Neben der heurigen Expertenbefragung „Zukunft Bauen“ bestätigt auch eine Studie des Energieinstituts Vorarlberg die Rolle der Energieeffizienz für die Leistbarkeit.
Warum steigen die Wohnungskosten? Das hat wenig mit dem Bauen selbst zu tun. Größte Kostentreiber – neben fehlender Planung – sind Grundpreise und andere marktbedingte Faktoren:
- Die Bevölkerung wächst und braucht mehr Wohnraum.
- Das Angebot ist nicht ausreichend groß.
- Vorhandene Wohnungen kommen nicht auf den Markt.
- Wegen der Zinssituation sind Vorsorgewohnungen und Immobilieninvestition zunehmend gefragt.
Wir erleben also einen typischen Verkäufermarkt: die Nachfrage ist größer als das Angebot, demnach ist das Güterangebot relativ knapp, und die Preise haben die Tendenz zu steigen.
Billiger bauen als Abhilfe?
Würde es helfen, zwecks Senkung der Baukosten bei der Energieeffizienz zu sparen? Die klare Antwort ist: Nein. Vielmehr ist Energieeffizienz ein stabilisierender Faktor, wenn man die Lebenszykluskosten betrachtet. Das bestätigen die Aussagen der Expertenbefragung „Zukunft Bauen“ nachdrücklich:
79 Prozent der Befragten halten die Lebenszyklus-Kosten für wichtig: ‚Leistbarkeit muss alle Kosten über den ganzen Lebenszyklus erfassen: Bauen, Betrieb und Erhaltung, Renovierung (und Umgestaltung), Abriss, Wiederverwertung, Entsorgung.‘ (Note 1,66). Sogar 86 Prozent meinen, primär braucht man ein umfassendes Konzept: ‚Wird beim Gebäudekonzept gespart, etwa bei Gebäudehülle, Lüftung, Sonnenschutz, führt das langfristig zu Mehrkosten und/oder Komfortverlust.‘ (Note 1,60). Die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel wünschen sich drei Viertel zurück (Note 1,79).
Letztgereiht findet sich die Frage, ob ‚heutige Ausgaben schwerer wiegen als zukünftige Ersparnisse‘. Die unentschiedene Durchschnittsnote (3,08) verbirgt eine Polarisierung, denn Zustimmung / Ablehnung sind mit 37,1 / 41,2 Prozent der Antworten etwa gleich groß.
Lieber gut investieren als später draufzahlen
Die EIV-Studie „KliNaWo“ (siehe Anhang) unterstreicht diese Ergebnisse der Expertenbefragung:
- Die (geringen) Mehrkosten hocheffizienter Gebäudevarianten werden im Lebenszyklus durch geringere Betriebskosten mehr als kompensiert.
- Die Kostenoptima des Primärenergiebedarfs liegen – auch ohne Förderung – weit unter den derzeitigen und den geplanten Grenzwerten der Bauordnungen und der Wohnbauförderungen
- Lebenszykluskosten sollten verstärkt als Entscheidungskriterium herangezogen werden.
Das magische Dreieck „Leistbarkeit – Energieeffizienz – Baukultur“
Auch für das Querschnittsthema Baukultur wurde vermutet, dass es zu den anderen Themen quer liegen könnte. Die Expertenbefragung hat ausdrücklich danach gefragt: Die Aussage ‚Leistbarkeit, Energieeffizienz und Baukultur gehören zu den vielfältigen Rahmenbedingungen einer guten Planung und sind zu berücksichtigen.‘ findet 87,9 Prozent Zustimmung mit Note 1,54.
69,3 Prozent der Befragten meinen, dass ‚Leistbarkeit und Energieeffizienz „gut zu vereinbaren“ sind‘ (Note 2,17). Wie immer wurden klimaaktiv-Partnerinnen/Partner und Nicht-Partner auch getrennt ausgewertet: Bei diesem Punkt ist die Zustimmung der klimaaktiv-Gruppe um eine halbe Note höher!
Energieeffizienz ist ein Sanierungsthema
Im Neubau fallen bei frühzeitiger ganzheitlicher Planung kaum noch relevante Mehrkosten an. Die Sanierung hingegen bleibt eine Herausforderung, Planung und Ausführung sind aufwändig, und Förderung, etwa durch den Sanierungsscheck, bietet wenig Anreiz. Das meinen jedenfalls die Befragten, und sehen die Förderstellen unter Zugzwang: jeweils 76 Prozent stimmen den folgenden beiden Aussagen zu:
‚Die Sanierungsrate steigt viel zu langsam und liegt deutlich unter den Erwartungen‘ (Note 1,89) und ‚Die ‚staatliche Förderung für thermische Sanierung muss massiv ausgebaut werden, um die Sanierungsrate zu erhöhen und die Qualität zu steigern‘ (Note 1,93).
