Traditionelle Bauweise und Nachhaltigkeit

Kommentar von Johannes Kislinger,  Innovative Gebäude 

„Alt und Neu müssen einander nicht zwingend im Weg stehen. Was die Bautradition und Nachhaltiges Bauen betrifft gibt es kaum größeres Potential für Konflikte. Während der Bauprozess nach altem Muster von Generation zu Generation ohne gröbere Kritik und mit nicht weiter nennenswerten Verbesserungen weitergegeben wurde, fordert Nachhaltiges Bauen dem Bauherren und auch den Ausführenden einiges ab. Alles, was als bisher üblich und verlässlich galt wird hinterfragt: Nachhaltiges Bauen geht an den Ursprung zurück, setzt dort an, wo Material entsteht – lange bevor sich Routinen über Jahrhunderte festgesetzt und das Neudenken verhindern haben.

Gleichermaßen sind beim Nachhaltigen Bauen Handwerk und Technik gefordert, das Einfachste mit dem höchsten Stand der Technik zu vereinen. Einfache, nachhaltige Materialien werden so zu dem hochwertigsten veredelt, was die Errungenschaften von Wissenschaft und Forschung unsere Zeit bieten können. Während man in der traditionellen Bauweise vermeintlich „auf Nummer Sicher geht“ – weil es „ja immer schon so gemacht worden ist“ – ob es auch tatsächlich gut ist wird nicht hinterfragt – dabei ist Bauen keine Glaubensfrage.

Die Herausforderung besteht darin, die traditionelle Bauweise mit vermeintlicher Nachhaltigkeit zu kombinieren: Als wollte man in eine High-Tech Maschine nach altem Muster ein mit grobem Werkzeug hergestelltes Zahnrad einsetzen – es kann nicht funktionieren, weil die einzelnen Komponenten nicht aufeinander abstimmbar sind. Scheitern ist unter diesen Voraussetzungen vorprogrammiert.

Was bei einem Uhrwerk jedem einleuchtet soll im Bauwesen nicht gelten? Was nützt es, hochwärmegedämmte Fenster in ein undichtes Gebäude einzusetzen, dann die Außenwände mit billigstem Materialien zu dämmen, die Lüftung einzusparen um letzten Endes einen Berg Sondermüll zu produzieren, dessen Entsorgung nicht nur teuer sondern auch gefährlich ist, wenn der Lebenszyklus des Gebäudes endet? Nachhaltig bauen heißt zu den Anfängen zurückzukehren: Welche Materialien sind nachhaltig, das heißt aus erneuerbaren Energiequellen, rezyklierbar, gesund und natürlich – also ökologisch? Viele Techniken wurden im Laufe der Jahrhunderte entwickelt – diese Fertigkeiten macht sich die Nachhaltige Baubranche zunutze.

Unserer Leuchtturmprojekte beweisen, dass ein grundlegendes Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergrundwissen auch für den Auftraggeber unerlässlich ist. Sind die Grundlagen verstanden worden ist es ein Leichtes, sich von vorgefassten Meinungen und niemals hinterfragten Traditionen im Bau zu trennen – was bleibt ist die Begeisterung für Nachhaltiges Bauen und der Wille, es wirklich „richtig“ zu machen.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen hochwertigen Gebäuden und Produktherstellern, Planern, Baustoffen und Produktionstechniken. Nachhaltigkeit bedeutet auch, Bauen nicht nur transparent darzustellen sondern sie vor allem nachvollziehbar zu machen. Das führt zu gegenseitiger Wertschätzung aller Beteiligten und zu besseren Ergebnissen. Eine Erweiterung der Aufgabenstellung (z.B. nicht nur Fassadendämmung alter Gebäude) generiert zusätzliche Chancen, um mit Missverständnissen, die aus der traditionellen Bauweise herrühren aufzuräumen.“

Porträtfoto