COP21 – Bedeutung und Details aus österreichischer Sicht

Kommentar von Robert Lechner, ÖGNB

 

Sofortige Neuausrichtung

Die vor 100 Tagen erfolgten Beschlüsse von Paris verpflichten uns dazu, dass wir eine vollkommen neue technologische und gesellschaftliche Ausrichtung unseres Wirtschaftssystems brauchen. Das fossile Zeitalter geht zu Ende, unsere Gesellschaft muss künftig bis auf wenige Bereiche CO2-neutral wirtschaften.

Der ferne Umsetzungshorizont 2050 täuscht: Tatsächlich müssen wir mit der dringend notwendigen Neuausrichtung all unserer Systeme sofort beginnen. Diese Notwendigkeit trifft grundsätzlich auf alle Themen wie Mobilität, die Gestaltung des Energieversorgungssystems oder unsere extrem CO2-lastige Nahrungsmittelproduktion zu. Der Bausektor unterscheidet sich hierbei jedoch nochmals von den anderen Themen: Gebäude sind sehr lange im Wirtschaftssystem verbleibende Produkte. Wer heute baut oder saniert kann getrost davon ausgehen, dass die Konsequenzen daraus für das Jahr 2050 und darüber hinaus Relevanz haben.

Trend in falscher Richtung

Beachtet man den aktuellen Status des Gebäudesektors, so muss ernüchternd festgehalten werden: die tatsächlich vorhandenen technischen Standards, die Gestaltung des Fördersystems und der überwiegende Großteil der neu errichteten oder sanierten Gebäude ist weit davon entfernt „klimaneutral“ errichtet zu werden. Mehr noch: In einzelnen Bundesländern wird heftig an den Anforderungen für das Baurecht und die Wohnbauförderung herumgebastelt. Und zwar nicht, um diese Systeme im Sinne des Klimaschutzes zu verbessern: Der Trend geht genau in die andere Richtung. Beispielhaft sind hier der bereits im Jahr 2014 beschlossene Standardausstattungs-Katalog für die Wohnbauförderung in Oberösterreich und das erst mit Jahresende 2015 beschlossene Gesetz zu Schaffung einer Wohnbauinvestitionsbank zu nennen. Im Bereich der Wohnbaubank bleibt vollkommen offen, ob hier überhaupt an Vergabekriterien im Bereich Klimaschutz gedacht wird. Und im OÖ Standardausstattungskatalog für die Wohnbauförderung findet sich das Wort „Klimaschutz“ schlicht und ergreifend kein einziges Mal. Zum Thema Energieeffizienz wird lapidar festgehalten: „Dicke der allfälligen Wärmedämmung nur im erforderlichen Mindestausmaß zur Erfüllung der energetischen Mindestvorgaben.“

Umdenken erforderlich

Der aktuelle Mainstream geht eindeutig in die Reduktion der Qualitätsanforderungen für den Klimaschutz: Hauptargument dabei sind schon an Mantrarhetorik erinnernde Argumente rund ums Thema „leistbares Wohnen“. Energieeffizienz ist zu teuer, Barrierefreiheit ist zu teuer, Brandschutz ist zu teuer, ökologische Materialwahl ist zu teuer, umweltverträgliche Mobilität ist zu teuer. Und überhaupt: Am besten sollten sämtliche normative Vorgaben auf ein Minimum reduziert werden, der „Markt“ regle von selbst nach bestem Wissen und Gewissen das Notwendige. Spätestens hier muss von einer Allianz der Vernunft laut „Halt“ skandiert werden. Es war und ist noch immer genau dieser „vernünftige Markt“ der auf Kosten der Folgegenerationen einen Raubbau der Ressourcen ohne Rücksicht auf Verluste betreibt. Und es ist dieser „Markt“ der Grund dafür, dass wir uns überhaupt mit Fragen des Klimaschutzes auseinandersetzen müssen.

Desinformation & Desinteresse

Meine Empfehlung ist einfach: Hören wir auf, uns gegenseitig etwas vorzumachen. Große Teile der Bauwirtschaft sind an Energieeffizienz und Klimaschutz nicht interessiert. Sie finden die daraus erwachsenden Konsequenzen lästig. Und genau diese Akteursgemeinschaft betreibt seit einigen Jahren gezielt eine Politik der Desinformation, des Aufweichens bereits vorhandener Standards und des Verhinderns neuer Initiativen im Klimaschutz für die Bauwirtschaft.

Neue Standards & geringere Wohnflächen

Alle notwendigen Lösungen – sowohl technisch als auch ordnungspolitisch – sind seit bald zwei Jahrzehnten bekannt. Ganz einfach: Am Passivhausstandard oder besser wird jedenfalls im Neubau, wahrscheinlich auch in der Sanierung kein Weg vorbeiführen. Darauf sind sämtliche ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen abzustellen. Sparen? Auch hier gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, bei der eine wesentliche bislang gar nicht aktiv angegangen wurde: Gezielte Reduktion des Pro-Kopf-Verbrauchs an Wohnfläche. Noch im Jahr 1991 konnten wir hier von 33 m² pro Person ausgehen. Heute sind wir landesweit bei über 44 m². Anders ausgedrückt: Eine Reduktion der Wohnungsgrößen bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung im Energieverbrauch rechnet sich doppelt: Auf der einen Seite reduzieren wir damit den Ressourcenverbrauch um weit über 25 Prozent, auf der anderen Seite auch die Kosten fürs Bauen und Wohnen um einen ähnlich hohen Betrag. Dass die Förderung von Einfamilienhäusern damit Geschichte sein muss, versteht sich nahezu von selbst.

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