Kommentar von Renate Hammer, Institute of Building Research & Innovation
Das österreichische Institut für Bautechnik legt Vorgaben zur Erreichung von Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, verbindlich für das Baugeschehen auch abseits der speziellen Ambition der Nachhaltigkeit fest. Was also eine allgemein verbindliche Grundlage schafft, sollte im Sinne langfristiger Zukunftsfähigkeit besonders und ernsthaft berücksichtigt und aktiv weiter entwickelt werden. Bauen, das die Gesundheit der Bewohner nicht fokussiert, konterkariert die Idee der Erhaltung und Erweiterung von Handlungsspielräumen und damit einen Grundgedanken der Nachhaltigkeit. Wenn wir Zukunft positiv gestalten wollen, impliziert das den Beitrag des Bauens zu einer gesunden Lebensweise. Nachhaltiges Bauen und Sanieren muss gesund sein, – ansonsten würde „Etikettenschwindel“ betrieben.
Umso erstaunlicher ist die oftmalige Nachordnung der menschlichen Gesundheit gegenüber anderer Aspekte, etwa wenn Gebäude vom Straßenraum abgeschottet werden und dadurch Potentiale an natürlicher Belichtung und Belüftung ungenutzt bleiben müssen, um Bewohner vor Lärm und Feinstaub zu schützen. Einzig gangbar im Sinne von Gesundheit, Zusammenleben und Energieeffizienz wäre eine grundlegende Neuorganisation des Verkehrs, um Außenräume vollwertig und gleichberechtigt nutzbar für alle zu machen.
Aber auch eine Professionalisierung des Erkenntnisaustauschs zwischen Medizin und Bauwesen, wäre speziell notwendig. Architektur und Bauphysik sind hier gefordert, sich mit mehr zu befassen als der Verhinderung des Auftretens des Sickbuildingsyndroms. Gebautes darf nicht nur nicht krank machen sondern kann auch bewusst gesundheitsförderlich geplant werden. Vielfach medizinisch nachgewiesene Aspekte der gesundheitlichen Prävention, wie die Gewährleistung nächtlicher Temperaturabsenkung, die Versorgung mit ausreichend vollspektraler solarer Strahlung oder die Möglichkeit Ausblick auf einen Baum zu haben, werden aber immer noch negiert, als halbwissenschaftlich und deshalb vernachlässigbarer diffamiert oder als Luxus abgetan, der weiterer Effizienzsteigerung im Wege steht. In dieser Hinsicht müssen wir Planer besonders, wenn wir eine umfassend nachhaltige Entwicklung vorantreiben wollen, aktiv Neues lernen.
Vielleicht ist im Sinne der Gesundheit auch einiges an innenräumlicher Komfortoptimierung zu hinterfragen, beispielsweise, wenn nicht mehr fixe nummerische Vorgaben sondern humanadaptive und klimasensitive Modelle zur Zieldefinition von Temperaturniveaus herangezogen werden. Hier ließen sich Synergien zwischen Gesundheitsprävention und energetischer Optimierung entsprechend der Idee umfassender Nachhaltigkeit finden, und auch hier liegt bereits genug Grundlagenwissen und der entsprechende legislative Rahmen vor.