Der Gebäude-Standort als ökologischer Faktor

Kommentar von Andrea Kraft,  Energie und Umweltagentur NÖ eNu

„Wenn heute vom „nachhaltigen Bauen“ gesprochen wird, bezieht man sich in vielen Fällen auf energieeffiziente Gebäude, ökologische Dämmstoffe oder auch regenerative Energie für die Raumwärme. Nachhaltiges Bauen setzt aber bereits bei einer wesentlich früheren Stufe – bei der Entscheidung über die Art und Lage der „eigenen vier Wände“ – an. Grob gesprochen lässt sich somit die Entscheidung für ein nachhaltiges Gebäude mit drei Begriffen zusammenfassen: gut gedämmt, erneuerbar beheizt und nachhaltig gestaltet. Wobei gerade dem letzten Begriff, der nachhaltigen Gestaltung, eben der Art und Lage des Gebäudes, noch immer zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Gut gedämmt

Unwidersprochen ist die Nachhaltigkeit eines Gebäudes stark von der Qualität der umschließenden Flächen abhängig. Beim Neubau, wie auch bei der Sanierung eines bestehenden Gebäudes, ist somit auf ausreichende Wärmedämmwerte der Außenmauern und Fensterflächen zu achten. Wärmebrückenfreiheit und geringe Lüftungswärmeverluste durch eine dichte Hülle sind neben der Planung vor allem in der Ausführung wesentliche Parameter. Ökologische Dämmstoffe aus natürlichen Quellen wie Wolle, Flachs, Holzfaser oder Zellulose erfüllen auch hier den Anspruch auf Nachhaltigkeit.

Erneuerbar beheizt

Der zweite wesentliche Faktor bezieht sich auf die Wärmebereitstellung. Wärme, die einem Gebäude zur Beheizung und für die Warmwasserbereitung zugeführt werden muss, sollte jedenfalls aus regenerativen Quellen erfolgen. Eine breite Palette an Systemen, von Holz über Wärmepumpen und Solarthermie ist für diesen Bereich entwickelt worden und steht auf dem Markt zur Verfügung.

Nachhaltig gestaltet

Während die technischen Bereiche – Gebäudehülle und Haustechnik – bereits in unserem Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit Energie – weitgehend – verankert sind, hinkt die nachhaltige Gestaltung noch immer hinterher, obwohl dieser Bereich in der Priorität vorrangig zu behandeln ist: Ein energieeffizientes Gebäude „auf der grünen Wiese“ ist demgemäß kein positives Beispiel für Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Gestaltung richtet sich vor allem nach den Faktoren: Lage des Gebäudes, Flächenverbrauch und Wohnform.

Die passende Wohnform

Eine grundsätzliche Frage setzt sich mit den Überlegungen der eigentlichen Wohnform auseinander.
Die Entscheidungsmöglichkeit reicht vom freistehenden Einfamilienhaus, über den verdichteten Flachbau, individuelle Gemeinschaftsprojekte, innovative Neubausiedlungen bis zur weitgehend anonymen „Zelle“ in einer Wohnbauanlage. Es macht sich durchaus bezahlt, zu Beginn der Überlegungen diese Frage eingehend zu erörtern.
Das freistehende Einfamilienhaus wird vielfach als erstrebenswerte Wohnform gesehen, da es für den Besitzer/ die Besitzerin den höchsten Individualitätsanspruch erfüllt. Gleichzeitig ist aber mit dieser Wohnform der höchste Flächen- und Ressourcenverbrauch verbunden, was sich auch in den Kosten für die Erschließung und dem erhöhten Verkehrsaufkommen niederschlägt.
Der verdichtete Flachbau und auch viele individuelle Gemeinschaftsprojekte setzen dem Einfamilienhaus Raumkonzepte gegenüber, die dem individuellen Anspruch der BewohnerInnen auf konzentriertem Raum entsprechen, und zudem von der Eigenverantwortung bezüglich Wartung und Instandhaltung entlasten. Innovative Neubausiedlungen ermöglichen vielerorts individuelle Gestaltung der Wohnräume und bieten zudem unterschiedliche gemeinschaftlich nutzbare Flächen und Außenräume.

Flächenverbrauch – Quadratmeter sinnvoll nutzen

Neben der Frage der Wohnform ist auch die Frage der Menge an versiegelter Fläche entscheidend für die nachhaltige Gestaltung unseres Wohnraums. Der Begriff „Wohnnutzfläche“ an sich setzt die Bedingung der „Nutzbarkeit“ als Wohnraum voraus. Sinnvolle und durchdachte Planung erspart hier unnötige Quadratmeter, die eigentlich gar nicht der tatsächlichen Wohnnutzfläche dienen, sondern Schwachstellen der Planung durch leere Verbindungsflächen füllen.
Der Grund, warum sich unsere Wohnflächen seit 1980 beinahe verdoppelt haben, mag somit auch an der mangelnden sinnvollen Planung unserer Wohnräume liegen. Jeder Quadratmeter „mehr“ muss aber erschlossen, errichtet, beheizt, gewartet und auch wieder entsorgt werden. Gleiches gilt auch für Nebengebäude, Garagen, etc.
Der Faktor Fläche ist aus dem Grund entscheidend, da der zur Verfügung stehende Boden dafür eine endliche Ressource darstellt. Die Fläche für Bauland steht in Konkurrenz mit der für Nahrungsmittelproduktion, Verkehr, zu Produktion von Energie, und auch als Rückhaltefläche bei Unwettern.

Die Lage entscheidet

Mit der Lage des Gebäudes – im Zentrum oder auf der grünen Wiese – entscheidet der Bewohner/ die Bewohnerin grundlegend über die Nachhaltigkeit des Gebäudes.
Der Verkehr stellt neben der Raumwärme die größte Umweltbelastung gemessen am CO2 Ausstoß dar. Gute Erreichbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, fußläufige Anbindungen und kurze Wege für die tägliche Versorgung stellen somit ein wesentliches Qualitätskriterium eines nachhaltigen Gebäudes dar.
Das Bundesland NÖ hat auf diese Verknappung mit einem eigenen „Energieausweis für Siedlungen“ reagiert, der die Gesamtenergieeffizienz von Siedlungen deutlich macht. Lage und Größe der Gebäude sind hier entscheidende Faktoren. Der Vorteil für die BewohnerInnen wird schnell deutlich: geringe Aufschließungskosten, kurze Wege, geringe Instandhaltungskosten.

Nachhaltiges Bauen ist somit die Auseinandersetzung mit einer Summe an Faktoren, das bereits vor der ersten Entwurfsplanung oder der Entscheidung über Dämmstandard beginnt. Verschiedene Nachweise, wie der „klimaaktiv Standard“, oder auch die Initiative „ausgezeichnet gebaut in NÖ“ haben das Thema der nachhaltigen Gestaltung bereits aufgenommen, und versuchen, diesen Aspekt auch sichtbar zu machen.

Tatsächlich liegt es an uns – als private Entscheidungsträger – unseren Wunsch nach Wohnraum nachhaltig zu gestalten. In dem Bewusstsein, dass wir mit der Entscheidung, wo und in welcher Qualität wir wohnen, auch über die Lebensqualität zukünftiger Generationen entscheiden.“

Porträtfoto