Ökologische Amortisation von Dämmung bei hocheffizienten Gebäuden

Kommentar von Robert Lechner, Österreichisches Ökologie Institut ÖÖI

Im gedämmten Haus ist mehr Öl in der Fassade, als jemals eingespart werden kann! Ein Satz, der in den letzten Jahren in der Architekturszene und der Bauwirtschaft zum Kultklassiker heranwachsen durfte. Fast so gut wie: Im Spinat ist ganz besonders viel Eisen. Sager wie diese haben eine gemeinsame Eigenschaft: Einmal markig gesagt, gut für die Zielgruppe aufbereitet und vielfach danach verbreitet tragen sie wesentlich dazu bei, dass sie Teil der Alltagsmeinung werden. Und geben wir das doch zu: Für die meisten von uns irrt die Mehrheit nicht; und „irgendwas“ muss da schon dran sein. Hinsichtlich des Energieinhalts in Dämmstoffen jeglicher Art, also vom nicht gerade populärem EPS (umgangssprachlich: Styropor) über die schon weniger angefeindete Mineral- oder Glaswolle (das hört sich zumindest natürlicher an) bis hin zu den immer stärker verbreiteten Dämmstoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen oder Recyclingprodukten (quasi sicher „öko“) darf eines festgehalten werden: Die für die Rohstoffgewinnung, Produktion, dazwischen liegende Transportwege, den Ein- und Ausbau und die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus benötigte „graue“ Energie ist bei weitem geringer, als die Energie, die durch die Verwendung dieser Dämmstoffe im Gebäudebereich in der Regel eingespart wird. Die energetische und ökologische Amortisierung der Dämmstoffe von Niedrigstenergiegebäuden beträgt in der Regel wenige Monate bis maximal zwei Jahre. Wie ist das aber bei hocheffizienten Gebäuden, wie sie durch das Passivhaus definiert werden?

Wird ein gesamtes Gebäude (also mit der thermischen Hülle, allen Innenwänden, Erschließungen und Decken) für eine Lebensdauer von 100 Jahren bilanziert, so beträgt der Primärenergieinhalt je nach Konstruktion zwischen 15 und 40 kWh pro Quadratmeter Bruttogrundfläche und Lebensjahr – alle dazwischen notwendigen Instandhaltungsarbeiten und Erneuerungen inklusive. Das CO2-Potential (Global Warming Potential – GWP100) für dieses Bauwerk macht rund drei bis fünf Kilogramm CO2 pro Quadratmeter BGF und Jahr aus. Die Dämmung für ein derartiges Bauwerk hat bei strenger Bewertung in einer solchen Bilanzierung einen Anteil von 10 bis 25 Prozent (CO2) – alle Erneuerungszyklen inkludiert. Ein hocheffizientes Gebäude ist auch bei kritischer Bilanzierung in der Lage, gegenüber einem Standardgebäude nach Baurecht zumindest 30 kWh Wärme pro Quadratmeter und Jahr einzusparen. Je nach verwendeten Energieträger entspricht dieser Mehrverbrauch einem Primärenergieinhalt (gesamt) von etwa 30 kWh (Fernwärme mit hocheffizienter Kraftwärmekopplung Standard) bis knapp unter 60 kWh (Strommix Österreich). Hinsichtlich der CO2-Bilanz könnte nur die Biomasse mit der Energieeinsparung konkurrenzfähig sein. Hier ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit eine flächendeckende Abdeckung des Wärmebedarfs Österreichs mit Biomasse realistisch ist, ohne dass hier Versorgungsengpässe oder Belastungen der Umwelt aufgrund erhöhter Holzentnahme fürs Heizen auftreten würden.
Insgesamt bleibt festzuhalten: Die Reduktion des Energieverbrauchs durch Dämmung ist sowohl hinsichtlich des Primärenergieverbrauchs als auch der CO2-Einsparung im wahrsten Sinne des Wortes wärmstens zu empfehlen.

PS: Der Eisengehalt von Spinat ist nicht höher als in den meisten anderen Lebensmitteln.

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