Ein Betrag von DI Johannes Fechner (17&4 Organisationsberatung GmbH)
Seit Jahren wird getrommelt: „Energieeffiziente Bauweise senkt den Energieverbrauch“. Was mit den Berechnungen für die Energieausweise auch eindrucksvoll nachgewiesen wird. Im Betrieb zeigt sich allerdings immer wieder, dass die tatsächlichen Energieverbräuche von einem Niedrigstenergie-Standard mehr oder weniger weit entfernt sind. Nicht immer ist das allein mit einem nicht normgemäßen Nutzerverhalten erklärbar. Baumängel und daraus resultierende Bauschäden gehören zum Alltag aller am Bau Beteiligten. Zur Abhilfe werden verbesserte Aus- und Weiterbildung angeboten. In der Realität finden sich auf der Baustelle viele ungelernte oder angelernte Arbeitskräfte. Dies betrifft in besonderem Maß die die Gebäudehülle, also die Dämmung, den Fenstereinbau und die Bauwerksabdichtung. Das sind zudem Bereiche, die für das Qualitätsziel Niedrigstenergie-Standard mitentscheidend sind. Man könnte darauf vertrauen, dass die Bauunternehmen geeignete Mitarbeiter einsetzen. Da es in dem Bereich keine Verpflichtung für ausreichende berufliche Bildung gibt, erweist sich das aber nicht als ausreichend. Qualität muss auf andere Weise sichergestellt werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Genau hier, bei Überprüfungen in verschiedenen Stadien des Bauprozesses, setzt das europäische Projekt newcom im Rahmen der BUILD UP Skills Initiative an. Eine Zusatz-Qualifizierung „Building Inspection“ wurde ausgearbeitet, diese wird nun erprobt, wie diese in bestehende Aus- und Weiterbildungen, z.B. Bauleitung und Polier, integriert werden können. Mit derartigen Qualifizierungen könnte auch Energieberatung verstärkt in der Qualitätssicherung tätig werden (was die Behörde auf Grund begrenzter Ressourcen nicht leisten kann). Besonders naheliegend ist die Einbeziehung von „Building Inspection“ für Projekte, die nach klimaaktiv oder anderen Gebäudestandards realisiert werden. In Diskussion ist auch, ob „Building Inspection“ von Förderstellen genutzt werden könnte, um die Wirksamkeit von Fördermitteln in Bezug auf die Energieziele zu verbessern. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Ausweitung von „Bau Coaching“, Dienstleistungen die z.B. in Kärnten schon förderfähig sind und die zur Unterstützung insbesondere von nicht professionellen Bauherrn dienen.
Grundsätzlich können verschiedene Arten von Überprüfungen unterschieden werden:
- Schreibtisch (Planungen) oder vor Ort
- obligatorisch oder freiwillig
- systematisch oder Stichproben
- Sicht- oder Funktion
- Selbst- oder Fremdprüfung
Am Beispiel der Luftdichtheit wird der Ansatz anschaulich:
Luftdichte ist laut Bauordnung sicherzustellen und für den Niedrigstenergie-Standard von entscheidender Bedeutung, in den üblichen Bauvollendungsanzeigen wird aber kein Nachweis verlangt. Es bleibt also dem Bauherrn überlassen, ob er oder sie diese Qualität tatsächlich einfordert oder nicht. Das Konzept „Building inspection“ sieht vor, dass (eine oder mehrere) qualifizierte Personen im Planungs- und Bauablauf auf die entscheidenden Punkte achten.
- Luftdichtheit beginnt mit einer Planungsaufgabe: Wurde eine durchgehende Luftdichtheitsschicht in Schnitt- und Grundrissplan festgelegt und auch in den Details inkl. Durchdringungen eingearbeitet, die Materialien festgelegt?´
- Finden sich in den Leistungsverzeichnissen die entsprechenden Positionen, sind Messungen (Verfahren 2 und 1 nach ÖNORM EN ISO 9972) vorgesehen?
- Ist das Luftdichtekonzept den ausführenden Firmen bekannt?
- Auf der Baustelle werden die plangemäße Ausführung sowie die Vorbereitungen und Verbesserungen im Zusammenhang mit der Überprüfungsmessung im qualifizierten Rohbauzustand überprüft.
- Das Protokoll der Abnahmemessung bestätigt als Funktionsprüfung das Erreichen des Qualitätszieles.
Das Modell „Building Inspection“ wird von Energie Agentur Steiermark gemeinsam mit 17&4 Organisationsberatung im laufenden EU-Projekt newcom jetzt in einer Pilotphase getestet.
Welche Fähigkeiten sollen mit dieser Qualifizierung bereitgestellt werden?
Für den Niedrigstenergie-Standard stehen neben der Luftdichte auch der Feuchteschutz und die Wärmebrückenfreiheit, sowie die Innenraumluftqualität im Fokus. Die Qualifizierung „Building Inspection“
- sorgt für Klarheit, wofür welche Qualitäten definiert sind (Gesetze, Normen, Vereinbarungen), wie die Verantwortlichkeiten verteilt sind, von wem die unterschiedlichen Qualitäten zu prüfen sind und welche Methoden anzuwenden sind.
- befähigt zum Erkennen von Mängeln auf der Baustelle und zur Interpretation von Messprotokollen
Ein dreitägiger Pilotkurs ist für Juni 2019 in Graz vorgesehen, eine externe Teilnahme ist, allerdings nur sehr eingeschränkt, möglich.
Projekt-Homepage: https://www.newcomtraining.com