Die drei weiteren Aussagen polarisieren stark:
‚Maßnahmen wie Dämmung im Übermaß oder zwangsweise Lüftung haben mehr Nachteile als Vorteile und rechnen sich nicht.‘ bekommt 42,8 Prozent Zustimmung und 41,4 Prozent Ablehnung (Note 3,00).
Sind nun die Anforderungen zur Energieeffizienz (im Neubau) zu gering oder zu hoch?
Um möglichst klare Antworten zu bekommen, haben wir separat gefragt:
‚Die Anforderungen … sind zu gering‘ findet mit jeweils 36,6 Prozent gleichermaßen Zustimmung und Ablehnung (Note 3,03). ‚Die Anforderungen … sind zu hoch‘ bejahen ein Drittel (33,6 Prozent), während beinahe die Hälfte (47,8 Prozent) nicht zustimmt, also höhere Anforderungen befürwortet. In Summe ergibt sich ein Übergewicht für höhere Anforderungen von 84,4 zu 70,2.
Auch bei dieser Frage zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen klimaaktiv-Partnerinnen/Partnern und Nicht-Partnern. Den Aussagen 1, 2 und 4 stimmt die klimaaktiv-Gruppe mehr zu als die übrigen Befragten, 3 und 5 hingegen weniger. Bei allen fünf Themen unterscheiden sich die Bewertungen signifikant!
Kostenoptimalität
Die Berechnung der ‚Kostenoptimalität‘ berücksichtigt Faktoren wie Lage, Gebäudetypen und Energiepreise. Laut „Zukunft Bauen“ sind die wichtigsten Einflussgrößen Politik und ‚die Märkte‘.
80 Prozent stimmen zu, dass ‚Die neuen Klimaziele – Energieverbrauch minus 40 % bis 2030 – noch konsequentere Vorgaben für Energieeffizienz und erneuerbare Energie im Gebäudebereich erfordern.‘ (Note 1,63); 73 Prozent meinen ‚Die derzeit niedrigen Energiepreise für fossile Energie verfälschen die Erwartungen und führen so zu falschen Investitionsentscheidungen.‘ (Note 1,69).
Nur etwas weniger hoch ist die Zustimmung für ‚Bei einem Betrachtungszeitraum von 30 Jahren liegen energieeffiziente Gebäude (das sind zumindest Niedrigstenergiegebäude) im kostenoptimalen Bereich.‘ (Note 1,95) und ‚Die Förderungen für Neubauten und Sanierungen sollen sich vermehrt dem Thema Kostenoptimalität und Lebenszykluskostenbetrachtung (LCC) widmen.‘ (Note 2,02).
Klimaschutz: 84 % gegen Ölheizung im Neubau, 56 % gegen Gas
Die Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2° Celsius, möglichst nur 1,5°, wurde bei der Pariser Klimakonferenz COP21 vorgegeben und von der EU am 4.11. beschlossen. Daher soll bis 2050 auch die Verwendung der fossilen Energieträger drastisch reduziert werden. Dementsprechend meinen 84 Prozent ‚Ölheizungen sollen bei Neubauten (egal ob gefördert oder freifinanziert) nicht mehr zur Anwendung kommen.‘ (Note 1,60), und auch für ‚Gasheizungen‘ meinen das bereits 56 Prozent (Note 2,50). Eine aktuelle Studie (siehe Anhang 2) unterstreicht das: „Billiges Erdgas würde dazu führen, dass bis 2050 sogar mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als heute.“
Fast 60 Prozent der Expertinnen und Experten befürworten ‚Die energetischen Anforderungen bei Neubauförderungen sollten weiterhin deutlich (mind. 25%) über den Bauordnungsstandards liegen.‘ (Note 2,39), ebenso viele widersprechen der Aussage ‚Fossile Energieträger können vor 2050 nicht ersetzt werden, weil unsere Lebenssysteme danach ausgerichtet sind.‘ Das heißt, 57 Prozent halten Fossile Energieträger vor 2050 für ersetzbar, nur 27 Prozent nicht.