Ausmaß entscheiden aber die Rahmenbedingungen und umgesetzten Maßnahmen. Ganz besonders rechnet sich etwa eine Wärmedämmung eines alten Hauses, dessen Fassade sowieso saniert werden müsste.

Ein klares Bild sprechen schon die Vergleichszahlen für den Heizwärmebedarf:

  • Durchschnittlicher Altbestand: 150-250 kWh/m².a
  • Neubau 1999: 75-90 kWh/m².a
  • Zeitgemäßer Neubau: Etwa 50-65 kWh/m².a
  • Niedrigenergiehaus: zwischen 20 und 50 kWh/m².a
  • Passivhaus: unter 15 kWh/m².a

Pauschale Aussagen zur Wirtschaftlichkeit sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da die Bedingungen – Höhe der Investition, Bauweise bzw. Bausubstanz, Heizungsart etc – nicht direkt miteinander vergleichbar und künftige Energiepreise schwer zu erraten sind. Abseits des ökologischen Faktors sind aber auch Aspekte wie Wertsteigerung der Immobilie und deutlich gesteigertes Wohlbefinden von klarem Vorteil.

Eine Berechnung, welche Einsparung durch Sanierung möglich ist, hat das Forschungsinstitut für Wärmeschutz FIW in München angestellt. Als Beispiel diente ein Einfamilienhaus aus der Gebäudealtersklasse 1968 bis 1979 (inkl Schwankungsbereich).

Jährlicher Heizwärmebedarf

Nur Instandsetzung

Niedrigenergiehaus

33.398 [kWh/a] (von 29.693 bis 37.103)

3.708 [kWh/a] (von 2.873 bis 4.542)

Sanierungskosten

Nur Instandsetzung

Niedrigenergiehaus

41.032 Euro (von 37.084 bis 48.928)

67.780 Euro (von 62.211 bis 78.919)

Mehrkosten

Niedrigenergiehaus

26.748 Euro (von 25.127 bis 29.991)

Jährliche Einsparung des Heizwärmebedarfs

Niedrigenergiehaus

29.691 [kWh/a] (von 26.820 bis 32.562)

Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis

Niedrigenergiehaus

0,90 [Euro/kWh a]

Amortisationszeit

Niedrigenergiehaus

7,1 Jahre (von 5,2 bis 11,4)

Quelle: Forschungsinstitut für Wärmeschutz München FIW, Wirtschaftlichkeit von wärmedämmenden Maßnahmen

3 – Dämmen ist gesundheitsschädlich – oder doch nicht?

Richtig ist, dass in allen Nutzgebäuden, egal ob gedämmt oder nicht gedämmt, Feuchtigkeit entsteht, die auf irgendeine Weise nach draußen gelangen muss. Schimmel bildet sich auch in Neubauten, die nach der Errichtung noch nicht vollständig ausgetrocknet sind, und ganz besonders bei sanierungsbedürftigen Gebäuden. Eine äußere Wärmedämmung – eine fachgerechte Planung und Durchführung der baulichen Maßnahmen vorausgesetzt – verringert die Wärmeverluste nach außen sehr stark und erhöht so die Oberflächentemperaturen der inneren Wände. Damit reduziert sie das Risiko der Schimmelbildung erheblich. Häufig ist Schimmelbildung auch auf das Nutzerverhalten zurückzuführen: Besonders bei neuen, dichteren Fenstern gilt es den Luftfeuchtegehalt zu beobachten und entsprechend zu lüften bzw. eine vorhandene Wohnraumlüftung zu nutzen.

Radonbelastung und ein damit verbundenes Krebsrisiko werden des öfteren der Dämmung zugeschrieben. Richtig ist jedoch, dass die radioaktive Strahlung durch das Edelgas Radon (Messeinheit Bequerel Bq) nicht durch Dämmung verursacht wird, sondern aufgrund natürlicher Vorkommen aus dem Erdboden in die Luft entweicht. Radonkonzentrationen werden jedoch auch in geschlossenen Gebäuden beobachtet, da sich das Gas hier anreichern kann. Schon vermehrtes Lüften des Raumes bzw. eine Wohnraumlüftung bringt im Normalfall eine ausreichende Wirkung. In Österreich gelten als Grenzwerte 200 Bq/m³ für den Neubau und 400 Bq/m³ für bestehende Gebäude. Man schätzt, dass österreichweit etwa fünf Prozent aller Wohnungen Radon-Konzentrationen von über 400 Bq/m³ aufweisen. Ab 100 Bq/m³ sollte nach der Ursache gesucht werden. Schutz kann etwa ein Abdichten des Kellers gegen die Erde sowie die Wohnräume bieten. Einen Überblick bietet die Radonkarte Österreichs: http://www.radon.gv.at/radonsuche.html

