Kommentar von Franziska Trebut, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT
„Die Diskussion um mehr oder weniger Energieeffizienz im Gebäudesektor ist von einer latenten Skepsis gegenüber den eingesetzten Materialien und technischen Komponenten geprägt. Verständlicherweise gibt es hohes Interesse daran, dass Räume, in denen Menschen sich viele Stunden am Tag wohnend und arbeitend aufhalten, neutral oder sogar förderlich auf Gesundheit und Wohlbefinden wirken. Hinsichtlich der Raumluft zeigt sich besondere Verunsicherung. Hat doch der Mensch selber sehr beschränkte Sensorik, um deren Qualität differenziert zu beurteilen: „Wohlgerüche“ sagen meist wenig über die gesundheitlich relevante „Qualität“ der Luft aus, gefährdende Substanzen nehmen wir vielfach erst wahr, wenn sie das Verträgliche um ein beträchtliches Maß überschritten haben. In modernen Gebäuden gibt es neben der weit verbreiteten manuellen Lüftung (NutzerInnen öffnen und schließen die Fenster) daher auch technische Komponenten, verschiedene Formen der mechanischen Lüftung, die im Idealfall entsprechend regelmäßiger Messwerte aus dem Innenraum die verbrauchte Luft absaugt und die erforderliche Frischluftmenge bereitstellen. Ist das Gebäude mit nachhaltigen Baumaterialien errichtet, geht es bei der Abluft vor allem um den CO2 Gehalt aus der Atemluft des Menschen und um Feuchtigkeit, die in den Räumen durch verschiedenste Nutzungen entsteht.
Im Passivhaus kann eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung sogar die konventionelle Heizung ersetzen. Diese durchaus effizienzsteigernde Tatsache verstellt in Punkto Lüftungsanlage allerdings den Blick auf das Wesentliche: Es ist dies eine Anlage, um ausreichend Frischluft in dichten Innenräumen bereitzustellen. Da die Räume in einem hochenergieeffizienten Gebäude zusätzlich über sehr gut gedämmte Fenster, Wände, Decken und Böden verfügen, kann durch Wärmerückgewinnung aus der Abluft und Vorwärmung der Frischluft die Komfortlüftung auch als Heizung ausreichend sein.
Dichte Gebäudehüllen sind am Bau seit Jahren State of the Art. Auch von Kritikern des energieefizienten Bauens werden Qualitäten ausgeführt, die zwar nicht den Anforderungen hochenergieeffizienter Gebäude entsprechen aber es faktisch kaum möglich machen, beispielsweise in kleinen Schlafräumen im Winter durch mechanisches Lüften für ausreichend gute Luft zu sorgen. Es sei denn, das Fenster bleibt dauerhaft geöffnet, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Raumtemperatur. Tirols größter gemeinnütziger Bauträger, die Neue Heimat Tirol, hat vor einigen Jahren in einer breit angelegten Studie bei zwei eigenen Wohnhausanlagen (mit und ohne Komfortlüftung) im Winter die Raumluftqualitäten gemessen. In der Wohnanlage ohne Komfortlüftung wurden unbedenkliche CO2 Werte nur in Räumen gemessen, in denen die Fenster dauerhaft geöffnet waren, bei gleichzeitigen Raumtemperaturen von unter 15 Grad Celsius.
Jahrhunderte lang hat der Mensch Räume mit Einzelöfen beheizt, die für den Verbrennungsprozess den Sauerstoff aus der Raumluft benötigten und einen Sog erzeugten, der neuen Sauerstoff durch die sehr undichten Fenster nachströmen lies. Aus Komfortgründen haben wir uns bereits vor Jahrzehnten von diesem System verabschiedet, zugunsten einer thermostatgeregelten Zentralheizung. Die Zentrallüftung ist lediglich deren konsequente Entsprechung, auch aber nicht nur aus Gründen der Energieeffizienz.
Es gibt einen Gebäudetyp, dem Komfortlüftungsanlagen unabhängig von jeglicher Energieeffizienzdebatte jedenfalls anzuraten sind: Schulen. In Klassenräumen übersteigt bereits nach 15 Minuten der CO2-Gehalt der Luft die empfohlenen Grenzwerte, Konzentration und Leistungsfähigkeit lassen nach. Ich würde beispielsweise SchülerInnen der 7. Klassen ermutigen, bei der Zentralmatura entsprechende Messgeräte in den Klassenräumen aufzustellen und die Aufsichtspersonen bitten, durch mechanisches Lüften für eine Raumqualität zu sorgen, die hohe Leistungsfähigkeit gewährleistet. Im Sinne der Chancengleichheit zu MaturantInnen an Schulen mit Komfortlüftung.“
Gute Luft für Alle.