Ebenfalls gab es Bedenken wegen des Einsatzes von HBCD beim Dämmstoff EPS: HBCD (Hexabromcyclododecan) ist ein Flammschutzmittel, das seit Jahrzehnten bei Styropor-Dämmstoffen eingesetzt wird. Allerdings wurde HBCD als Reinstoff in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen und als persistenter organischer Schadstoff (POP) durch die UNEP Stockholm Konvention gelistet, daher darf HBCD in Europa nur noch bis 2017 (Übergangsfrist wurde verlängert) uneingeschränkt verwendet werden. Da HBCD vollständig im Kunststoff „eingebettet“ ist, würden die umweltrelevanten Eigenschaften nicht auf den Dämmstoff übertragen, so die Industrie. Styropor stellt laut Experten somit keine Gefahr für Menschen oder die Umwelt dar. Ein Gutachten des Fraunhofer Instituts für Bauphysik habe gezeigt, dass Dämmstoffe aus Styropor das Flammschutzmittel HBCD weder in die Luft noch ins Wasser emittieren. Künftig soll das  alternative Flammschutzmittel pFR zum Einsatz kommen.

Die meisten österreichischen Hersteller von EPS-Wärmedämmplatten haben den Umstieg bereits mit Jänner 2015 vollzogen. Heimische EPS-Produkte der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (Marken Austrotherm, Austyrol, Bachl, Modrice, Röhrnbach, Brucha, EPS Industries, Flatz, Hirsch, Steinbacher, Swisspor)  sind damit HBCD-frei. Ein aktueller Prüfbericht des Umweltbundesamtes über zehn übermittelte Proben liegt der Medienstelle vor.

4 – Dämmen bietet schlechten Brandschutz – oder doch nicht?

Die Brandschutzklasse und damit das Brandverhalten ist nach europäischer Norm (DIN EN 13501) eindeutig geregelt. Dämmstoffe unterscheiden sich hier in keinster Weise von anderen Baumaterialien. Für den Einsatz von Dämmstoffen gilt die Mindestanforderung „normal entflammbar“ und darüber hinaus die Klasse bis zu „nicht brennbar“. Verschärfte Vorschriften gelten etwa bei Fluchtwegen oder öffentlichen Gebäuden, in denen nur nicht brennbare Baustoffe (Klasse A1, A2) verwendet werden dürfen. Bei Brandereignissen, die mit Dämmung in Zusammenhang gebracht wurden, lagen meist – wie viele Fälle bestätigte – Baumängel vor.

5 – Mehr Öl in der Fassade als eingespart wird – oder doch nicht?

Die Beantwortung dieser Frage liegt in der Energie- und Umweltbilanz. Je nach Dämmmaterial und Dämmeffizienz fallen diese unterschiedlich aus. Die Frage, ob sich der Einsatz von Dämmen ökologisch lohnt, kann aber klar bejaht werden. So hat das Karlsruher Institut für Technologie die Ressourcen-Inanspruchnahme von Dämmstoffen über den gesamten Lebenszyklus und die positive Auswirkung auf die Umwelt gegenüber gestellt. Das Fazit: Die energetische und ökologische Amortisationszeit eines Einsatzes von Dämmstoffen liegt unter zwei Jahren, eine Wärmedämmung ist aus Sicht einer Primärenergie- und Klimagasbilanz sehr sinnvoll. Sprich: Nicht zu dämmen ist umweltschädlich.

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Dargestellt wird der ökologische bzw. energetische Aufwand für eine Wärmedämmung eines
Einfamilienhauses mit EPS. Der U-Wert versteht sich als Mittelwert für die Außenwand.

6 – Dämmstoffe sind der Sondermüll der Zukunft – oder doch nicht?

Insbesondere Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) werden hinsichtlich Lebensdauer und Entsorgung manchmal skeptisch beäugt. Ihre Haltbarkeit wird inzwischen auf rund 50 Jahre geschätzt: Erste WDVS wurden 1957 in Berlin verlegt und sind noch immer funktionstüchtig. Trotzdem ist klar, dass Wärmedämmung nach einigen Jahrzehnten ersetzt werden muss. Im Idealfall wäre Dämmung einer Wiederverwendung, oder wenigstens dem Recycling zuzuführen.

Eine Wiederverwendung ist zumindest bei WDVS aufgrund der Klebung an die Fassade nach heutigem Stand der Technik nicht möglich. Auch wenn es erste Überlegungen zu WDVS mit eingebauten Sollbruchstellen gibt, die einen Rückbau erleichtern würden, so führt eine Demontage trotzdem in jedem Fall zu einer weitgehenden Zerstörung des Materials. Einige Unternehmen feilen aber bereits an Lösungen etwa unter Anwendung von Fräsen. Bei anderem Material wie Schüttdämmstoffen ist ein Rückbau bis zu 100 Prozent zur Wiederverwendung durchaus möglich. Problematisch ist die Wiederverwendbarkeit von Dämmstoffen mit dem Flammschutzmittel HBCD, das ab 2017 nicht mehr verwendet werden darf. Solche Dämmmaterialien können jedoch der energetischen Verwertung zugeführt werden.

Dieser Text wurde am 29.9.2015 aktualisiert

Quellen & Links:

Alle Angaben finden Sie auf der Webseite der Medienstelle unter www.nachhaltiges-bauen.jetzt bzw. können angefordert werden.